Teil 23

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Meinen Wecker hätte ich an diesem Morgen am liebsten erst erschlagen und dann gegen die Wand geworfen. Heute war Sonntag und ich hatte mir den Wecker auf 6:00 Uhr gestellt. Ich ärgerte mich darüber, überlegte, was mich nur so abgelenkt haben könnte, mich an einem Sonntag mitten in der Nacht aus dem Bett klingeln zu lassen und seufzte schwer, als mir der gestrige Abend wieder einfiel. Ich würde nun unmöglich wieder einschlafen können, das war mir klar, obwohl ich die Augen kaum offen halten konnte. Doch im Bett zu bleiben bedeutete auch, alleine mit meinen Gedanken zu sein und das wäre vermutlich das Aus für den heutigen Tag. Also stand ich in Selbstmitleid badend auf und schleppte mich ins Bad. Eine Dusche würde mir gut tun. Das schwarze Kleid des Vorabends hing ordentlich auf einem Bügel an der Tür und erinnerte mich an Karaoke, singen, an Nathan. Es war kindisch gewesen einfach wegzulaufen.
Mittlerweile stand ich unter dem Duschkopf einer Regendusche und lies das warme, fast heiße Wasser auf mich niederregnen.
Wie ein kleines Kind, das sich nicht artikulieren konnte, um sich durch Kommunikation zu verständigen. Andererseits, was hätte sie denn sagen sollen?
Entschuldige, ich weiß nicht was ich möchte, ich mag dich aber habe auch eine zumindest sexuelle Beziehung mit meinem Lehrer, der mich damit überrumpelt hat und der dich nicht ausstehen kann, was übrigens meine Schuld ist.
Aus irgendeinem Grund war alleine die Vorstellung dieses Gesprächsverlaufs zu komisch, sodass ich tatsächlich in mich hineinlächelte.
Als ich die Duschtür öffnete umhüllte mich die kühlere Luft noch bevor ich zu meinem Handtuch gegriffen hatte und selbst nach dem ich mich angezogen und auch sonst fertig gemacht hatte, wurde mich nicht mehr richtig warm. Inzwischen war es sieben Uhr und ich hoffte, dass die Cafeteria bereits für das Frühstück geöffnet war. So früh würde ich hoffentlich weder Nathan noch meinem Geschichtslehrer, geschweige denn Loreen oder sonst wen aus der Gruppe antreffen. Ausnahmsweise war das Glück tatsächlich auf meiner Seite, denn als ich eintrat waren nur wenige Plätze, die meisten von Lehrern besetzt.
Frau Trun lächelte mich an und mir schien als wolle ihr Blick sagen: schön, dass es dir wieder besser geht.
Also lächelte ich kurz zurück, nahm mir ein Tablett und bepackte es mit einem Brötchen und ein Päckchen Butter und Honig, bevor ich mich fast automatisch an den Tisch setzte, an dem ich immer mit meinen Freundinnen saß.
Wider Erwartens aß war mein Appetit noch vorhanden, sodass ich tatsächlich alles aufaß, nur um dann noch ein paar Minuten aus dem Fenster auf der anderen Seite zu schauen.
Wie viel Zeit ich wohl schon totschlagen konnte? Eine halbe Stunde? Vielleicht etwas weniger?
„Konntest du auch nicht schlafen?" Ich erschrak. Vor lauter Gedanken hatte ich gar nicht mitbekommen, dass sich jemand, ebenfalls mit einem Tablett bewaffnet, an meinen Tisch gestellt hatte und nun auf mich herabsah.
„Nathan...", stammelte ich überrascht davon, dass er überhaupt noch mit mir redete. „Wegen  gestern..." Mir fehlten die Worte. Natürlich hatte ich dieses Gespräch schon einige Male in Gedanken geführt, mich jedoch nicht auf einen Anfang einigen können.
„Es tut mir leid", kam er mir zuvor. Verwundert sah ich ihn an. In keinem meiner Selbstgespräche war er derjenige gewesen, der sich entschuldigte. „Ich hätte dich vorher fragen sollen. Ich dachte nur... naja, dass du mich vielleicht auch magst." er brachte ein schiefes Lächeln zustande.
„Magst du dich setzten?", schlug ich vor. Während er Platz nahm überlegte ich, was ich antworten sollte.
„Es ist nicht so, dass ich dich nicht mag. Ich weiß nur noch nicht, ob es mehr ist. Wir kennen uns noch nicht so lange und ich brauche einfach mehr Zeit um das herauszufinden." Ich war erstaunt wie sicher und weich meine Stimme klang. „Aber ich hätte gestern nicht einfach weglaufen dürfen, das war kindisch."
Er atmete erleichtert aus.
„Also ist alles wieder okay zwischen uns?"
„Klar!" Damit begann er nun endlich sich seinem Frühstück zu widmen. Auch mir viel ein Stein vom Herzen.

Auch wenn es noch ein wenig merkwürdig gewesen war, war unser Gespräch doch recht schnell wieder auf den gewohnten Wellen verlaufen mit kleinen Scherzen hier und da und doppelt so vielen Lachern. Ich genoss ihn in meiner Nähe das war sicher, aber reichte das auch?
Nach dem Essen - obwohl ich schon fertig gewesen war, hatte ich ihn nicht alleine frühstücken lassen wollen - musste er sich allerdings schon wieder verabschieden. Verständlicherweise wollte er seine Hausaufgaben lieber schnell hinter sich bringen, um den Rest des Sonntages genießen zu können.
Also bewegte ich mich in Richtung meines Zimmers. Schon beim öffnen der Tür sah ich das weiße Papier des Briefumschlages, der auf dem Boden direkt vor mir lag. Ich brauchte ihn nicht zu öffnen, um zu wissen, wer mir einen solchen Brief zukommen ließ.

Du bist mein.
Solltest du noch vor dem Mittag an meine Tür klopfen, bestätigst du damit, was ich schon weiß.

Ich las die Nachricht ein zweites und auch ein drittes Mal. Wollte er, dass ich ihm zustimmte, dass ich es akzeptierte, indem ich heute zu ihm ging? Und was wären die Konsequenzen, sollte ich es tatsächlich tun? Nein. Das ging zu weit. Ich gehörte niemandem, nur mir selbst und das würde ich mir nicht nehmen lassen. Von niemandem.
Entschlossen legte ich den Brief beiseite und blickte auf die Uhr. Es war kurz nach acht. Etwas unter vier Stunden Zeit, schwirrte es durch meinen Kopf.
„Nein!" Ich erschrak über meine eigene Stimme.
Aber musste er nicht denken, dass ich ihn wollte, so wie ich mich ihm gestern an den Hals geworfen hatte? Nein. Doch. Vielleicht. Aber es gab einen Unterschied zwischen jemandem gehören und was mit jemandem haben. Und ich wollte ganz bestimmt niemandens Eigentum sein.
Ich spürte wie das Gedankenkarussell mich immer tiefer mit sich zog, ohne eine Chance mich von ihm zu lösen und zu entkommen. Gleichzeitig hörte ich das stumme Ticken eines Zeigers in meinem Kopf, der mich drohend daran erinnerte, dass ich nicht die Zeit hatte da drüber nachzudenken, die ich eigentlich brauchte.
Tick. Tack. Tick. Tack. Noch drei Stunden, dann würde es zwölf schlagen.

Lehrer meiner LustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt