Teil 24

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Klopf, klopf, klopf.
Ich seufzte. Endlich riss mich etwas aus dem Gedankenstrudel, der mittlerweile irrwitzige Züge angenommen hatte.
„Bist du schon wach?", hörte ich Bies stimme.
Ich ging zu Tür und öffnete sie.
„Jap. Schon länger als nötig. Hab gestern Abend aus Versehen meinen Wecker gestellt." Bie grinste mitleidig.
„Hast du schon gefrühstückt?", fragte sie und brach in Lachen aus, als sie meinen wie-kannst-du-nur-sowas-fragen-Blick sah. „Möchtest du trotzdem mitkommen?" Ich überlegte. Zwar hatte ich heute schon viel Zeit in der Cafeteria verbracht, war dies jedoch die optimale Chance meinen lästigen Hirngespinsten zu entgehen. Außerdem schuldete ich Bie noch eine Erklärung bezüglich des gestrigen Abends. Also nickte ich.
Weniger als 10 Minuten später saß ich mit Loreen, Paul, Selene und natürlich Bie an unserem gewohnten Tisch.
„Also was war denn jetzt gestern mit dir und Nathan?", platze Loreen gewohnt direkt heraus, kurz nachdem wir uns niedergelassen hatten. Unschlüssig, ob ich wirklich alles erzählen oder wenigstens den Teil in dem ich weglief weglassen sollte, sah ich von einem zum anderen. „Jetzt spuck's schon aus, so schlimm wird es schon nicht sein. Oder bist du etwa Schwa-"
„Ist ja gut, ist ja gut. Bevor du nachher noch Gerüchte in die Welt setzt", unterbrach ich sie, bevor sie den Satz beenden konnte. Ein zufriedenes Grinsen erschien auf ihrem Gesicht.
„Als ich gestern mit Nathan draußen war, hat Nathan meine Hand genommen und ich glaube er wollte mich küssen." Mich wunderte, wie schnell mir das Blut in die Wangen schoss.
„Aber deshalb wird er ja nicht so eine unglückliche Miene aufsetzten. Du hättest ihn sehen sollen. Er sah aus wie ein geprügelter Hund." Loreen konnte nicht ahnen, dass ihre Worte die Welle schlechten Gewissens in mir wieder aufschäumen ließ, die ich allerdings sofort wieder zu bändigen versuchte, denn zwischen uns war schließlich alles geklärt.
„Ich... war noch nicht bereit dafür", sagte ich und hoffte, dass das als Erklärung ausreichte.
Leider schien ihr das nicht zu genügen, denn sie fragte unbeirrt weiter:
„Und du hast was gemacht, um ihm das zu zeigen?" Es wäre zu schön gewesen.
„Ich bin weggegangen", murmelte ich, als könnte das verhindern, dass die anderen es erfuhren.
„Du bist einfach weggelaufen? Vor Nathan? Dem neuen und gleichzeitig heißesten Typen?" Ein entschuldigender Blick zu Paul. „Du hast ihn also einfach stehengelassen?" Ihre Vorwürfe schmetterten auf mich ein wie Körner in einem Hagelsturm.
„Es ist einfach passiert, ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte", versuchte ich mich zu verteidigen. Loreen schüttelte ungläubig den Kopf. „Aber es ist wieder alles okay zwischen uns. Wir haben das heute morgen geklärt." ich hoffte inständig, dass das Thema damit beendet sein würde.
„Ist doch in Ordnung wenn sie sich die Zeit nehmen die sie brauchen", mischte sich jetzt auch Paul ein und legte ihr beruhigend eine Hand auf den Unterarm. Die beiden waren echt ein Traumpaar. Ob ich das auch mal haben würde?
„Ja ist ja gut", gab sie es schließlich auf.
„Das Wichtigste ist doch, dass alles wieder gut ist", sagte Bie und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln.
„Was habt ihr heute so vor?", fragte Selene in die Runde und begann damit ein neues Thema, wofür ich sie dankbar anlächelte.
„Ich glaube ich mache heute gar nichts!" Natürlich Loreen. Dann legte sie Paul eine Hand auf den Oberschenkel, beugte sich zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Oder fast gar nichts." Der verschwörerische Blick den sie Paul dabei zuwarf sprach Bände.
„Holt euch ein Zimmer", lachte Selene, was Paul sichtlich unangenehm war, doch er überdeckte es mit ebenfalls mit einem Lachen.
„Ich bin auch noch gebeutelt von gestern Abend", hab Bie zu. „Allerdings muss ich noch eine Aufgabe für Englisch vorbereiten, ansonsten hab ich noch nichts vor."
„Vielleicht könnten wie in die Stadt fahren", schlug Selene vor.
Wir einigten uns darauf, den Vorschlag ein anderes Wochenende in die Tat umzusetzen, den wirkliche Lust etwas zu machen hatte keiner von uns. Nach dem essen verschwanden Paul und Loreen in Pauls und Selene in ihrem Zimmer, während Bie und ich noch einen Abstecher in die Bibliothek machten, um für sei ein Buch für besagte Aufgabe zu suchen.
„Dann sehen wir uns später", sagte sie schließlich, nachdem sie ihren Bibliotheksausweis wieder in ihrer Tasche verschwinden ließ.
„Geht klar." Damit ging auch sie in Richtung Zimmer und ich war alleine. Ich suchte die Wände nach einer Uhr ab und erfuhr, dass es nun kurz vor elf war. Am liebsten würde ich die Zeit um eine, besser zwei Stunden vordrehen.
Ich erwischte mich bei dem Gedanken an den Lehrertrakt und an die Tür, an die ich klopfen sollte. Noch hatte ich Zeit. Nein! Niemals! Trotzdem ging ich den Weg entlang, der mich irgendwann zu dem Zimmer meines Lehrers führen würde, redete mir ein, dass ich nur mal durchgehen wollte, wie es wäre wenn. Natürlich würde ich vor seiner Tür wieder umdrehen und gehen.
Irgendwann stand ich tatsächlich vor dem rotbraunen Holz der Tür. Die Lehrer hatten natürlich schönere und qualitativ hochwertige Zimmer. Ich erinnerte mich daran, dass ich schon mal vor dieser Tür gestanden hatte und das noch gar nicht so lange zurück lag. Ebenso daran, wie er mich einfach wegstieß und ins Badezimmer verschwand. Doch das hatte er ja nicht jedes Mal gemacht. Es war einfach so schwierig, ihn einzuschätzen, zu verstehen und schlau aus ihm zu werden. Immer wenn ich glaubte zu wissen, was er als nächstes tun würde, schlug er eine andere Richtung ein. Und war es das wirklich wert? Meine Schulkarriere oder sogar ihre Berufskarriere, ihre Freunde, Nathan - das alles aufs Spiel zu setzten für... für was? Das Gefühl der Lust gemischt mit dem der Hingabe erfüllten mich in dem Moment, als sie an die Male dachte, die er mich zum Höhepunkt gebracht hatte. Doch war es das wert? Und was wenn ich mich verliebte, aber er diese Gefühle nicht erwidern könnte?
Ein Bild von Nathan fuhr durch die Rückseiten meiner Augen. Er war lieb, hilfsbereit, zuvorkommend, konnte sogar singen. Loreen hätte sicher noch sein gutes Aussehen hinzugefügt. Es wäre einfach perfekt. Er wäre zu perfekt.
Klopf, klopf, klopf.
Sie konnte nichts dagegen tun.

Lehrer meiner LustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt