AUF EINER VERANDA EINER IDYLLISCHEN HOLZBLOCKHÜTTE INMITTEN EINES WEIT ABGELEGENEN WALDES
Die langen rabenschwarzen Haare wehten ihr ins liebreizende rotbräunliche Gesicht. Ein starker Wind war aufgekommen. Es war ein angenehm ruhiger und abgelegener Ort. Der Briefkasten war überfüllt mit Post. Das liebreizende Gesicht nahm verärgerte Züge an. Hatte sie die Öffentlichkeit schließlich doch eingeholt. Nur schmerzlich erinnerte sie sich an die tausenden von Klatschreportern, die ihrer Theorie bzgl. der Bäume nichts abgewinnen konnten. Dabei hatte sie nur die Spuren gelesen. Etwas das von Generation zu Generation in ihrer Familie weitergegeben wurde. Das exzellente Lesen von Fährten, Spuren und dergleichen. Sie konnte die naturverbundenen Wurzeln ihrer indianischen Vorfahren nicht abstreiten. Auch wenn sie dies manchmal gerne getan hätte. Denn tief in ihrem Inneren schlug das Herz einer Wissenschaftlerin. Für sie waren die Fakten, Zahlen und das Nachweisbare schon immer sehr viel mehr wert, als das Spirituelle oder gar „pseudo-wissenschaftliche" Paranormale.
Gerade als sie verärgert die Post aufsammeln und das Feuer des Kamins damit nähren wollte, holte sie die Öffentlichkeit noch schneller ein, als sie es zu träumen gewagt hätte.
Ein uralter Ford, der so verrostet war, dass man nicht einmal die frühere Farbe erkennen konnte, schoss auf dem einzigen Waldweg, der zur Hütte führte, heran. Wobei man zugestehen muss, dass das Herannahen des Fahrzeuges eher dem Bild einer heran humpelnden, asthmatischen, vor tödlicher Krankheit qualmenden Rost-Schleuder glich.
Dr. Susan Popheila blickte mit ihren großen haselnussbraunen Augen auf dieses sich nähernde Trauerspiel und wusste wenigstens, dass sie demnächst keinen Yuppie-Journalisten verjagen musste, sondern noch jemand viel Schlimmeres: einen Möchtegern-Yuppie-Journalisten. Wobei das „Möchtegern" sich sowohl auf den „Yuppie" als auch den „Journalisten" bezog. – Einer der mit der Story des Jahres auf die Kosten ihres Ansehens in der Öffentlichkeit aufsteigen wollte. Egal ob sie dabei ihren Traumberuf als Naturwissenschaftlerin an den Nagel hängen könnte. Wenn es nicht sowieso schon so weit war. Aber sie wollte zumindest nicht kampflos aufgeben. Ihre Krallen wurden schon ausgefahren (natürlich rein metaphorisch gemeint) noch ehe der bemitleidenswerte Journalist Allen Fine, der sich wirklich große Mühe gegeben hatte sie zu finden, überhaupt eine Chance hatte „Hallo" zu sagen, geschweige denn sich ihr zu nähern. – Auch wenn es im Prinzip zutraf was Mrs. Popheila sich dachte. – Nur ein wenig sympathischer.
Das asthmatische Fahrzeug blieb abrupt stehen. Es erweckte den Eindruck, als sei es an der letzten Ruhestätte seines bisherigen Lebens angelangt. Wenn es nach Dr. Popheila ginge, würde dies auch auf den Fahrer zutreffen.
„Mist – dämliches #?!...Auto" keuchte Allen Fine, als er aus seinem Ford, oder dem was davon noch übrig blieb, ausstieg. Dann erblickte er die reizende Dame auf der Veranda und erst dann nahm er die eigentlich idyllische Umgebung wahr. Tief atmete er die frische Waldluft ein ...
„Herrlich hier – und diese gute Luft ..."
„... und Sie verpesten sie gerade. Hier ist kein Schrottplatz" platze es aus ihr heraus. Kein guter Start um mit einer so natürlich-schönen Dame ein Gespräch zu beginnen. Aber dies war nun mal sein „Un"-Talent; Pech mit Frauen. Naja ... nicht nur mit Frauen ... eigentlich mit ziemlich allem in seinem Leben ...
„Oh, tut mir leid, Mrs. Popheila?" sprach er erneut ziemlich verunsichert.
„Normalerweise stellt man sich einer Dame erst vor, aber Höflichkeit unter euch Boulevard-Journalisten ist wohl ein Fremdwort" schnippte es im brüsken Ton zurück.
„Wie kommen Sie darauf das ich Boulevard-Reporter ..."
„Aha von der New York Times nehme ich an ..." unterbrach sie barsch und ihre Abneigung war nun vollends nicht mehr zu verbergen.
Allen Fine fühlte sich so sehr in die Enge gedrängt, dass sich seine Unsicherheit in Trotz und sein Trotz in Wut umwandelte:
„Und eine wohlerzogene Dame lässt einen Herrn aussprechen" platze es aus ihm heraus.
Ein Moment der Stille. Beide sahen sich lange und intensiv in die Augen, die den Anschein erweckten, Funken versprühen zu wollen. Plötzlich löste sich die Spannung.
Wer zuerst zu Lächeln begonnen und in einem kleinen Hauch von Scham den Kopf wegdrehte, war nicht mehr mit ganz großer Gewissheit zu sagen. Vielleicht waren es beide gleichzeitig.
„Aber bitte kommen Sie doch herein, ich bin Dr. Popheila und von welcher Zeitung waren Sie nochmal Mr. ...?"
- „... Fine – ohne Dr. ..." und beide verschwanden lächelnd ins Innere der Hütte. Draußen kam ein leichter Wind auf, die Baumkronen raschelten leise und die Äste tanzten im Wind. Ein kleines Schlingpflanzengewächs begann aus der Erde vor dem Ford zu sprießen und überlegte kurz, ob es nicht anfangen sollte, über das Auto zu wachsen ... wenn es nur ein klein wenig länger auf einem Fleck stehen bleiben würde.
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Gnom, unser
FantasyEin Mann, der sich für einen Gnom hält, befindet sich in ärztlicher Behandlung. Er gibt sich seinen Wahnvorstellungen hin und bemerkt, dass diese sein Leben ziemlich aufregend gestalten. In diesem Leben hat er eine Mission. Er muss verschiedene Para...