14 - Ein Baum auf Abwegen

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EIN BAUM IM WALD VOR EINER UNS BEKANNTEN WALDHÜTTE

Nanu, wo wollen denn alle hin?" fragte er sich. „Das gibst doch gar nicht. Endlich habe ich andere meiner Art getroffen. Ich habe versucht irgendwie mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Es ging nicht. Zumindest nicht so, wie ich es wollte. Sie verstanden mich nicht. Nun gut, auch die anderen Lebewesen verstanden mich nicht. Schließlich habe ich ja auch kein Maul, Mund oder ähnliches zur Verfügung. Manchen fehlte einfach der Intellekt. Und andere die Intellekt hatten, um mich zu verstehen (ich glaube die wurden Menschen genannt) hatten keine Chance was zu sagen bzw. die erste Reaktion war entweder Sprachlosigkeit oder Schreien. Und wenn von den wenigen Menschen denen wir bisher begegnet sind, jemand etwas sagen wollte, dann ... ja dann haben meine Artgenossen sie zermalmt und verschachert, versenkt oder dergleichen. Mmmh, meine Ethik- und Moral-Vorstellung ist gerade erst in der Entwicklung. Schließlich habe ich noch nicht so lange ein Bewusstsein. Aber doof finde ich es von meinen Verwandten schon, dass Sie jeden vernichten, der nicht von ihrer Art ist. Naja, schließlich bin ich ja der einzige der so denkt – der Sonderling in der Familie. Vielleicht strafen Sie mich deshalb mit Schweigen."

Der Baum, der plötzlich mit einem Bewusstsein erwachte, war relativ weit in seiner Entwicklung. Und schon war er mit Trauer und Andersartig-Sein konfrontiert. Er wusste nicht zu wem er gehörte, wo hin er gehen sollte. Er traf auf seiner Wanderschaft plötzlich viele seiner Artgenossen, doch die bewegten sich nicht. Umso erfreulicher war es für ihn, dass er plötzlich ebenfalls sich bewegende Bäume erblickte. Ja, sogar richtig mobile, agile seiner Art getroffen zu haben. Die sich akribisch in eine Richtung bewegten. Er freute sich so sehr, sie endlich gefunden zu haben.

Er wollte die wunderschöne Flora und Fauna, das Leben und den ganzen Rest mit ihnen teilen. Er wollte ihnen zeigen, was er alles entdeckt hatte. Und sie? - Sie trampelten einfach alles nieder. Alle Lebewesen, denen sie begegneten, wurden kurzum vernichtet. Als ob niemand etwas über sie berichten dürfe. Er hatte keine Ahnung wohin die Reise ging. Welches Ziel seine „Familie" hatte. Er war hin- und hergerissen, zwischen seiner entstehenden Ethik- und Moralvorstellung, seinen philanthropischen Ansichten und der Zugehörigkeit, seiner Bestimmung, seiner Aufgabe. Ist denn alles, was seine Art macht, da sie alle das gleiche tun, richtig? – Er wusste es nicht, noch nicht. Und während er hin- und her überlegte standen seine Kollegen plötzlich alle still:

He, was ist denn los? Ihr wandert doch schon seit einer Ewigkeit in ein- und dieselbe Richtung. Warum bleibt ihr denn alle so abrupt stehen? Was soll ich tun? Irgendetwas stimmt hier doch nicht ... antwortet mir doch bitte ..." Ratlosigkeit machte sich in ihm breit. Er hatte keine Idee, wie es weiter gehen sollte. Was sollte er tun? Und dann plötzlich ... drehten sie sich alle um, sie machten kehrt und rannten in eine völlig neue Richtung! „Was soll denn das? Warum geht ihr denn jetzt wieder zurück? Sagt doch endlich was! Euer permanentes Geschweige ist ja nicht mehr auszuhalten! Na, wenn ihr es so wollt', ich behalte meine Richtung bei!" Wutentbrannt ging er in die andere Richtung weiter. Aus Trotz ... und in der Hoffnung, dass einer seiner Verwandten ihn zurückholte. Vielleicht brach dies ja das Schweigen ... und eine Familie hält doch zusammen und lässt niemals eines ihrer Kinder zurück! Er rannte noch ein bisschen. Bestimmt würden gleich einige hinterherrennen. Er blickte sich um. Welch' schmerzliche Erfahrung. Keiner von ihnen folgte ihm. Sie rannten zwar, jedoch genau in die andere Richtung. Sie waren schon ziemlich weit entfernt „Oh wartet doch ... ich hab's verstanden ... ich geh' euch doch nach ... versprochen ... Bitte, so wartet doch auf mich!" Er spürte Angst, große Angst vor dem Alleinsein. Hätte er Augen mit Tränendrüsen gehabt ... wären jetzt sicherlich scharenweise Tränen gekullert ... Er rannte ihnen nach. Sie waren schon ziemlich weit entfernt. Er rannte so schnell er konnte um sie einzuholen ... doch unerbitterlich ging seine Familie immer weiter und weiter ... bis sie schließlich kaum noch am Horizont zu sehen waren...

Gnom, unserWhere stories live. Discover now