Kapitel 4

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Es gibt Träume, die vergisst man direkt nach dem aufstehen. Es gibt Träume, die widerspiegeln die Gefühle des unterbewusstseins. Es gibt Träume, die einen zum lachen bringen. Träume, die einen zum weinen bringen. Träume, die einen unruhig machen. Träume, mit einer Message. Die uns etwas sagen wollen. Etwas zeigen. Die uns nachdenklich machen. Und Träume, die einen verfolgen. Das ganze Leben lang.

Sie zitterte am ganzen Körper. Der Traum saß wie ein harter Stein auf ihrer Brust. Das Atmen fiel ihr schwer und sie fing an zu weinen, zu schluchzen. Sie wusste selbst nicht wieso genau aber sie weinte los wie ein kleines Kind. Sie hatte angst und fühlte sich unwohl. Es war doch nur ein Traum, dachte sie sich aber er hatte sich schon in ihrem Körper breit gemacht. Melek hat sich aufrecht hingesetzt und mit ihren Händen ihre Tränen weggewischt. Schnell stand sie auf um in den Wandschrank im Flur zu gehen und eine Packung Taschentücher zu holen, da ihre Nase schon wie verrückt lief. Sie stand auf, öffnete leise die Tür und ging zum Schrank. Ihre Eltern waren schon tief am schlafen, also musste sie vorsichtig sein damit sie nicht aufwachten. Leise nahm sie sich die Packung und ging in ihr Zimmer zurück.

Sie setzte sich auf ihr Bett und versuchte sich zu beruhigen, doch die Tränen wollten nicht aufhören. Nach einigen Minuten schluchzen und mehreren Taschentüchern kam sie langsam zu sich.

Melek blickte in den Spiegel. Ihre Augen waren schon rot vom ganzen Weinen. Nun konnte sie klarer denken. Wieso hatte sie geweint? Was war so schlimm an diesem Traum? Sie versuchte es zu analysieren. Melek wusste, dass es Träume gibt die bestimmte Bedeutungen haben können und versuchte von alleine zu verstehen was der Traum ihr sagen wollte. Sie dachte an das Mädchen, an den Koran, an den Mann und an das Feuer. Irgendwo, dachte sie sich, muss es einen Zusammenhang zu ihrem Leben geben. Obwohl es so offensichtlich schien, kam sie nicht so schnell drauf.

Gerade wollte sie sich wieder hinlegen, machte es klick. 'Natürlich!', sagte sie. 'Das kleine Mädchen mit dem Koran in der Hand. . Das war ich. Das ist meine Kindheit!'. Okay, dachte sie sich. Wenn sie das kleine Mädchen mit dem Koran in der Hand ist, welches friedlich vor sich hin rezitiert und alles wunderschön ist, wer ist dann dieser Mann?

Sie wusste zwar nicht wer er war, aber sie wusste dass das Ende mit diesem Mann, das Feuer bedeuten würde.

Obwohl Melek nicht gläubig war und auch nie direkte Angst vor der Hölle hatte, überkam sie auf einmal die Panik. Sie wollte wieder weinen, aber stattdessen wusste sie sie muss sich ändern. Sie wollte nicht in die Hölle. Keineswegs.

Sie stand auf, ging ins Bad und war entschlossen zu Beten. Dafür musste sie erstmal die Gebetswaschung vollziehen, nur leider hatte sie das meiste schon vergessen. Sie wusste, sie muss ihr Handy einschalten und nachschauen wie man sich richtig wäscht, also tat sie das auch.

Wenige Sekunden nachdem ihr Handy an war, kamen schon wieder endlose Benachrichtigungen von Likes bis hin über neuen Followern. Melek ignorierte alles und war konzentriert auf das eigentliche. Sie fragte auf Google wie man die Gebetswaschung vollzieht und fand schnell hilfreiche Antworten. Sie versuchte sich alles zu merken und schon legte sie los. Erst die Hände, dann den Mund, die Nase,... mist was kam jetzt dran? Ah ja, das Gesicht. Melek vollzog ihre Waschung und rannte förmlich in ihr Zimmer zurück um endlich zu beten. Um endlich ihrem Schöpfer nahe zu sein. Sie wollte reue zeigen. Sie wollte ihn um Vergebung bitten für die ganzen Jahre.

Angekommen in ihrem Zimmer suchte sie sich schnell einen langen Rock, eine Jacke und ein Tuch raus. Sie besaß zwar kein Kopftuch, aber sie benutzte diesmal einfach einen Schal. Besser als nichts, dachte sie sich. Einen Gebetsteppich hatte sie zwar auch nicht, jedoch wusste sie dass es genügt wenn der Boden auf dem sie Betet sauber ist, und ihr Boden war sauber. Dabei vergaß sie aber das wichtigste. Melek konnte gar nicht beten. Sie wusste weder wie die Bewegungsabläufe waren, noch was sie wann sagen soll. Die Bewegungen könnte sie zwar schnell nachschauen, aber um einpaar Suren auswendig zu lernen blieb ihr keine Zeit. Ihre beine knickten um und sie fiel auf den Boden und fing wieder an zu weinen. Da wollte sie einmal in ihrem Leben etwas richtig machen und selbst da versagte sie. Wie sollte sie das jetzt hinbekommen?

Sie entschied sich mit ihrer Stirn den Boden zu berühren. Selbst wenn sie nicht betete wollte sie ihrem Schöpfer nahe sein. Gerade als sie zu Boden ging, fühlte sie etwas ganz komisches. Es fühlte sich an als würde sie plötzlich auf Wolken schweben. In ihr kochte es förmlich und es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Nie wieder wollte sie von dort aufstehen. Wenn sie vorher bloß gewusst hätte was das für ein schönes Gefühl ist, hätte sie es mit Sicherheit schon vorher gemacht. Ihr Herz pochte so laut, dass sie angst hatte, ihre Eltern würden es schon hören. Was war das für ein wunderschönes Gefühl? Sie kannte das gar nicht. Nie hatte sie so gefühlt, für nichts und niemanden. Kein Mensch hatte es bis jetzt geschafft ihr Herz so schnell zum Rasen zu bringen und ihren Körper zum zittern. War das Liebe?

Sie dachte an ihre verschwendete Zeit, an die Zeit ohne ihrer Stirn auf dem Boden. An ihre Sünden und ihre Ungehorsamkeit gegenüber Allah. Wieder fing sie an zu weinen, noch immer auf dem Boden. Noch nie hatte sie so viel geweint wie in dem Moment. Sie weinte um ihr Verhalten, um ihre Fehler. Würde Allah ihr jemals verzeihen? Was wäre wenn sie sterben würde? Würde Allah sie überhaupt beachten? Oder würde Er sie in Sein Höllenfeuer werfen? Sie hatte nichts getan um Ihn glücklich zu machen. Könnte Allah sie jemals lieben? So viele Fragen kreisten in ihrem Kopf herum und je länger sie darüber nachdachte, umso mehr musste sie weinen.

Wenn sie bloß gewusst hätte, dass Allah ihr dann schon all ihre Sünden verziehen hat..

Sie wollte sich ändern das war klar, sie musste es. Melek beschloss absofort ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Alles. Kopftücher und lange, schlichte Klamotten sollten ihre Kleiderschränke füllen und nicht mehr diese kurzen Shorts und engen Tops. Sie wollte ihren Account löschen und lernen wie man sich als eine Muslima zu verhalten hat. Sie hatte einen weiten weg vor sich, das wusste Melek. Aber diese Liebe war es wert.

Es war schon halb 4. In 3 Stunden musste sie aufstehen und zur Uni. Ungewollt stand sie auf und legte sich in ihr Bett. Sie spürte Frieden und Angst gleichzeitig. Frieden, weil sie so unglaublich verliebt wurde und Angst, weil sie nicht wusste wie sie enden wird.

Bevor sie schlief, wollte Melek noch schnell einen Blick auf ihr Handy werfen. Sie wollte genau jetzt mit ihrem neuen Leben anfangen und ihren Account löschen. Ihr Handy blinkte schon die ganze Zeit, mit dem Hinweis dass sie neue Benachrichtigungen hat. Ein Blick darauf zeigte ihr, dass sie wieder eine neue Nachricht hat..

Wollte diese Nacht nicht aufhören sie zu quälen?

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