Teil 12

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Es war klar, dass ich kaum mehr in der Lage gewesen war, mich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren. Zu meinem Leidwesen hatte ich für heute noch genauso viel zu tun wie noch vor zwei Stunden.
Gleich würde es zur nächsten Stunde klingeln - Mathe. Alleine bei dem Gedanken an die Nachricht drehte sich mir der Magen. Vielleicht sollte ich doch nicht hingehen. Das alles einfach vergessen und hinter mir lassen. Aber ich hatte mich darauf eingelassen, wer weiß, ob das mit dem beenden so einfach war. Zumal ich seine Berührungen ja auch genoss.
Jetzt war meine Kreativität gefragt, denn ich brauchte eine Ausrede, die sowohl den Lehrer als auch Bianca zufrieden stellte. Eine Freundin, die mir unangenehme Fragen stellte, auf die ich keine Antwort hatte, war das Letzte was ich nun brauchte. Vielleicht ging es mir zu Beginn der Stunde schon nicht gut, sodass es niemanden wundern würde, wenn ich in Mitten des Unterrichts ginge.

„Na, bereit für unlösbare Aufgaben?" Bie tauchte gut gelaunt hinter mir auf. Mir war nicht wohl dabei sie anzulügen, aber die Wahrheit konnte ich ihr wohl auch schlecht sagen.
„Nicht wirklich, mir geht es nicht so gut."
„Die Mathekrankheit?"
„Nein, Kopfschmerzen und mein Magen macht auch irgendwie Probleme." Letzteres war nicht einmal gelogen. Die Aufregung bereitete mir Bauchschmerzen.
„Oh je, hoffentlich wirst du nicht krank", sie schenkte mir einen mitleidigen Blick, „oder rühren die Bauchschmerzen vielleicht doch von etwas anderem?" Bie sah mich erwartungsvoll, beinahe verschwörerisch an. Hatte sie was bemerkt? Das war eigentlich unmöglich.
„Dein Gesicht müsstest du sehen", prustete sie los, „du bist ja ganz blass geworden. War deinem Rendezvous mit dem Neuen so gut?" Mir fiel ein Stein vom Herzen.
„Woher weißt du das denn? Und überhaupt war das kein Rendezvous", verteidigte ich mich.
„Die Mädchen reden über nichts anderes mehr. Du bist jetzt ihre Konkurrenz, die die sich schon am ersten Tag an den Neuen rangeschmissen hat", sie rollte gespielt genervt mit den Augen.
„Was kann ich dafür, dass Nathan sich ausgerechnet neben mich gesetzt hat? Das hab ich mir auch nicht ausgesucht."
„Ach komm schon, abgeneigt warst du doch auch nicht oder? Er ist wirklich heiß!" Grinsend stupste sie mich an.
„Ja aber vor allem ist er nett." Inzwischen saßen wir an unseren Plätzen und auch Frau Trun hatte gerade den Raum betreten.
Sie stand an einem Whiteboard und schrieb in Großbuchstaben „VEKTOREN" an die Tafel. Na toll, ausgerechnet heute begann sie ein neues Thema.
Während Florian uns Nachfrage von Frau Trun erklärte, was genau Vektoren waren, blickte ich jede Minute auf die Uhr. Das war zwar irgendwie auffällig, aber die meisten sahen sowieso an die Tafel und wie Gott es so wollte, hing besagter Zeitmesser direkt daneben. Ich entschied mich ein bisschen eher auf den Weg zu machen,
Also stupste ich Bie neben mir an.
„Ich glaub ich muss mich gleich übergeben." Das war wenigstens nur halb gelogen. Ich erntete einen besorgten Blick.
„Soll ich dich auf dein Zimmer bringen?", fragte sie mitfühlend. Leichte Panik tief in mir auf.
„Es wird schon gehen, Hauptsache ich komme dort an, bevor s losgeht!" Ein gequältes Lächeln umspielte meine Lippen. Ich wollte sie nicht anlügen.
„Keine Wiederrede, ich komme mit!"

Dank Bies gutem Herzen saß ich jetzt auf meinem Bett, sie auf meinem Schreibtischstuhl neben mir sitzend. Frau Trun hatte mich für „äußerst Blass" empfunden und Bie für unbestimmte Zeit als meine Begleiterin vom Unterricht entlassen. Mein Plan war also super aufgegangen.
Meine Ich-möchte-dich-nicht-anstecken-Taktik hatte jedenfalls keinen Erfolg gebracht.
„Dafür sind Freunde doch da. Ich halte dir die Haare und passe auf, dass deine Frisur sitzt, egal in welcher Situation!", beharrte sie mit einem lieb gemeinten Versuch mich aufzumuntern. Wenn sie nur wüsste, dass es ihre Anwesenheit war, die mir Bauchschmerzen bereitete. Ich hatte nur noch fünf Minuten und die brauchte ich alleine schon für den Weg bis zu Herr Bacherts Zimmer.
„Das ist auch wirklich lieb gemeint und ich bin auch dankbar dich als meine Freundin zu haben, aber wenn es mir nicht gut geht bin ich lieber alleine. Das ist auch überhaupt nicht böse gemeint, es ist nur so, dass es mir einfach unangenehm ist, wenn mir jemand beim - naja du weißt schon was - zuhört. Außerdem denke ich, dass etwas Ruhe und Schlaf mir vielleicht auch ganz gut tun würde." Wenn sie das jetzt nicht überzeugte wäre ich verloren.
„Okay, du hast vermutlich Recht. Aber schreib mir wenn du mich brauchst."
Sie sah mich warnend an.
„Ja mache ich Schwester Bianca", versprach ich.
„Und wenn du dich nicht meldest schaue ich später noch mal bei dir rein!"
„Ist gut Schwester Bianca", scherzte ich weiter. Sie schenkte mir ein letztes Lächeln und schloss dann die Tür hinter sich.
Jetzt musste ich nur noch ein bisschen warten. Wenigstens so lange, bis sie den halben Weg zurück zum Klassenraum hätte zurücklegen können. Ich sollte sowieso schon seit einer Minute da sein.

Ich hatte im Laufschritt genau vier Minuten bis zu seinem Zimmer gebraucht. Damit war ich neun Minuten zu spät und ich hatte das Gefühl mein Herz müsste mir jeden Moment aus der Brust springen, als ich an die Tür meines Lehrers klopfte.
Es dauerte keine Sekunde, da wurde sie geradezu aufgerissen.
„Du bist spät", bemerkte er kühl. Ich brachte keinen Ton raus.
„Ich... ich wurde...", mit einer belanglosen Geste bedachte er mir den Mund zu halten.
„Ich brauche keine Entschuldigungen. Das kann und darf nicht zur Gewohnheit werden."
Am liebsten hätte ich angemerkt, dass das das erste Mal war und er mich zu einer unmöglichen Zeit erwartet hatte, doch ich schwieg. Stattdessen nickte ich.
„Dann hätten wir einen Punkt geklärt." Mir fiel auf wie attraktiv er war, wenn er so redete. Seine Spitzen Wangenknochen, seine dunklen und trotzdem grün leuchtenden Augen, die ihn irgendwie gefährlich wirken ließen und ich begann mich zu fragen, wie ein so junger und gutaussehender Mann wie er so gefühlskalt sein konnte. War er je in einer richtigen Beziehung gewesen? Nicht, dass ich mehr Erfahrung darin gehabt hätte, aber ich war auch ein bisschen jünger.
„Warum starrst du mich an?", fragte er, wieder aus seinem Fenster blickend, ohne mich anzusehen. Ertappt sah ich weg. Woher hatte er gewusst, dass ich ihn angestarrt hatte? Ich blieb ihm eine Antwort schuldig.
„Möchtest du das, was wir...", er suchte nach dem richtigem Wort. „- haben, fortsetzten?" Ich überlegte. Konnte ich jetzt einfach nein sagen. Ich kannte die Antwort. Dafür war einfach zu viel passiert. Dieser Zug war längst abgefahren.
„Ja." Das was aus meinem Mund kam war mehr ein heiseres Ächzen als ein Wort.
Etwas veränderte sich in seiner Mimik. Ich sah ihn zwar nur seitlich von hinten, doch meinte ich einen Anflug von Zufriedenheit und vielleicht sogar Freude in seinem Gesicht erkennen zu können. Soweit er für diese Gefühle fähig war.
„Beweis es."

Lehrer meiner LustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt