Es war ein verregneter erster Morgen, an dem ich das vielleicht prägendste Kapitel meines Lebens aufschlug. Mit einer dampfenden Tasse Kaffee in den Händen stand ich vor dem dreigeteilten Fenster meines chaotischen Zimmers und wurde mit jedem heißen Schluck, den ich trank, wacher. Ich würde heute all meine Energie benötigen, um unsere WG-Einweihungsparty samt der Vorbereitungen heil zu überstehen.
Mika und Iara schliefen noch. Oder vielleicht waren sie wach, wie ich, und hingen ihren eigenen Gedanken nach.
Morgens ist es ruhig. Nicht nur auf den Straßen; auch in den Köpfen der Menschen. Zumindest in meinem Kopf hält morgens jede Stimme ihre Klappe.
Meine leere Tasse stellte ich auf der Fensterbank ab. Hinter dem Haus gegenüber ging die blassgelbe Wintersonne auf. Obwohl ich mich langsam hätte aufraffen sollen, konnte ich meine Augen unmöglich von diesem wunderschönen Anblick wenden. Golden, aber gedimmt von den Wasserschlieren, die der nächtliche Schauer auf der Scheibe hinterlassen hatte, glühte sie am grau-klaren Himmel. Ein ausgewaschener, konturloser Regenbogen schmückte den Horizont in der Ferne; makellos und magisch.
Lächelnd kehrte ich dem einmaligen Wetterspektakel irgendwann doch den Rücken und schlüpfte in ein bequemes Strickkleid und eine schwarz-karierte Strumpfhose. Für den Vormittag war das vollkommen ausreichend. Eine spärliche Schicht Mascara und einen Spritzer Parfüm später, stand ich meiner besten Freundin in der Küche gegenüber.
Sie tippte im Stenographen-Tempo auf ihrem Handy herum und beachtete mich gar nicht, während sie von ihrem frisch aufgebackenen Croissant abbiss. Rein um auszutesten, wann sie mich wohl bemerken würde, lehnte ich mich gegen den holzverkleideten Kühlschrank, ohne auch nur einen Mucks von mir zu geben. Unter manchen Freaks gilt Unsichtbarkeit als die coolste Superkraft. Für die war ich wahrscheinlich die größte Superheldin.
Tatsächlich sah Iara erst von ihrem Display auf, als Mika Morgenmuffel die Küche betrat.
„Hey! Gut geschlafen?", begrüßte sie ihn fröhlich. Ich wusste es besser als Iara und sprach ihn gar nicht erst an. Stattdessen ging ich ihm aus dem Weg, als er auf den Kühlschrank zuwankte. „Oh, Pari", bemerkte Iara mich endlich. „Wie lange stehst du schon dort? Deine Croissants schmecken himmlisch", versuchte sie ihre Unaufmerksamkeit mit einem nett gemeinten Kompliment zu überspielen.„Seit ein paar Minuten schon. Kannst du das mit der Arbeit nicht wenigstens für heute sein lassen, Iara?", bat ich sie und dankte Mika leise für den Orangensaft, den er mir auf meinen Fingerzeig hin in ein Glas schüttete.
„Entschuldige, es war extrem wichtig."
Mika schluckte seinen ersten Bissen Croissant herunter. Man konnte problemlos und in Echtzeit beobachten, wie seine Lebensgeister erwachten.
„Wirst du nicht verrückt davon, wenn du heute nebenbei noch versuchst, Sachen für die Künstleragentur zu regeln?", fragte er Iara.Sie zuckte die Schultern.
„Verrückt bin ich doch eh schon. Wann kommt Kitty?", fragte sie ihn. Mikas Freundin hatte versprochen, uns heute unter die Arme zu greifen.
„Gegen zehn."
„Also in zwanzig Minuten. Pari, hilfst du mir mit dem Einkauf?" Ich wollte mir gerade eine zweite Tasse Kaffee einschenken, stoppte in der Bewegung und fuhr zu ihr herum.
„Du willst jetzt sofort los?"
„Je schneller alles erledigt ist, desto eher können wir uns entspannt zurücklehnen." Iara klatschte in die Hände. „Lasst uns loslegen, das wird ein langer Tag."+
Eine Stunde später drückte meine beste Freundin mir zwei vollgepackte Einkaufstüten in die Hand. Am liebsten hätte ich beide demonstrativ fallenlassen. Iara hatte meinen zweiten Kaffee tatsächlich unterschlagen. Dabei war der Umzugstag gestern anstrengend genug gewesen. Und warum durfte Mika überhaupt in der Küche die Salate machen, während ich mit meiner übermotivierten Mitbewohnerin zehn Tonnen Partyproviant in den fünften Stock schleppen musste? Ich war immerhin die Zierlichste in unserem Haushalt ...
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Don't Enter the Friendzone
Fanfiction~ Auf der Suche nach uns selbst kann uns niemand begleiten. ~ Pari hat sich nie sonderlich für die Leute interessiert, mit denen Iara, ihre beste Freundin, sich sonst so umgibt. Die meisten von ihnen verdienen Unsummen mit ihrer Musik und treten deu...