Im schwindenden Tageslicht sahen Iaras verhärtete Züge etwas weicher aus. Wir saßen zu zweit auf der Dreisitzer-Hollywoodschaukel. Mika räumte in der Küche noch das Besteck vom Abendessen in den Geschirrspüler. Die Musik von Fynn Kliemann, die er dabei hörte, segelte leise über unsere Köpfe hinweg, hinunter in die anbrechende Nacht, und vermischte sich mit dem Jammern und Wehklagen der Nachbarskatzen, die im Hinterhof miauten, als wollten sie den Menschen ihre traurige, lang einstudierte Ballade vortragen.
„Versuch bloß nicht, das zu beschönigen", stoppte Iara mich, bevor ich überhaupt die Chance hatte, mich in irgendwelchen herbeigestotterten Rechtfertigungen zu verlieren. Sie lehnte sich mit dem Oberkörper vor und sah mir intensiv in die Augen. „Ihr habt eine Grenze überschritten. Was denkt ihr euch dabei, deinen Eltern vorzuspielen, ihr wärt ein Pärchen? Deine armen Eltern!", schob sie aufgebracht hinterher und ich wandte mich ab.„Du hättest nein sagen sollen, aber um fair zu bleiben ...", unterbrach sie sich. „Er hätte dir das gar nicht erst vorschlagen dürfen. Wenn ihr casual miteinander sein wollt, dann seit auch casual und macht nicht einen auf Liebespaar. Ihr verwirrt euch doch mit Absicht." Entnervt pustete Iara sich eine Locke aus dem Gesicht und band ihre Löwenmähne geübt zu einem lockeren Zopf zusammen. „Gib's endlich zu, inzwischen willst du dich in ihn verlieben. Deswegen lässt du ihm diese ganze Scheiße durchgehen."
„Als ich dir gerade davon erzählt habe, war's eigentlich als witzige Anekdote gedacht", resignierte ich.
„Das ist aber nicht witzig, ihr seid euch viel zu nah für ‚nur Sex'", pfefferte sie mir ihre Meinung um die Ohren. „Was seid ihr?! Ist das Freundschaft Plus? Seid ihr Kuschelkumpel, die emotionale Matratze des jeweils anderen, eine Fick-Zweckgemeinschaft –"
„Woah!", grätschte ich in ihre Aufzählung rein. „Sei doch nicht so harsch, dafür gibt es keinen Grund."
„Wirklich nicht?", konterte sie interessiert. „Du ..." Sie tippte sie mir auf die Brust. „... weißt Dinge über Dag, die höchstens seine Freundin über ihn wissen würde, wenn er denn eine hätte. Er hat aber keine! Und – Newsflash! Du bist das, was am nächsten für ihn an eine feste Freundin rankommt."„Iara, es wäre nett von dir, wenn du das einfach uns überlassen könntest", bat ich sie so leise wie bestimmt. Sie schnaubte und faltete verzweifelt die Hände vor der Brust.
„Jesus, Lord, hilf mir", murmelte sie.
„Zickt ihr euch an?", fragte Mika unschuldig. „Weil, dann kann ich in mein Zimmer gehen und –" Meine beste Freundin winkte ab.
„Nein, komm her. Ich brauche jemanden zum Knuddeln, weil Pari nämlich doof ist." Sie streckte mir die Zunge raus.Ich funkelte sie böse an und breitete die Arme in Richtung Mika aus.
„Iara ist gemein zu mir, hab mich lieb", forderte ich ihn schmollend auf. Unser Mitbewohner seufzte tief. „Macht mal Platz." Er fiel in die Mitte zwischen uns. Die Hollywoodschaukel ächzte. Mika legte uns beiden einen Arm um die Schultern.
„Wo brennt's denn?"„Pari und Dag spielen mit ihren Gefühlen, das macht mich rasend", antwortete Iara schneller als ich auch nur einen meiner Gedanken hätte in Worte fassen können.
„Om", summt Mika das bekannteste Meditationsmantra. „Das ist deren Sache", schlug er sich auf meine Seite und ich wollte gerade in ein triumphierendes Grinsen ausbrechen, als er sich zu mir umdrehte. „Aber hört auf damit."„Ihr könnt nicht Dritte mitreinziehen in euren komischen Pakt, verstehst du?", bemühte Iara sich um die Einfühlsamkeit, die ihr in ihrer Wut abhandengekommen war. „Deine Eltern denken jetzt, du hättest seit sechs Monaten einen Freund, von dem du ihnen nichts erzählt hast und eure Vertrauensbasis war davor schon total geschwächt."
„Ich geb's ja zu, war nicht unser bester Schachzug", murrte ich.
Iara und Mika schüttelten beide den Kopf.Mein vibrierendes Handy erlöste mich aus der Situation. Die Nachricht stammte von Dag. Neugierig tippte ich auf das Foto, um es mir genauer anzusehen. Die Buchungsmaske einer Fluggesellschaft. Paris, Frankreich. Zwei Tickets. Lass uns abhauen, wir brauchen beide Urlaub, hatte er drunter geschrieben.
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Don't Enter the Friendzone
Fanfiction~ Auf der Suche nach uns selbst kann uns niemand begleiten. ~ Pari hat sich nie sonderlich für die Leute interessiert, mit denen Iara, ihre beste Freundin, sich sonst so umgibt. Die meisten von ihnen verdienen Unsummen mit ihrer Musik und treten deu...