20. Kapitel: "Ich werd' verrückt bei dem Gedanken, wo du heute Abend schläfst."

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Mit Tränen in den Augen stürmte ich aus dem Club. Meine High Heels klackerten auf dem Asphalt, als ich mich an einer lachenden Rauchergruppe am Eingang vorbeischob. Schniefend wischte ich mir mit dem Arm unter der Nase entlang, biss kurz hinein, um nicht wirklich loszuflennen. Aber tausend Emotionen kamen zusammen, bäumten sich über mir auf und drohten, mich wie ein dünnes Ästchen zu zerbrechen.

„Pari!", hörte ich eine tiefe Stimme hinter mir meinen Namen sagen. Ich kannte diese Stimme nur zu gut. Dag hatte mir gerade noch gefehlt. Seine Hand landete auf meiner Schulter, aber ich riss mich los.
„Fass mich nicht an, bitte", sagte ich scharf.
„Okay, kein Problem." Seine Arme baumelten hilflos neben seinem Körper, doch er hielt mit mir Schritt. Abrupt blieb ich stehen und malträtierte meine Unterlippe mit den Zähnen, bis ich Blut schmeckte. Konnte diese Nacht eigentlich noch beschissener werden?
„Was soll das?!", heischte ich ihn an. „Hast du nicht irgendwas zu feiern da drin?", regelte ich die Lautstärke schuldbewusst gleich wieder runter. Ich zog meine Jacke über meinem freigelegten Bauch fest zu und wandte mich von ihm ab. Eine Zornesfalte hatte sich in meine Stirn gefurcht. Aber eigentlich war ich nicht sauer auf Dag – ich war sauer auf mich.

„Und was ist mit dir?", rief er mir hinterher. Ich zwang mich zu einem freundlichen Lächeln, während ich rückwärts vor ihm weglief.
„Mach dir einen schönen Abend", wich ich seiner Frage aus und kniff die Augen zusammen, kaum dass ich mich umgedreht hatte, um durch den dichten Tränenschleier sehen zu können. Vergeblich. Ich erkannte die Straße nur verschwommen und dann knickte ich zu allem Überfluss auch noch auf meinen Zehn-Zentimeter-Absätzen um. „Fuck!", fluchte ich und hielt mir den Knöchel. Der Rock war ebenfalls ruiniert, jetzt, wo ich unfreiwillig zwischen Kippenstummeln in einer Pfütze auf dem Boden Platz genommen hatte. Ich wollte gar nicht wissen, was sich da so nass an meinem Hintern anfühlte. Geregnet hatte es jedenfalls nicht.

Natürlich kam Dag zu mir rübergejoggt. „Bitte nicht", flüsterte ich gen Himmel.
„Das sah übel aus", kommentierte er den Sturz und beugte sich zu mir runter.
„Es tut weh", gab ich zu.
„Kannst du aufstehen?"
„Kannst du nicht einfach zurück zu deiner Geburtstagsrunde gehen?", stellte ich eine Gegenfrage, die giftiger klang als beabsichtigt.
„Sei nicht albern, du bist hingefallen." Der Blick, den er mir zuwarf, duldete keinen Widerspruch.
„Fuck", wiederholte ich leise, und starrte meinen Knöchel an, als könnte ich so auf magische Weise verhindern, dass er anschwoll.

„Los, ich helfe dir", forderte er mich auf. Einen Moment fixierte ich argwöhnisch Dags Hand, die er mir entgegenstreckte. Ich hätte ihn bitten sollen, noch jemand anders herzuholen. Irgendjemanden, Hauptsache er ließ mich in Ruhe. Doch ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Fuß, als ich mich aus eigener Kraft zurück auf die Beine kämpfen wollte. Dag fing mich auf, als ich das Gleichgewicht verlor und einen gequälten Laut ausstieß. „Bist du irre?"
„Ich möchte nach Hause gehen!" Wütend trommelte ich gegen seine Brust.
„Du kannst nicht mal laufen! Was ist mit dem Typen passiert, der vorhin bei dir war?", fragte er aufgebracht. „Wo ist der? Wieso rennst du heulend aus dem Club raus? Rede mit mir, verdammt!"

Sämtliche Dämme brachen, als ich in seine blauen Augen sah. Die ganze Anspannung fiel von mir ab und Tränen flossen mir plötzlich in Sturzbächen über die geröteten Wangen. „Mann, Pari ..." Dag nahm mich in den Arm. Ich schluchzte, krallte mich dabei in sein T-Shirt und ließ mich vollständig gehen. „Ich bringe dich nach Hause, okay?", flüsterte er und drückte mir einen Kuss auf den Haaransatz, bei dem sich mein Herz schmerzlich verknotete. Es war nicht okay.

„Nichts ist okay", sprach ich es aus. „Ich habe Samu, den Kerl, mit dem ich hier war, erst drinnen verloren und dann vor den Toiletten wiedergefunden, wo er mit einem Modelverschnitt rumgemacht hat." Überrascht schossen Dags Augenbrauen in die Höhe.
„Oh, scheiße, das tut mir leid." Ich zog mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
„War das eigentlich eine Art Date?", hakte er vorsichtig nach.
„Ja, irgendwie sowas", schniefte ich. Das ist die Rache des Universums dafür, dass ich dich heute versetzt habe, fügte ich gedanklich noch hinzu. Es war unfair ihm gegenüber gewesen, ich wusste das, aber dass er ausgerechnet im Nuke feiern würde, hatte ich nicht ahnen können.

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