Der angenehm kühle Morgenwind stürmte langsam in einem kalten Wind auf und der Himmel wurde immer dunkler. Die Wellen wurden höher und stärker. Sie schlugen immer wieder gegen das Drachenboot und brachten es heftig ins Schwanken. Nach wenigen Minuten prasselte auch heftiger Regen auf das Boot und Hagelkörner drückten sich in das nasse Holz. Theodor, Jalo und Henry waren unter dem Deck am arbeiten. Als sie jedoch das Unwetter hörten, stürmten sie nach oben zur Tür um die anderen in Sicherheit zu bringen.
Harald rettete sich so schnell er konnte, Freiya jedoch hatte es nicht leicht. Sie saß sehr weit vorne bei Vorratskisten und geflochtenen Körben mit Obst. Gerade als sie sich hinstellte und sich an einem Mast festhalten wollte, schlug die nächste Welle gegen das Boot. Sie rutschte aus und schlitterte über den nassen Holzboden direkt gegen die morsche Kante des Bootes. Das nasse und morsche Holz brach bei dem Gewicht des Mädchens direkt durch und sie fiel aus dem Boot.
Kurz bevor sie die Wasseroberfläche berührte, fühlte sie zwei starke Arme um sich, die sie mit einem Ruck nach Hinten zogen. Sie wurde von Fred zurück auf das Boot geworfen und hielt sich auch direkt fest. Doch sie hörte hinter sich einen dumpfen Aufprall im Wasser und ein männlicher Schrei folgte kurz darauf. Sie blickte auf das unruhige Meer zurück und sah gerade noch wie Fred von einem abgebrochenen Balken erfasst wurde und so unter die nächste Welle gedrückt wurde.
Nach wenigen Augenblicken tauchte er wieder auf und schnappte stark nach Luft. Als seine Lungen sich langsam wieder mit Luft füllten, schnappte er sich den treibenden Balken und hielt sich daran fest. Doch nur kurz darauf drückte ihn wieder eine Welle nach unten, dieses Mal kam es für ihn überraschender und seine Lungen füllten sich mehr und mehr mit Wasser. Er wurde mit mehreren abgebrochenen Balken und anderen Holzkisten immer tiefer ins Pechschwarze Wasser gezogen. Langsam bekam er große Panik. Er versuchte wieder Richtung Wasseroberfläche zu schwimmen, doch die starke Strömung zog ihn immer weiter nach unten. Er wollte Husten und nach Luft schnappen, da er jedoch Unterwasser war, erreichte er nur das Gegenteil. Seine Lunge füllte sich vollständig mit Wasser und er bekam keine Luft mehr. Starker Schwindel hielt ihn langsam immer mehr auf, seine Augen vollständig öffnen zu können und so sah er den schweren Holzstamm nicht, der direkt auf ihn zu schleuderte. Das letzte was er merkte war ein dumpfer und schmerzhafter Schlag gegen die Stirn.
Er war allerdings noch nicht tot. Er sah zwei grelle Lichter. Eines war links, das andere war rechts von ihm. In einem sah er feiernde Männer mit langen Bärten und teuren Gewändern und in dem anderen sah er seine Schwester Nora. Da die beiden schon immer ein sehr enges Band hatten, entschied er sich für sie. Als er sie erreichte und in das Licht ging war plötzlich alles dunkel und leise. Kein rauschendes Wasser mehr, keine brüllenden Gedanken mehr die ihn auffordern wollten um sein Leben zu kämpfen. Keine Erinnerungen mehr von seiner Frau und ihrem gemeinsamen Sohn Björn.
Als Freiya verstand was da gerade passiert war, war alles auch schon wieder vorbei. Der stürmende Wind wurde plötzlich ruhiger, die Wellen schlugen nicht mehr wild umher und das Boot wackelte nicht mehr. Nur noch leichter Regen und die Schäden am Boot erinnerten an das gerade geschehene Unglück. Nach wenigen Minuten bestätigte sich auch ihr Gedankengang zu Fred, denn seine Leiche tauchte langsam wieder an der Wasseroberfläche auf. Doch das blieb nicht lange so, direkt unter ihm öffnete sich ein gigantisches Maul mit riesigen spitzen Zähnen. Solche Zähne hatte Freiya noch nie gesehen und die Größe passte ganz sicher nicht zu einem ihr bekanntem Tier. Es tauchte immer mehr an der Oberfläche auf und schnappte sich Freds Leichnam. Mit einem Eckzahn spießte es durch Freds Brustkorb. Danach verschwand es plötzlich.
Noch immer verwirrt lief sie zu den anderen unter Deck. „Wo ist Fred?" fragte Theodor sichtlich verwirrt nach. Nun sah sie jeder zu Freiya. „Er ist Tot." antwortete sie ihm tonlos. „Nachdem er mich gerettet hat, ist er selbst ins Wasser gefallen und wurde dann von einem Balken unter Wasser gezogen. Dort ist er dann ertrunken und als seine Leiche wieder aufgetaucht ist, ist er von einem mir unbekanntem Geschöpf gefressen worden." erzählte sie monoton. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen den schockierten Wikingern aus. Niemand wusste was er nun sagen sollte. Fred war für alle auf dem Boot ein Freund gewesen und alle kannten ihn schon Jahrelang. Er hatte eine Frau und einen kleinen Sohn. Seine Frau trug den Namen Alma und sein Sohn war als Björn bekannt. Er hatte Alma in Schottland kennengelernt und vor 3 Jahren brachte Alma dann Björn zur Welt. Fred war immer ein lebensfroher Mann, ein geschätzter Krieger und auch ein geliebter Ehemann und Vater. Fred war öfter dem Tod ausgesetzt, da das Seefahren zu seiner Lebensaufgabe wurde. Er liebte die See und alles was damit zutun hatte. Jedes Mal bevor er mit auf See ging erzählte er seiner Frau, dass wenn er unterwegs starb, er bei etwas starb was er liebte und er immer auf sie und Björn aufpassen würde.
Auch zu Freiya und den anderen hatte er ähnliches gesagt, denn sie kannten sich bereits seit Kindertagen. Da er bei Freiyas Rettung ums Leben kam, würde sie ihm ewig dankbar sein. Durch seine liebevolle Art wurde er schon früh zu einem wichtigen Freund von jedem. Er war immer für jeden da, dabei war es unwichtig, ob er zuvor von der Person beim Schwertkampf geschlagen wurde oder der Person beim Holz sammeln geholfen hatte. Jeder hatte einen Platz in Freds Herz und genauso hatte Fred einen Platz in jedermanns Herz. Niemals könnte sich etwas daran ändern.
Eine berechtigte Ehrung für Fred, war eine Feuerbestattung. Zumindest sahen es seine Freunde vom Schiff so. Es war eine Möglichkeit ihm Frieden zu schenken, auch ohne seine Leiche. Sie würden es für seinen Geist und seine Seele tun.
Henry war gerade in seine Gedanken vertieft als ihm wieder einfiel was Freiya zum Schluss gesagt hatte: „Wartet kurz, Freiya? Sagtest du ein dir unbekanntes Tier?" „Ja, ich kann es nicht genau beschreiben, aber es hatte ein riesiges Maul mit dem es Fred verschlungen hat." Sie würde in Schottland versuchen mehr über das Tier zu erfahren. „Gut Männer! Meine Tochter! Genug getrauert. Er ist als Held gestorben und über dieses Geschöpf werden wir auch noch mehr herausfinden! Die Götter haben uns heute geprüft und wir haben bestanden. Fred hat sich in einer lebensgefährlichen Situation für die Freundschaft entschieden. Also trinken wir auf Fred und das Leben! Er hätte es genauso gewollt und das wissen wir!" Damit hob Harald die Flasche an und trank direkt einen großen Schluck.
Draußen schien mittlerweile wieder die Sonne und in weiter Ferne sah man schon das schottische Festland. Sie brauchten also nur noch wenige Stunden bis zu ihrem Ziel..
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Wikinger, in einer anderen Welt?
PertualanganFreiya ist mit ihren achtzehn Jahren die zweitälteste in ihrer Familie. Gemeinsam mit ihren Vater Harald und ihrem jüngeren Bruder reist sie nach Schottland um ihre Tante zu besuchen. Durch unvorhersehbare Ereignisse verlassen die das Land schneller...