Ein Geständnis

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"W-welcher Brief?", Frage ich, doch weiß genau wovon er spricht. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich merke, wie meine Hände feucht werden. Woher weiß er von dem Brief? Hat er den Brief von früher doch bis zum Ende gelesen? Ich bin mir sicher, dass ich seinen Namen erwähnt hatte.
"Du hast mir einen Brief geschrieben.", Entgegnet er ernst und starrt mir direkt in die Augen.
"Habe ich nicht.", Lüge ich nervös.
"Wieviele Lügen willst du mir noch auftischen, Kim Taehyung? Sei doch ehrlich. Ich weiß davon, soviel ist klar. Ich weiß auch, worum es ungefähr geht." Ich senke den Blick und halte mich am Waschbecken-Rand fest. Mingyu... Mingyu muss es ihm erzählt haben. Wie rede ich mich nun heraus? Ich kann ihm auf keinen Fall den, noch unfertigen, Brief zeigen. Oder doch? Würde es etwas verändern?
"Jimin, es ist kitschig und einfach... Nicht gut geworden. Ich bin keine Person, die gute Briefe schreibt."

Plötzlich tritt Jimin nah an mich ran und legt seine Hand ebenfalls auf das Waschbecken. Ich lehne erschrocken meinen Oberkörper zurück und blicke in Jimin's nahes Gesicht. Ich kann seinen Atem auf meinem Hals spüren. Es verpasst mir eine leichte Gänsehaut. Das größere Problem ist jedoch mein Herz, welches in einem unnormal schnellen Tempo schlägt.
Jimin scheint nicht zu merken, was diese Nähe mit mir macht, denn er spricht unbeirrt weiter. "Darum geht es nicht Taehyung. Es geht mir um die Botschaft darin. Ich will wissen, was du zu sagen hast, doch ich glaube nicht, dass du es mir in hundertprozentiger Ehrlichkeit sagen würdest, wenn ich persönlich vor dir stehe." Wie verdammt Recht er doch damit hat. In dem Brief habe ich alle Wahrheiten verfasst, sogar meine Gefühle ihm gegenüber, auch wenn das nicht der Hauptbestandteil des Ganzen ist.
Ich habe den Fokus auf ihn gelegt. Darauf, dass er seine Zukunft nicht runieren soll, nur weil seine Eltern ihn nicht so akzeptieren wollen, wie er ist. Ich lege meine Hand auf seine Brust und schiebe ihn leicht von mir, damit er mir nicht mehr so verdammt nah ist. Stumm bleibt er, nun etwas von mir entfernt stehen, doch er lässt mich nicht aus den Augen. Ich weiß genau, dass er Antworten will.

"Du hast Recht. Ich kann dir nicht die Wahrheit ins Gesicht sagen. Du sollst allgemein nicht die Wahrheit erfahren. Das wäre unnötig." Ich weiß, dass es keine wirklich gute Antwort war, aber es war wenigstens nicht gelogen.
"Es wäre nicht unnötig Taehyung. Lass mich erfahren, was dir durch den Kopf geht. Es ist wichtig!" Ich zucke bei seinem plötzlichen, lauten Ton zusammen und verziehe verwirrt die Augenbrauen.
"Nein, es würde nur unnötige Diskussionen bringen, oder Verwirrung. Du hast doch bereits beschlossen diese Jonghi zu heiraten."
Jimin senkt den Blick und nickt leicht. "Wieso beschäftigt es dich überhaupt so sehr, dass ich sie vielleicht heiraten werde?", Fragt er leise und ich kann sehen, wie er seine Hände zu Fäusten ballt. "Was meinst du mit vielleicht?", Versuche ich von der eigentlichen Frage abzulenken. Kann es sein, dass er...

Jimin geht einige Schritte zurück und lässt sich auf den Toilettendeckel fallen. Mit dem Fuß stößt er die Badezimmertür zu. Wurde auch Mal Zeit.
"Damit meine ich, dass ich verdammt nochmal nicht weiß, ob ich es wirklich tun kann.", Zischt der Ältere und stützt seine Arme auf seinen Beinen ab, nur um sein Gesicht in seinen Händen zu verstecken.
"Du hast mir meine Frage aber noch nicht beantwortet.", Sagt er leise, lässt den Kopf aber gesenkt. Ich knirsche unruhig mit den Zähnen und beschließe es ihm so zu erklären, dass nicht viel Information dabei herauskommt. Bedrückt setze ich mich auf den Badewannenrand.
"Als wir geschrieben haben, hast du mir von dir erzählt. Du meintest, dass du nichts mit Frauen anfangen kannst. Ich wollte dir in dem Brief klarmachen, dass du dir bewusst sein sollst, was du mit deiner Hochzeit alles verändern würdest. Du würdest deine eigene Persönlichkeit unterdrücken, was das Schlimmste ist, was du machen kannst." Meine Aussage sollte reichen, zumindest denke ich so. Jimin schaut wieder auf und legt den Kopf schief. Intensiv starrt er mich an und verengt die Augen. "Dass gerade du so etwas sagst, verwundert mich." Er lacht, doch es klingt nicht nach einem glücklichen Lachen. "Du bist doch selber so. Du tust immer so, als seist du der perfekte Sohn, dabei hast auch du andere Wünsche und Vorstellungen, die du unterdrückst. Du stehst doch selber nicht zu dir selbst Taehyung, warum versuchst du es mir klarzumachen, wenn du an dir selbst auch noch arbeiten musst?" Jimin klingt ehrlich empört und ich kann in seinen Augen glitzernde Tränen erblicken. Was ist das eigentlich für eine dumme Situation? Zwei Jungen, die nicht sie selbst sein können, weil es nicht der Norm entspricht. Ich hasse diese Gesellschaft, also warum schaffe ich es nicht einfach darauf zu scheißen?
"Ich hab's... Du hast Angst dir selbst etwas einzugestehen und damit zu leben, richtig? Was ist es Taehyung? Was macht dir so zu schaffen?" Er hat er erfasst. Er weiß genau, was mein Problem ist. Ich umgreife fest den Badewannenrand und starre auf die weißen Fliesen.
"Das ist egal Jimin.", Erwidere ich leise, doch mir war klar, dass der Andere es nicht einfach so hinnehmen würde. "Ist es nicht. Du weißt was mir im Weg steht Taehyung, es wäre unfair, wenn du mir nicht auch mitteilen würdest, warum du nicht in diese Form des Lebens gehörst." Und damit hat er leider Recht. Ich habe auf hinterhältigen Wegen herausgefunden, wer Jimin wirklich ist. Ich schulde ihm das Gleiche, doch kann ich es einfach so mitteilen? Es würde nur Probleme bereiten, wenn ich ihm meine Gefühle gestehen würde.
"Taehyung, um es dir leichter zu machen... Mingyu hat mir viel erzählt, wahrscheinlich weiß ich sowieso schon, was es ist, das dich bedrückt. Doch ich weiß nicht, ob ich es glauben kann, oder nicht, deshalb will ich es nochmal aus deinem Munde hören. Erzähl mir die Wahrheit."

Jetzt gerade habe ich das Gefühl, dass ich sowieso Nichts zu verlieren habe. Das Verhältnis zwischen Jimin und mir kann nicht merkwürdiger werden, also warum zögere ich?
Ich atme tief durch und bin bereit etwas zu sagen, doch es kommt mir einfach nicht über die Lippen. Nicht ein Ton verlässt meinen Mund.
"Vielleicht fällt es dir leichter, wenn du es nicht sagst, sondern zeigst.", Flüstert Jimin in die Stille. Es klingt so furchtbar laut, aber macht mir umso klarer, was ich tun sollte. Ich bin mir sicher, dass er wirklich weiß was mit mir ist. Auch wenn ich nicht verstehe, warum er dann will, dass ich es zeige, beschließe ich es zu tun.

Ich nicke ihm also zu  und stehe auf, um mit schwachen Beinen auf ihn zuzulaufen.
Direkt vor ihm bleibe ich stehen und schaue zu ihm runter, bevor ich mich hinhocke, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Ich weiß nicht, ob mein Vorhaben das Richtige ist und ob er wirklich das hier meinte, aber es ist für mich eine beschlossene Sache.
Meine Hand zittert, als ich sie hebe und in Jimin's Nacken lege. Erst jetzt traue ich mich in sein Gesicht zu schauen, welches mir näher ist als je zuvor. Eine Träne läuft über seine roten Wangen und sein Blick ist abwartend. Nun bin ich mir sehr sicher, dass er weiß, was ich tun werde, doch er tut nichts dagegen. Im Gegenteil, er schaut auf meine Lippen und sagt leise, "Zeig es mir Taehyung."
Das gibt mir den restlichen Mut, um mich leicht zu strecken und ihn am Hinterkopf zu mir zu ziehen. Mein Herz schlägt so stark, wie noch nie und meine Gedanken sind unsortiert.  Ich schließe meine Augen und spüre noch wie Jimin zurückhaltend seine Hände auf meine Schultern legt. bevor ich auch schon den letzten Zentimeter Abstand überwunden habe und...

Meine Lippen endlich die des Blonden berühren.

𝐇𝐚𝐭𝐫𝐞𝐝 [VMIN] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt