Als sie an dem Steinkreis ankamen war es ruhig. Etwas zu ruhig wie Alma feststellte. Keine Tiere waren zu sehen und keine Geräusche zu hören. Irgendwo knackte es und die Pferde wurden zunehmend unruhiger. Die drei Frauen verteilten sich um die Ursache für das Geräusch zu finden.
Einige Legenden erzählten, dass es mehrere Gründe für einen zu ruhigen Steinkreis geben könnte. Eine Legende besagte, dass Seelen von verstorbenen versuchten in der Menschenwelt zu bleiben und sich deshalb an die Natur klammerten. Andere jedoch warteten nur auf das Leben nach dem Tod. Meist hielten sich diese Seelen bei Steinkreisen auf um von Hel, der Unterweltsgöttin, nach Helheim gebracht zu werden. Doch manchmal wurde die Unterweltsgöttin von etwas aufgehalten, etwas was sie daran hinderte die Seelen mit zu nehmen. Ein großes Unwetter, ein schlimmes Ereignis oder auch eine Seele die sich wieder in die Welt der lebenden bringen wollte, konnten Gründe dafür sein.
Die drei Frauen gingen etwas näher an den Steinkreis heran und sahen eine Frau in der Mitte der Steine. Sie hielt die Hände an die Ohren und weinte. Sie sah gestresst und verzweifelt aus. Immer wieder ging sie ein paar Schritte nach hinten und murmelte einige Sätze vor sich hin. Als Freiya näher zu ihr lief konnte sie einige dieser Sätze verstehen. Es klang wie ein Gespräch, aber für Freiya ergab das wenig Sinn. Sie ging zurück zu Thea und Alma und erzählte es ihnen. „Ein Gespräch? Meinst du vielleicht, dass sie zu sich selbst spricht?" Fragte Alma verwirrt. „Nein. Ich meine es könnte sein, aber niemand ist so verzweifelt wenn man mit sich selbst spricht..oder?" antworte Freiya etwas nachdenklich. „Wartet mal ihr zwei. Habt ihr schonmal von Legenden gehört, in denen von einer Seele gesprochen wird, die einen Weg zurück in die Menschenwelt sucht? Man erzählt, dass eine Seele die kürzlich an einem schrecklichen Ereignis gestorben ist, zu der Person zurückkehrt mit der sie eine starke Verbindung hatte. Die Seele taucht dann wie eine Stimme im Kopf der anderen auf und bringt quälende Schmerzen mit sich. Sie versucht die lebende Person dazu zu bringen einen Weg zurück in die Menschenwelt zu finden. Diesen Weg gibt es aber nicht. Die Toten wissen das und wir wissen das." erklärte Thea. Die drei sahen zur Frau zurück. „Wie endet die Legende?" fragte Alma in die Stille. „Mit dem Tod." sagte Thea monoton.
Die Frau schrie plötzlich und fiel dabei auf die Knie. „Bitte! Hör auf! Du weißt, dass das nicht funktioniert! Du bist Tod!".
Sie kniete auf dem Boden, weinte verzweifelt und drückte sich die Hände noch mehr gegen die Ohren. Freiya ging langsam auf sie zu und kniete sich neben die Frau. Ohne sie zu erschrecken nahm Freiya die Frau in die Arme. Zuerst spannte sich die Frau an, doch einige Momente später ließ sie sich ganz gegen Freiya fallen. Sie war erschöpft und hatte Angst.
„Wir müssen sie ins Dorf bringen, hier draußen ist sie verloren" sprach Freiya. „Sie ist so oder so schon verloren, Freiya. Das einzige was wir noch für sie tun können ist es ihre letzten Stunden so angenehm wie möglich zu machen." antwortete Thea. Sie holten die Pferde und hoben die Frau auf eins. Da sie nur zwei dabei hatten, setzte Freiya sich zur unbekannten Frau und die beiden anderen Frauen ritten gemeinsam auf dem anderen.
Mehrere Stunden später kamen sie im Dorf an und riefen direkt einige der Wikinger zusammen. Auch Harald kam dazu. Zusammen machten sie ein Zimmer in der großen Halle für die Frau bereit, jeder noch so spitze Gegenstand wurde entfernt. Sie wurde in den Raum gebracht und er wurde abgeschlossen. Niemand wagte es sich der großen Halle zu nähern. Die Frau schrie und schrie. Bis es plötzlich aufhörte. Freiya war beunruhigt und lief schnell zur großen Halle. Auch dort war alles Still. Ihre Schritte wurden immer langsamer bis sie vor dem abgesperrten Raum zum Stehen kam. Sie entriegelte die Tür und sah hinein. Die unbekannte Frau lag regungslos auf dem Boden. Blut tropfte aus beiden Ohren auf den Boden. Sie war Tod. Die verlorene Frau hatte den Kampf verloren und würde jetzt wieder bei ihrem Verbündeten sein. Freiya fragte sich wer sie wohl war und wer sie umgebracht hatte.
Theodor, Thea, Alma und Harald kamen zu Freiya. Nach dem sie die Frau sahen und sie vorsichtig auf ein Bett gelegt hatten, diskutierten sie darüber was sie nun mit der Leiche tun sollten. Verbrennen? Vergraben? Eine Bestattung? Alle waren am Gespräch beteiligt, alle außer Alma. „Alles gut Alma?" fragte Thea. Die anderen hörten auch auf zu reden. Sie sahen Alma besorgt an, da sie wie weggetreten schien. „Ja, Ja alles gut. Sie kam mir nur so bekannt vor. Ihr Aussehen, Verhalten, ihre Art zu sprechen. Ich weiß nur nicht woher.." antwortete sie. „Vielleicht hast du sie schonmal auf einem Markt gesehen?" warf Theodor ein. Thea sah ihn nachdenklich an: „Ein Markt? Dann würde sie doch von mehreren erkannt worden sein? Niemand hat sich gemeldet als wir gefragt haben." „Stimmt." gab Theodor nach. So entwickelte sich eine hitzige Diskussion woher Alma die Frau kennen könnte. Einige Minuten ging das so weiter bis Alma die Augen weitete. „Fred." „Was?" Fragten die anderen im Chor. „Fred." wiederholte Alma. „Was hat Fred damit zu tun?" fragte Harald verwirrt. „Ihr Haar, ihre Art zu sprechen und wie sie sich verhalten hat. So war Fred auch. Er hat all das genau so gemacht wie die Frau. Die verlorene Frau wie ihr sie nennt, war Nora. Freds Zwillingsschwester." Nun schauten sie alle überrascht und ebenso schockiert. „Das würde auch die Legende erklären. Fred hat mir erzählt wie nah Nora und er sich gestanden haben...
Vielleicht war er die Seele?"
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Wikinger, in einer anderen Welt?
AventuraFreiya ist mit ihren achtzehn Jahren die zweitälteste in ihrer Familie. Gemeinsam mit ihren Vater Harald und ihrem jüngeren Bruder reist sie nach Schottland um ihre Tante zu besuchen. Durch unvorhersehbare Ereignisse verlassen die das Land schneller...