Charlotte verhält sich komisch

1.2K 29 3
                                    

Erschöpft schlendert Charlotte nach ihrer Nachtschicht in die Umkleide. Dort trifft sie auf ihre beste Freundin Tabea, welche zeitgleich ihre Schicht zu Ende brachte. "Hey, Charlotte. Wusste gar nicht, dass du auch Nachtschicht hattest", begrüßte Tabea ihre Freundin freudig. "Oh, hey Tabea. Ehm, ja, ehm, ich hatte auch Nachtschicht", stotterte Charlotte. "Was ist denn los mit dir, du klingst so traurig", fragte Tabea neugierig. "Ach, wir hatten heute Nacht eine 4-Jährige auf Intensivstation bekommen, sie hatte einen Schlaganfall und konnte nur schwer atmen. Das hat mich etwas mitgenommen. Aber halb so wild, mir gehts gut", sagte Charlotte mit einem aufgesetzen Lächeln, und wandte sich ihrem Spind zu. Tabea drehte Charlotte zu sich und machte ihr klar, dass sie ihr nicht glaubte, dass es ihr gut geht. "Alles gut", meinte Charlotte, doch das aufgesetzte Lächeln verschwand nicht. "Wenn du meinst...", nuschelte Tabea vor sich hin, als sie sich dann schließlich auch umzog. Sie wollte gerade zu sprechen beginnen, als Charlotte aus der Umkleide rauschte. Auf dem Weg nach draußen rannte sie in Miriam, die gerade ihren Dienst antreten wollte. "Hey, hey, hey, was ist denn mit dir los? Warum so eilig?", frage sie entsetzt. Daraufhin brach Charlotte in Tränen aus und sackte zusammen. "Ich brauch hier mal Hilfe!", rief Miriam, und wandte sich ihrer Arbeitskollegin zu. Miriam kniete sich zu Charlotte hinunter und nahm sie in den Arm, als Tabea angerannt kam. "Ich wusste, dass etwas nicht stimmt!", sagte sie vor sich hin. "Es tut mir leid, ich möchte euch nicht aufhalten. Ich möchte nur nachhause", erwiderte Charlotte weinerlich. Miriam und Tabea sahen sich gegenseitig an und beschlossen, dass Tabea Charlotte nachhause bringt. Die Autofahrt war in ein Schweigen gehüllt. Tabea brachte ihre Freundin noch in ihre Wohnung hinauf, ehe sie besorgt nachhause fuhr. Am nächsten Morgen hatten beide in der Notaufnahme Dienst. Morgens um 6 Uhr trafen die beiden in der Umkleide der Klinik wieder aufeinander. Charlotte entschuldigte sich für den vergangenen Tag, was Tabea überhaupt nicht verstand, da Charlotte ja nichts für ihren Zusammenbruch konnte. Tabea wollte gerade versuchen, ein Gespräch aufzubauen, jedoch blockte Charlotte komplett ab. Während des Dienstes fiel Tabea auf, dass Charlotte ungewöhnlich ruhig und in Gedanken vertieft war, sagte jedoch nichts. Gegen Nachmittag kündigte sich ein Notfall an. Alle Ärzte und Ärztinnen fanden sich rasch in der Notaufnahme ein, als die Rettungssanitäter eine schwer verletzte 17-Jährige brachten, die versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Sie spuckte Blut und war kaum ansprechbar. Charlotte übernahm die Erstversorgung der Schülerin. "Christina, kannst du mich hören?" fragte Charlotte besorgt. Dem Mädchen fielen immer wieder die Augen zu, während Schwester Leandra ihr Blut abnahm und Schwester Johanna ein EKG anschloss. Als Charlotte die Pupillen kontrollierte, sank die Sättigung der 17-Jährigen rapide. "Sättigung fällt ab, Sauerstoff bitte", bat Charlotte eilig. Schnell wurde Christina Sauerstoff zugeführt, was leider wenig half. Plötzlich begann der Monitor zu piepen. "Okay, weg vom Bett, Kammerflimmern!", rief Charlotte. Die Krankenschwestern handelten schnell und setzten den Defibrillator an, der dem Mädchen sofort einen Stromschlag verpasste. Ihr Herz kam wieder in Takt, sie war jedoch stets bewusstlos. "Sofort auf Intensiv, dort ergreifen wir weitere Maßnahmen", befahl Charlotte und alle handelten schnell. Auf Station wurden Christina's Wunden versorgt und alle Werte gründlichst untersucht, jedoch konnte man das Kammerflimmern nicht erklären, da keine Herzkrankheit bekannt war. Charlotte begab sich wieder in die Notaufnahme, wo bereits die Mutter des Mädchens von Tabea beruhigt werden musste.
"Wie geht es meiner Tochter, ist sie okay?", fragte die Mutter panisch. Tabea sah zu Charlotte, die der Mutter mitteilte, dass sich ihre Tochter auf der Intensivstation befand. Christina's Mutter brach erst einmal in Tränen aus, als Charlotte ihr die ganze Geschichte erzählt hatte.
Inzwischen war es 17 Uhr und die Schicht der Freundinnen ging zu Ende. Charlotte wirkte sehr geschafft, dennoch sehr niedergeschlagen. "Ist alles okay bei dir, Charlotte? Ist es wegen der Patientin von heute Nachmittag?", fragte Tabea. Charlotte senkte nur den Kopf. Tabea war klar, dass sie mit ihrer Arbeitskollegin und mittlerweile besten Freundin heute kein vernünftiges Gespräch mehr führen konnte. Sie zog sich um und wollte die Umkleide gerade verlassen, als Charlotte sie am Ärmel packte. Tabea drehte sich aus Reflex um und stieß an Charlotte's Unterarm. Diese stöhnte leise auf. "Oh, tut mir leid, Süße", entschuldigte sich Tabea. Charlotte's Ärmel verfärbte sich rot und Tabea wusste, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Charlotte versuchte, ihren Arm zu verdecken, doch Tabea nahm ihre Hand und zog ihren Ärmel hoch. Erschrocken sah sie zu ihrer Freundin auf, deren Augen sich mit Tränen füllten. "Ach, Maus", murmelte Tabea, ehe sie Charlotte in den Arm nahm. "Du hast dich geschnitten, wieso?" fragte Tabea entsetzt. Charlotte setzte sich auf die Bank in der Umkleide und brach in Tränen aus. Ihre beste Freundin holte Verbandsmaterial aus dem Erste Hilfe Koffer an der Wand und wandte sich erneut Charlotte zu. Diese jedoch vergrub ihr Gesicht nur in ihren Händen. "Ich... ich kanns... erklären... Denke ich", stotterte sie vor sich hin...

If Only You KnewWo Geschichten leben. Entdecke jetzt