Teil 14

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Ich war völlig überfordert gewesen. Lange hatte ich einfach im Raum gestanden und gehofft, er würde wieder rauskommen und alles erklären. Doch das war selbstverständlich nicht passiert. Schließlich hatte ich mich auf den Flur begeben und war jetzt auf dem Weg zu meinem Zimmer, wobei ich fast eine Abbiegung verpasst hätte, denn ich war ziemlich verstört von dem, was gerade geschehen war.
„Hey alles klar bei dir?", fragte irgendwo irgendwer irgendwen. „Rose geht es dir gut?"
Erschrocken sah ich auf. Nathan trat in mein Sichtfeld.
„Hey, du bist gerade einfach an mir vorbeigelaufen, als wäre ich nicht da", er sah wirklich besorgt aus. So lieb das auch war, wollte ich gerade niemanden sehen, zumal ich ja krank in meinem Bett liegen sollte.
„Hi Nathan. Mir geht es nicht sonderlich gut, tut mir leid, ich wollte dich nicht übergehen", entschuldigte ich mich.
„Das ist doch kein Problem. Soll ich dich auf dein Zimmer begleiten?" Spätestens als er mein verdattertes Gesicht sah, bemerkte er, was er gesagt hatte. „Ich meinte natürlich, ob ich dich zu deinem Zimmer bringen soll." Er lachte nervös. „Also ohne das reinkommen." Kurze Denkpause seinerseits, „außer natürlich du möchtest es...", stotterte er weiter. „Nicht, dass ich es unbedingt wollen würde, also klar würde ich, wenn- " Ich brach in Lachen aus. Es war süß, wie er versuchte die Situation zu retten.
„Ich weiß schon was du meinst und das ist sehr nett von dir, aber ich schaffe das schon", sagte ich ruhig.
„Okay, klar, ist gut. Dann sehen wir uns... Also wenn es dir wieder besser geht... was hoffentlich bald der Fall ist." Sein Hänger war ihm immer noch sichtlich unangenehm. Gerade als er gehen wollte fiel mir etwas ein.
„Was machst du eigentlich hier? Das sind die Wohnräume, hast du gerade Pause?"
„Nein eigentlich nicht. Ich war auf dem Weg in den Musiksaal."
„Da bist du hier aber auf der ganz falschen Seite", bemerkte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Das habe ich eben wohl auch gemerkt." Er kratzte sich unsicher am Kopf.
„Du musst zurück zum Speisesaal und dort die Treppe in den dritten Stock nehmen, dann geradeaus und hinten rechts", zwinkerte ich ihm zu.
Noch ein dankbares Nicken, dann war er weg.

Auf meinem Zimmer legte ich mich dieses Mal wirklich ins Bett. Die Gedanken an die letzte Stunde geisterten in meinem Kopf umher und ließen mich einfach nicht los. Was hatte ich falsch gemacht, dass er so reagiert hatte? Er wollte doch, dass ich es bewies und bis dahin war er auch alles andere als abgeneigt gewesen.
Eine Stunde lag ich so da, bis mein Handy neben mir vibrierte.

<< Hi Süße, wie geht es dir inzwischen? Sehen wir dich heute Abend beim Essen? Oder soll ich dir was raufbringen? <3 >>

Bie war echt niedlich.

<<Das Essen lasse ich mir doch nicht entgehen ;) >>
<< Habe ich mir fast gedacht XD >>
<<Dann bis gleich!>>
<<Ja bis später>>

Ein schlechtes Gewissen hatte ich schon. Bie machte sich solche Gedanken um mich und mir ging es den Umständen entsprechend gut. Aber jetzt war es sowieso zu spät, obwohl ich hoffte, dass das das erste und einzige Mal gewesen sein wird.

„Bin ich froh, dass es dir wieder besser geht", begann Loreen als wir uns gerade alle hingesetzt hatten.
„Sie geht mir schon den ganzen Tag auf die Nerven, seit sie mitbekommen hat, du seist einer der Auserwählten mit denen sich der Neue unterhält", brachte Paul genervt zum Ausdruck. Er musste echt viel aushalten, aber wir alle wussten, dass er Loreen trotzdem über alles liebte und sie ihn hinter ihrer Fassade sicherlich auch.
„Jetzt erzähl schon. Wie ist er so", drängte sie mit schimmernd großen Augen.
Bie schmunzelte in sich hinein.
„Total nervig, ein echter Langweiler. Warum konnte er nicht dich auswählen?", gab ich in Schauspiel zum besten. Loreen stutze. Das musste echt überzeugend geklungen haben,
„Im ernst? Aber selbst wenn sieht er immer noch verdammt gut aus!"
„Rose hat dich auf die Schippe genommen", klärte Bie sie netterweise auf. Viel zu gutmütig. Wie aufs Stichwort musste ich wieder an den Nachmittag auf Herr Bacherts Zimmer denken.
Ein Ellbogen traf mich in der Seite.
„Aua!"
„Da ist er", flüsterte Loreen aufgeregt.
Meine Blicke flogen umher und fanden Nathan schließlich ein Tablett balancierend durch den Saal gehen. Als er mich bemerkte schenkte er mir ein strahlendes Lächeln, welches ich nur zu gerne erwiderte.
„Er hat dich eindeutig angeflirtet!", himmelte sie neben mir.
„Oder aber er ist einfach nur höflich", mischte sich Bie ein. „Nichts gegen dich Süße", fügte sie mit einem Zwinkern hinzu. „Ich denke nur unsere Tratschtante interpretiert wieder mal viel zu viel."
„Wann tut sie das nicht", warf Selena lachend ein. Manchmal vergaß ich wirklich, dass sie auch noch da war, so selten wie sie sich in die Gespräche einbrachte. „Außerdem hätte er sich dann bestimmt zu ihr an den Tisch gesetzt."
Das war ein Argument. Nathan war an unserem Tisch vorbei nach hinten gegangen und genoss sein Essen alleine.
„Auf euch verrückte Hühner kann Nathan bestimmt verzichten", merkte ich belustigt an.
„Uhlala du kennst seinen Namen", trällerte Loreen.
„Der kommt aber nicht aus Frankreich." Sie warf Bie einen ich-bin doch-nicht-doof-Blick zu.
„Ich sitze neben ihm, natürlich kenne ich seinen Namen."
„Dann freust du dich bestimmt schon auf die nächste Geschichtsstunde oder?" Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Ohne meine Antwort abzuwarten, redete sie weiter. „Hätte ich das gewusst, hätte ich vielleicht auch Geschichte gewählt. Das fach ist zwar langweilig, aber mit zwei spannenden Typen." Sie zuckte vielsagend mit den Schultern und legte ihre Hand auf Pauls Bein. Er wusste natürlich, dass sie nur scherzte.
Zwei Typen?", fragte ich verwundert.
„Ja! Der zweite ist zwar zugegebenerweise ein Arschloch, aber gutaussehend ist dein Lehrer  allemal." flüsterte sie. Warum erfuhr ich, als ich meinen Blick hob und Herr Bachert mit einem Tablett in der Hand bemerkte. Er musste wissen wo ich saß, den schließlich speisten wir immer am selben Tisch, doch er sah nicht zu mir rüber. Es schien fast so, als sähe er angestrengt in die andere Richtung.

„Wenn ich das Thema wechseln dürfte", setzte Selena an. „Heute um Mitternacht sollen mehrere Hundert Sternschnuppen zu sehen sein, kommt jemand von euch mit?" Dass so ein Vorschlag von Selena kam wunderte mich. Ich kannte sie natürlich noch nicht so lange, aber etwas vorzuschlagen, was der Schulordnung widersprach, hätte ich ihr keineswegs zugetraut.
Nach 23:00 Uhr während der Woche war es Schülern des Internats nicht mehr gestattet das Schulgebäude zu verlassen.
„Paul und ich sind dabei", willigte Loreen ohne jegliche Absprache mit ihrem Freund ein. Bie sah mich fragend an.
„Ich würde auch mitkommen, wie sieht es mit dir aus? Fühlst du dich dazu in der Lage? Wenn nicht können wir auch zusammen auf mein oder dein Zimmer gehen."
„Nicht nötig, ich komme auch mit." Alles war momentan besser als wach im Bett liegen zu müssen und meinen Gedanken ausgesetzt zu sein!

Lehrer meiner LustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt