Ich wurde aus Dag nicht schlau. Er war kühl zu mir gewesen, dann forderte er mich zum Tanzen auf; er wirkte unnahbar, dann wieder zugänglich. Ich konnte ihn Null-Komma-Nada einschätzen und es machte mich wahnsinnig.
Da war dieser kurze Blickkontakt und das Lächeln, das auf unseren Lippen kleben blieb, während wir miteinander tanzten. In gebührendem Abstand. Warm-oranges Licht fiel auf unsere grinsenden Gesichter. Als zwei fremde Menschen, die nicht vielmehr als ihre Namen voneinander wussten, waren wir vielleicht am glücklichsten.Vincent stand unbeteiligt in Mikas Zimmer, nachdem er das Bad wieder verlassen hatte. Er unterhielt sich mit Bastian, Iaras ehemaligem Mitbewohner. Ich hatte ihn vorhin nicht ausschließen wollen und so trat ich an ihn heran, als Dag raus auf den Balkon gerufen wurde.
Seine Augen funkelten, als er mich sah.„Ich wollte dir deinen Freund nicht entführen", stellte ich klar.
Vincent grinste undefinierbar.
„Keine Sorge, er hat dich mir entführt. Dafür kannst du nichts. Aber schön, dass du jetzt wieder bei mir stehst, das wird ihm auf den Sack gehen."
Ich hielt vorsichtig Ausschau nach Dag. Er war nirgends zu sehen.
„Mag er mich überhaupt?", fragte ich Vincent also todesmutig, der bloß auflachte, allerdings nicht näher darauf einging. „Er war so reserviert vorhin, als wir mit Iara zusammensaßen", begründete ich meine Bedenken.„Ich würde ja sagen, er steht auf dich", antwortete Vincent lapidar. Ich hatte keine Ahnung, ob das sarkastisch gemeint war. „Falls er dir zu nervig werden sollte, kannst du dich jederzeit an mich wenden." Er zwinkerte mir zu.
Ich verdrehte die Augen. Damit stand für mich endgültig fest, dass Vincent auf nichts Ernstes aus war. Er war zu seinem reinen Vergnügen auf dieser Party, und ob sich sein Spaß nun unter anderem über einen Onenightstand mit mir definierte oder nicht, war ihm offenbar herzlich egal.Wir vertraten in der Hinsicht also zwei Extrema: Er nahm das Leben, wie es kam. Ich, auf der anderen Seite, wünschte mir eine Beziehung und wusste dennoch, dass ich insgeheim gar nicht bereit dafür war.
Man hatte mich verletzt, mein Selbstwertgefühl war allerspätestens nach dem letzten Korb, den ich eingesteckt hatte, endgültig den Bach runtergegangen.
Dag zum Beispiel hatte etwas Süßes, Verheißungsvolles an sich, und dann wiederum fragte ich mich, ob nicht jeder Mann das aus meiner verzerrten Perspektive hatte. Ich war ein ruiniertes Mädchen und es war fast schon lächerlich, dass Kleid und Schminke einen so guten Job leisteten, diese traurige Tatsache vor anderen zu verbergen.Bastian warf mir einen verschwörerischen schrägen Blick zu.
„Ich weiß nicht, wer von euch beiden Idioten der Nervigere ist", murmelte er zu Vincent und ich schmunzelte über seinen Kommentar.„Ach, guck mal, da is' er ja, unser Dag." Vincent legte seinen Arm um meine Schultern, wohl nur um ihn zu provozieren. Er winkte ihm mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu. Sein Bandkollege gesellte sich zu uns.
„Was soll das, Stein? Wir haben auf dich gewartet."
„Unser werter Herr Krüger hier hat mich in ein Gespräch verwickelt. Ich hatte euch vergessen", tat er es ab.
Bastian grunzte bestätigend. Zu mehr war er gerade nicht fähig, zwischen seinen Lippen steckte ein Filter. Er zupfte Piel Roja Tabak aus seinem Fanny Pack und legte ihn auf das weiße Blättchen.
„Aha", kommentierte der Neuankömmling in unserer Runde es mürrisch, ehe er sich an mich wandte. „Hast du auch so 'nen Durst?"
„Ja, was zu trinken wäre nicht schlecht", gab ich zu. Ich drehte mich aus Vincents komischer Umarmung und entschuldigte mich mit einem stummen Lächeln, bevor ich Dag folgte.In der kleinen Einbauküche waren wir allein. Zwischen meinem defekten Reiskocher, von dem ich mich selbst nach dem Umzug hierher nicht hatte trennen können, und einem riesigen Topf Chili. Zwischen schachbrettgemusterten Fliesen und der schwarz gestrichenen Decke, an der zu Sternen verbogenen Neonleuchtstäbe statt einer normalen Lampe hingen. Letztere hatten früher mal zum Inventar eines Stripclubs gehört. Iara hatte die Geschmacklosigkeit angeschleppt. Aber das Licht sah dann doch ganz cool aus. Auch wenn es mir immer wieder peinlich war, wenn ich an das angestammte Zuhause unserer unkonventionellen Beleuchtungsinstallation dachte.
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Don't Enter the Friendzone
Fanfiction~ Auf der Suche nach uns selbst kann uns niemand begleiten. ~ Pari hat sich nie sonderlich für die Leute interessiert, mit denen Iara, ihre beste Freundin, sich sonst so umgibt. Die meisten von ihnen verdienen Unsummen mit ihrer Musik und treten deu...