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Sarah Lena; 08.06.2020 ︱Frankfurt

Übermüdet schaute ich aus dem kleinen Fenster. Die Sonne ging langsam auf und die Morgenröte erstreckte sich über den ganzen Himmel, was ich gleich fotografierte und später sicher auf Instagram posten wollte. Ich wusste nicht wie lange wir nun schon hier saßen, aber sechs Stunden waren es bestimmt, zehneinhalb dauerte der gesamte Flug. Luca neben mir war am schlafen und ich fragte mich echt, wie er das schaffte, oder generell wie man im Flugzeug schlafen konnte. Mir waren die Geräusche immer viel zu laut und generell tat ich mich schwer mit dem Gedanken. Außerdem waren die Sitze auch nicht die bequemsten, obwohl es Business Class war. Mit der Zeit wurde es immer langweiliger und ich wusste mittlerweile echt nicht mehr, was ich machen konnte. Die ersten Stunden hatten Luca und ich noch gequatscht, Spiele gespielt oder sonst irgendwas, bis er müde würde. Dann habe ich die Zeit eigentlich nur damit verbracht, schon zwei Videos zu schneiden, aus dem Fenster zu schauen und die Cola an Board leer zu saufen. Außerdem hatte ich die ganze Zeit so ein komisches Gefühl im Bauch. Ich wusste nicht warum, aber im Moment wollte ich überall hin außer nach Hause, nach London. Ich hatte mich in den letzten zwei Wochen so an die Zeit mit Luca gewöhnt, hatte mich an ihn gewöhnt, da war der Gedanke bald wieder allein zu sein total grotesk. Am liebsten würde ich in Frankfurt nicht in einen anderen Flieger steigen sondern einfach mit ihm in seinen steigen, oder er mit mir, das war mir nun auch egal.

„Sind die Wolken interessant?", hörte ich die raue Stimme von Luca. Lächelnd drehte ich mich zu seinem Sitz um, um ihn anzuschauen. Mit einen leichten Lächeln im Gesicht rieb er sich gerade den Schlaf aus dem Auge.

„Nicht wirklich, aber jetzt hab ich ja dich.", lachte ich. Zustimmend nickte er und holte dann sein Handy aus der Hosentasche, um kurz raufzuschauen.

„Wir sollten auch nicht mehr länger als eineinhalb Stunden fliegen.", informierte er mich glücklich. Wahrscheinlich freute er sich, endlich wieder nach Hause zu kommen und bald wieder richtig Urlaub zu machen. Oder er freute sich einfach nur weg von mir zu sein, weil er mich insgeheim nicht ausstehen konnte. Naja, das Erste klang schon reeller.

„Und was wollen wir solange machen?", fragte ich ihn ungeduldig. Ohne was zu sagen klappte er sein MacBook, was vor ihm auf dem kleinen Klapptisch lag, auf und verband es mit seinen AirPods, wovon er mir einen gab. Dann ging er auf YouTube und öffnete ein Hundevideo. Schon nach einigen Tagen zusammen hatten wir bemerkt, dass wir beide riesengroße Hundefans waren. Gerne hätten wir beide einen Hund, aber bei mir ging es nicht, weil es kompliziert war in England einen und ins und aus dem Land zu nehmen und ich hatte in London niemanden, der auf den Hund aufpassen könnte. Genau wie bei Luca, der niemanden in Freiburg hatte, der über die Länderspielpause, während des Trainingslagers oder auch bei Auswärtsspielen auf das Tier aufpassen würde.

„Schau mal wie süß der ist.", grinste Luca und deutete auf einen kleinen, braunen Pudel, der fast aussah wie ein Teddybär.

„Der ist wirklich total süß. So einen möchte ich auch gerne haben.", schwärmte ich und stellte mir schon vor, wie es wohl aussehen würde, wenn ich einen Hund hätte.

„Ich dachte du wolltest wenn schon eine französische Bulldogge?", fragte Luca lachend, wobei seine blauen Augen anfingen zu strahlen, wie so oft wenn er Spaß an etwas hatte.

„Will man nicht immer mehr?", fragte ich ihn, jedoch zuckte er nur mit den Schultern und ging nicht weiter drauf ein, also konzentrierten wir uns wieder auf das Video. Das machten wir so lange, bis wir wieder auf deutschem Boden waren und sich unserer Wege vor dem Gate gezwungenermaßen trennen mussten , denn zu meinem nächsten Gate musste ich nach links, Luca nach rechts.

„Na dann...", lächelte mich Luca an, während ich nur unbeholfen vor ihm stand und nicht wirklich wusste, was ich machen sollte. Ich wollte ihn nicht verabschieden, auch wenn ich selbst wusste, dass es nun mal nicht anders ging. Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da hatte er schon seine Arme um mich geschlungen und drückte mich kräftig gegen seinen Körper. Seufzend erwiderte ich seine Umarmung und spürte gleichzeitig seinen heißen Atem an meinem Nacken, wo er seinen Kopf vergrub. Ich wollte nicht, dass mein Körper darauf reagierte, aber es machte mich einfach verrückt und innerhalb von Sekunden war mein Puls höher als vorher. Was machte er bloß mit mir? Ich hatte ihn doch gerade erst kennengelernt und es war nicht einmal irgendwas zwischen uns passiert oder sonst was, also woher kam das plötzlich?

„Wir bleiben aber im Kontakt, oder?", fragte ich traurig, als wir uns langsam wieder lösten und schaute hoch, direkt in seine blauen Augen, die mich wie immer warm anstrahlten.

„Definitiv, was dachtest du denn? Dass du ab jetzt eine Fremde für mich bist? Nein nein, vergess das mal ganz schnell!", schmunzelte er. Sofort musste auch ich anfangen zu lächeln und merkte, wie mir innerlich ein riesen Stein vom Herzen fiel. Wie hätte ich wohl reagiert, wenn er doch keinen Kontakt gewollt hätte? Darüber wollte ich gar nicht nachdenken, wahrscheinlich hätte ich die nächsten Wochen durchgehend im Bett verkrochen und Liebeskummer gehabt, obwohl da zwischen uns nicht einmal eine Kleinigkeit gewesen war. „Schreibst du mir, wenn du heil Zuhause angekommen bist?"

„Klar, aber nur wenn du das auch machst! Ich denke, wir müssen jetzt auch beide langsam los, oder?" Fragend schaute ich ihn an, in der Hoffnung, dass er mir sagen würde, dass wir noch genügend Zeit hätten. Aber leider schüttelte er mit dem Kopf und holte mich damit in die Realität, in der ich in etwa zwanzig Minuten Boarding hatte.

„Ich wünschte es wäre nicht so. Aber wir sehen uns ja hoffentlich ganz bald wieder. Und wir werden so oft wie möglich schreiben und sowas, ja?", versicherte er sich, wobei er von mir ein kräftiges Nicken erhielt. Dann war es auch schon soweit. Eine letzte Umarmung, von uns beiden ein leises, gemurmeltes „tschüss", bevor sich unsere Wege endgültig trennten. Als ich alleine im Flieger saß, traten mir sogar ein paar einzelne Tränen aus den Augen. Aber der Fakt, dass ich bald wieder in der Stadt war, die für mich einfach ein Traum war, beruhigte mich wieder, sodass ich nicht mehr allzu traurig war, sondern mich auf unser nächstes Treffen freute, wann auch immer das war.

paper rings ➳ luca waldschmidtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt