8 - Zu spät

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WIEDER AUF DER VERANDA EINER UNS BEREITS BEKANNTEN HOLZBLOCKHÜTTE

Ilt, unser Gnom, materialisierte auf der Veranda. Sein Omeziometer an seinem Handgelenk vibrierte extrem stark. Der Zeiger wies auf außergewöhnliche Anomalien in dieser Welt hin, die so unnormal waren, dass sie hier und jetzt und insbesondere auf diese Art und Weise nicht passieren dürften. Wie z. B. das Phänomen, das Bäume herumliefen und wild um sich schlugen. Er musste Dr. Popheila retten. Dies wusste er jetzt. Nicht unbedingt aus altruistisch-philanthropischen Gründen, sondern weil das seine Aufgabe war, die ihm befohlen wurde. Er konnte sich nur noch nicht erinnern von wem er diesen Auftrag bekam und warum. Im Grunde genommen war ihm das auch egal.

Für Sie, werter Leser, noch der Versuch einer Erklärung, was ein Omeziometer eigentlich ist:
Omeziometer, Das: Ein Omeziometer ist eine Uhr. Genauergesagt eine Armbanduhr. Zumindest sieht sie so aus. Eine analoge Uhr mit Stunden-, Minuten-, Sekunden- und klitzekleinen Anomalienzeiger. Dieser steht üblicherweise auf kurz nach zwölf. Falls sich etwas „Ungewöhnliches" in seiner Gegend befindet, zeigt er den Grad des „Unnormalen" an. Gegen 1 tendiert er beispielsweise bei Menschen mit 6 Fingern (sofern es Menschen sind). In dem Fall wenn beispielsweise mehrere zum Leben erwachte Bäume ein fliehendes Pärchen zerschmettern wollen, tendiert er schon zwischen 10 und 11. Die Anzeige ist mit einem Vibrieren verbunden, dass seinem Träger, auch ohne dass er hinsehen muss, den Ernst der Lage signalisiert. Abgesehen davon hat das Omeziometer noch drei weitere kleinere Ziffernblätter mit Anzeigen, die noch weitere diverse Funktionen haben, welche zu einem späteren Zeitpunkt erläutert werden. Zum einen, um die Spannung zu halten, und zum anderen, weil sich die Funktionen des Omeziometers unserem Gnom namens Ilt sowieso noch nicht erschlossen haben, da ihm dieses faszinierende Gerät eigentlich gar nicht so richtig gehört ...
Ach ja, wasserdicht, feuerfest, stoßsicher, äußerst angenehm zu tragen und optisch sehr schön ist es außerdem auch noch. Es ist sogar sehr schwer das Omeziometer zu beschädigen. Genauergesagt ist es schier unmöglich. Man müsste es schon einem speziellen magischen Feuer ziemlich lange aussetzen, um es mit einigen Blessuren zu versehen.
Außerdem piepst das Omeziometer, wenn sein Träger tot ist. Zugegeben, davon hat der Träger in den meisten Fällen nichts. Aber es ist für die Uhr ungemein von Vorteil, da sie ganz schnell einen neuen Besitzer findet, sofern ihn das Omeziometer auch als solchen annimmt. Man kann sagen dass das Omeziometer seinen eigenen Willen hat.
Zurück zur Mission unseres Gnomes Ilt. Zunächst war Ilt froh, dass das Materialisieren so gut geklappt hat. Dies ist meist der schwierigste Part. Entmaterialisieren war einfacher. Aber wenn man sich erst mal zerlegt hatte, um sich dann wieder exakt zusammenzufügen und dann noch ohne mit einem bereits dort stehenden, geschweige denn sich bewegenden Objekt bzw. Subjekt zu verschmelzen, gestaltete sich dies schon etwas schwieriger. Auch hierbei ist das Omeziometer äußerst hilfreich bzw. durch ihn erst möglich. Aber wie immer gibt es qualitative Unterschiede und selbst die guten Markenprodukte werden manchmal montags produziert und scheitern plötzlich und unerwartet äußerst kläglich.
Weniger glücklich war Ilt über die Tatsache, dass er reichlich spät zur Befreiungsaktion ankam. Anscheinend hatte er sich doch bei der Berechnung ein klein wenig vertan. Er sah nur noch wie Dr. Susan Popheila und Allen Fine direkt vor seinen Augen zwischen den Bäumen, die kurzerhand entschlossen haben, Waldschrate o. ä. zu werden, direkt auf etwas extrem gefährliches zusteuerten.

Nach Anzeige des Omeziometers weitaus gefährlicher, als diese instinktgetriebene Holz-Auftrags-Killer. Er fuchtelte mit den Armen um sie zum Umkehren in seine Richtung zu bewegen.
Aber leider zerbrach plötzlich der Boden, eine riesige Klaue schoss hervor und umklammerte den Wagen und zerdrückte ihn in seiner Hand. Alles ging blitzschnell ... Die Bestandteile des Fahrzeugs flogen kreuz und quer, das Nummernschild flog vor seine Füße, so als wollte es ihm noch etwas mitteilen. Dann bebte ihm vom Boden eine grausame Stimme entgegen, welche ihm durch Mark und Bein ging und jedes andere Geräusch – selbst die eines explodierenden Kleinwagens – verstummen lies. Sie brummte sich tief in seinen Schädel wie stechende Migräne und rief: „ICH BIN DER RICHTER, ich bin die Geschworenen ... ich bin der Henker ... kurzum: man nennt mich DEN CLEANER!" Eine kurze Pause entstand im Dröhnen im Inneren von Ilt's Schädel, dann schallte es weiter: „Mein Urteil lautet: TOD, qualvoll, viel qualvoller als das Deiner Mitwisser!" Dann bebte direkt unter ihm die Erde. Er spürte, dass sich auch dort eine Klaue durch den Boden kämpfte. Er hatte keine Zeit geschweige denn Lust sein Leben zu verlieren. Schnell blickte er auf sein Omeziometer, das schon die ganze Zeit vibrierte. Kurioserweise kam ihm die Stimme des Rächers so bekannt vor. Das Problem an der Teleportation mit dem Omeziometer war, dass man nicht nur durch den dreidimensionalen Raum, sondern auch durch die 4. Dimension – der Zeit – reisen konnte. Egal ob beabsichtigt, oder nicht. Und deswegen erlitt man manchmal eine Art Jetlag, wie Sie – verehrter Leser – es vielleicht vom Reisen mit dem Flugzeug durch andere Zeitzonen kennen. Als Resultat durch das Reisen durch Zeit und Raum können dann etwaige temporäre Gedächtnislücken entstehen. Wobei „temporär" zwischen „ein paar Minuten" oder aber auch „bis kurz vor dem Tod" bedeuten kann. Wobei im Falle unseres Gnoms Ilt die zuletzt genannte Zeitangabe auch früher sein konnte, als die zuerst genannte. Wie dem auch sei, die Zeit rannte, die Luft brannte, kurzum: es eilte!

Ilt hatte nun 3 Schritte zu erledigen:
1. Schritt: Das Berechnen der Zielkoordinaten: Folgendes galt es zu klären: Wo zum Geier wollte er hin? – Einfach nur weg! Also wählte er die Voreinstellung für Notfälle mit dem Titel: Nix wie weg, nächster Versuch!
2. Schritt: Er begann hastig am Omeziometer zu drehen, um die unter Schritt 1 erwähnten Voreinstellung vorzunehmen. Gott sei Dank war das Uhrwerk samt seinem Gehäuse nahezu unzerstörbar. Jede andere Uhr hätte in diesem Moment gnadenlos kapituliert.
3. Schritt: Er bangte um sein Leben und betete, denn Omeziometer sind sehr eigenwillig und müssen sich auch manchmal nach einem Dimensionssprung ausruhen, um einfach neue Kraft zu tanken. Besonders nach anstrengenden Sprüngen.
Nachdem die Schritte 1 und 2 getan waren und der 3. Schritt noch anhielt, berührte er mit 3 Fingern die 3 Auslöseknöpfe und kniff die Augen zu. Er konnte nur noch hören, wie die Erde unter ihm aufbrach.

Er spürte einen Windhauch, roch einen üblen Gestank von Schwefel, spürte enorme Hitze, gepaart mit glitschiger Haut, die sich um seinen Körper schloss und ein Handgriff, der seinen ganzen Körper umklammerte, als er plötzlich das vertraute Geräusch des Raum-Zeit-Sprungs hörte. Rettung in letzter Sekunde.
Das Geräusch des Sprunges hörte sich leider nicht so spektakulär an, war aber in so einer brenzligen Situation äußerst angenehm und entspannend. Es hörte sich so ähnlich an, wie das Fahrstuhl-Ding-Dong-Klingeln in manchen mehrstöckigen Einkaufshäusern. So nach dem Motto: „Ding-Dong, 3. Stock: Herrenschuhe" – nur eben, dass die auf Band gesprochene Stimme der elektronischen Ansage fehlte. Nun traute er sich die Augen wieder zu öffnen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich seine Sinne auf das neue Raum-Zeit-Gefüge einstellten. Er nahm eine angenehm friedliche und ihm vertraute Umgebung wahr – seine Augen pegelten sich ein, sein Bewusstsein meldete sich und gab ihm zu erkennen, dass er in der vertrauten Praxis eines Psychotherapeuten materialisierte ... genauergesagt in einem Warteraum ...

Gnom, unserWhere stories live. Discover now