Ich konnte nicht glauben was ich gerade getan hatte. Es schien, als habe sich meine Hand ohne meine Zustimmung zu einer Faust zusammengezogen und gegen das harte Holz bewegt. Ich hielt den Atem an. Doch nichts passierte. Hatte mir das Schicksal eine zweite Chance gegeben? War das der Zaunpfahl, der mir zu winkte oder vielleicht ein ganzer Zaun der mir ins Gesicht schlug? Ich wartete. Eine Minute. Zwei Minuten. Ohne mich zu bewegen. Doch es geschah nichts. In meinem Kopf fuhren die Gedanken Achterbahn. Hatte ich seine Nachricht falsch interpretiert? Oder hatten wir schon nach zwölf? Nein das konnte nicht sein.
Als sich nach fünf weiteren Minuten nichts tat beschloss ich zu gehen und da mir nichts besseres einfiel und ich jetzt nicht alleine in meinem Zimmer hocken wollte, ging ich nach draußen, um einen Spaziergang zu machen.
Der Wind war kühl und ich hätte mir rechter eine Jacke mitgenommen, doch jetzt war es zu spät. An großen Bäumen vorbei gelangte ich zu dem breiten Kiesweg, der durch den Internatseigenen Park führte. Schützend schlang ich die Arme um meinen Körper. Lange würde ich es hier nicht aushalten.
Auf dem gesamten Weg begegnete ich nur wenigen anderen Schülern, die meisten von ihnen kannte ich jedoch ausschließlich durchs sehen, was auch kein Wunder war wenn man bedachte, dass ich noch relativ neu war.
Kurz vor dem Eingang trag ich auf ein mir bekanntes Gesicht und ich kramte angestrengt nach dem passenden Namen in meinem Kopf. Jasmin? Nein Jenny. Sie war auch in meinem Geschichtskurs, jedoch hörte man nur selten etwas von ihr. Ihre geringe Körpergröße und ich zierlicher Körperbau unterstrichen ihren eher schüchternen Charakter.
„Rose?", fragte sie gerade so laut, dass ich sie hören konnte. Ihre dunklen Haare fielen ihr in feinen Strähnen ins Gesicht. Überrascht blieb ich stehen.
„Ja?" Sie Stich sich die Haare hinters Ohr und trat näher.
„Es kam gerade eine Durchsage. Man erwartet dich im Sekretariat." Sie sah wohl meine gerunzelte Stirn. „Worum es geht haben sie nicht gesagt. Ich dachte ich gebe das an dich weiter, du hast es sicher nicht mitbekommen."
Ich bedankte mich bei ihr und machte mich mit klopfenden Herzen auf Richtung Sekretariat. Doch auf dem gesamten Weg fiel mir nichts ein, was der Grund sein könnte, weshalb ich dort hin zitiert werden sollte.
Immer noch aufgeregt trat ich durch die sich selbst öffnende Glastür und wartete. Als der Schüler vor mir fertig war und den Platz räumte lächelte mir schon eine Frau mittleren Alters entgegen, die kleinen Augen hinter einer Brille verborgen.
„Was kann ich für dich tun?" Meine Unsicherheit legte sich ein wenig.
„Ich bin Rose, ich sollte mich hier melden?"
Sie nickte und griff hinter sich. Als sie ihren Arm wieder zu sich nach vorne holte, hatte sie eine kleine Clutch. Sie reichte sie mir.
„Die wurde hier abgegeben. Da auf dem Zettel dein Name stand, dachte ich ich gebe sie dir persönlich." Sie lachte freundlich.
Verwirrt nahm ich die vermeintlich zu mir gehörende Tasche an und tatsächlich stand in kleinen handschriftlichen Lettern mein Name auf einem Zettel.
Noch ehe ich Zeit hatte, die Situation zu verstehen hörte ich mich auch schon danke sagen, ehe ich das Sekretariat wieder verließ.
Draußen betrachtete ich die Clutch. Sie war schwarz und sah edel aus. Den Rand säumte eine schmale Reihe aus funkelnden Steinchen und der Reißverschluss war in einem matten, dunklen Silber. Wer auch immer sie ausgesucht hatte, hatte in jedem Fall einen guten Geschmack.
In der Tasche war nicht viel. Eine kleine Schachtel von etwa der halben Größe eines Kartendecks lag darin. Ich nahm sie heraus. Darin lag ein Kettchen auf einem violetten Seidentuch. Ich nahm es heraus und betrachtete es. Es war ein einfaches feines Band aus Edelstahl mit einer Brücke darin. Für ein Armband schätzte ich es zu groß, weshalb ich es als Fußkettchen eingeordnet hätte. Als ich die Brücke genauer betrachtete, sah ich, dass dort etwas eingraviert stand. In geschwungenen Lettern las ich drei Worte, die mir mehr als bekannt vor kamen, weil die mich immer und immer wieder begleiteten:
du bist mein
Schlagartig wurde mir kalt, denn ein Gedanke schoss mir wie ein Pfeil durch den Kopf und traf dort mitten ins Schwarze. Er hatte das Klopfen sehr wohl mitbekommen. Und noch viel schlimmer: er hatte tatsächlich recht behalten! Er hatte gewusst, dass ich es tun würde. Auch den Schmuck konnte er nicht erst eben gekauft haben.
Als ich die Kette zurück in die Schachtel legen wollte, fiel mir der zusammengefaltete Zettel auf, der mit einer Ecke leicht unter dem seidigen Stoff herauslugte.
Ich musste nicht mehr raten, wer sich das ausgedacht hatte, das wusste ich auch so und die Nachricht bestätigte dies nur.Meine Rose,
ich wusste du würdest die richtige Entscheidung treffen!
Wir sehen uns um 18:30 Uhr. Sei pünktlich.Ich schluckte und sofort machte sich ein mulmiges Gefühl in mir breit. Gerade jetzt wusste ich nicht, ob es tatsächlich die richtige Entscheidung gewesen war. Doch nun gab es kein Zurück mehr. Ich schüttelte den Kopf. Natürlich gab es ein Zurück. Er konnte mich schließlich zu nichts zwingen, zumindest hoffte ich, dass er das nicht tun würde.
Und was würde er um 18:30 Uhr mit mir machen? Ich war neugierig aber hatte auch Angst vor dem was mich erwarten würde, aber vor allem Angst, die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Noch etwas über fünf Stunden, dann würde ich Klarheit bekommen.
Ich beschloss die Zeit mit Schulaufgaben totzuschlagen. Für Deutsch wartete noch ein Aufsatz auf mich, den ich in zwei Tagen abgeben musste. Ob ich mich nun darauf konzentrieren konnte, war die eine Frage, aber alles war besser, als wieder alleine mit meinen Gedanken zu sein und da die anderen gerade keine Zeit für mich hatten, musste es einfach so gehen.
Also verkroch ich mich in eine der Lernecken. Hier - so fand ich - herrschte eine bessere Lernatmosphäre und man konnte sich nicht einfach so nach den ersten paar Zeilen aufs Bett schmeißen. Doch die Worte wollten nicht richtig fließen, bildeten keine richtigen Sätze. Und nach zwei Stunden reiner Qual gab ich schließlich auf.
Trotzdem verging die Zeit viel zu schnell.
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Lehrer meiner Lust
RandomIch bin Rose und habe gerade die Schule gewechselt. Warum ist egal, wichtig ist nur, dass ich jetzt in einem Internat wohne. Mir gefällt es dort gut und es wäre sicher noch schöner, wäre da nicht dieser eine Lehrer... Das ist eine Geschichte, die er...