Kapitel 16

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Frustriert kaute ich auf meinem Brot herum.
Ich hatte keinen Appetit und obwohl Mums selbstgebackenes Brot eigentlich sehr gut schmeckte, bekam ich kaum einen Bissen herunter.

Ich war einfach wütend auf ihn.
Er ignorierte mich absichtlich und ich kannte den Grund nicht einmal.

Damian schaffte es immer wieder, in einem Moment alles zu zerstören, was wir langsam aufgebaut hatten.

Es ärgerte mich auch, dass ich überhaupt so viele Gedanken an ihn verschwendete.

,,Danke fürs Essen, aber ich hab keinen Hunger."

Ich brachte mein Geschirr noch zur Spüle und ging dann an den verwunderten Gesichtern meiner Familie vorbei, nach oben.

Ich setze mich lustlos an den Schreibtisch und kramte meine Hausaufgaben hervor.
Ich hatte überhaupt keine Motivation, sodass ich nur einen knappen Antwortsatz schrieb und das Heft wieder wegpackte.

Genervt stöhnend, schnappte ich mir mein Handy, um mir irgendwelche YouTube Videos zur Ablenkung anzuschauen.

Nach ein paar unnötigen Videos, sah ich aus dem Fenster und beschloss, meinen Strandspaziergang zu machen.

Also zog ich mir einen Pulli über, streifte mir schnell die Schuhe über und verließ das Haus.

Die Luft war frisch und klar und ich atmete einmal tief ein. Und wieder aus.

Es tat so gut, zu spüren, wie sich die Lungen mit der frischen Luft füllten.
Ich lief ein paar Schritte und beobachtete dann die Wellen, die sich sanft am Ufer kräuselten.
Die orangefarbenen Strahlen der Sonne spiegelten sich auf dem Wasser wieder und tauchten die Umgebung in warmes Licht.
Es war so schön, der Sonne beim untergehen zuzusehen.

Die Kieselsteine schoben sich unter meinen Schuhen weg, als ich meine Schritte fortsetzte.
Ich wollte heute an eine Stelle gehen, von der man bis ans Land sehen konnte.
Die Insel war dort nur mit einer Straße verbunden und es sah so bezaubernd aus, wenn die Lichter der Stadt auf der anderen Seite leuchteten.

Also machte ich mich auf den Weg und schrieb meinen Eltern, dass der Spaziergang heute etwas länger dauern würde.

Nach knapp einer halben Stunde erreichte ich die Stelle und setzte mich auf einen umgefallenen Baumstumpf.
Es hatte bereits angefangen zu dämmern und schon bald würden drüben die Lichter angehen.

Ich seufzte und genoss die Stille und Einsamkeit in der Natur.

Eigentlich liebte ich es, wenn Menschen um mich herum waren, doch auch ich brauchte eben ab und zu eine Pause und hatte da die Natur für mich entdeckt.

Ich seufzte erneut und bewunderte, wie die Lichter der Häuser nacheinander angingen.

,,Wie schön es aussieht."
Eine Stimme ertönte hinter mir.

Erschrocken fuhr ich zusammen und drehte mich um.

,,Ja, sehr", antworte ich wahnsinnig erleichtert, als ich sah, dass es nur Louisa war, die näher kam.

,,Damian hat mir empfohlen, das hier mal anzuschauen. Und er hat nicht untertrieben. Die Lichter sehen aus wie ein Sternenmeer."

Bewundernd blickte sie geradeaus.

Ich allerdings fragte mich, woher Damian diese Stelle kannte.

Um ehrlich zu sein, war ich bei der Erwähnung seines Namens innerlich zusammengezuckt.
Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, dass er mich nicht mehr interessieren sollte.

,,Woher kennt Damian denn diesen Platz?", fragte ich möglichst beiläufig.

,,Ach, er geht abends manchmal an den Strand, um sich daran zu gewöhnen..."

Louisa stockte kurz und fügte schnell hinzu:
,,Also um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen."

Ich nickte verstehend, glaubte aber, dass sie eher gemeint hatte, dass er sich mit seiner Angst konfrontierte, um sie loszuwerden.

Doch ich sagte lieber nichts und genoss das leise Rauschen der Wellen.

,,Wohnst du schon lange hier?"

Louisa hatte sich neben mich gesetzt und sprach nun sehr leise, als würde sie die Natur nicht beim Schlafen gehen stören wollen.

Ich lächelte und bejahte ihre Frage.

,,Schon seit ich denken kann. Mein Vater ist hier in der Nähe aufgewachsen."

,,Hier ist es so schön. Ganz anders als in Nordbahn, also da wo wir herkommen. Dort ist es auch sehr grün und so, aber es ist eben eine Stadt."

Louisa zuckte mit den Schultern.

,,Wohnst du nicht eigentlich noch da?"

,,Ja, ich studiere da, aber nicht mehr lange. Ich hab nämlich einen Studienplatz in Konstanz."

Sie lächelte und sah verträumt in die Ferne.

,,Dann gefällt es dir hier wohl ziemlich gut."
Ich musste grinsen.

,,Ja, total. Und das Tolle ist, dass Luke, also mein Freund, hier auch einen Studienplatz bekommen hat und wir dann da in Konstanz zusammen in eine Wohnung ziehen werden."

Ich hörte die Begeisterung aus Louisas Stimme heraus und die war ziemlich ansteckend.

,,Wie cool! Konstanz ist total schön."

Ich sah wieder zu den Lichtern und fragte dann:

,,Wie lange seid ihr denn schon zusammen?"

,,Bald vier Jahre. Wir haben uns im Tennisverein kennengelernt. Weißt du, ich konnte Tennis damals überhaupt nicht und Luke hat es mir dann beigebracht."

Schmunzelnd stellte ich mir eine Louisa vor, die von einem gut aussehenden Typen unterrichtet wurde und ihn dabei die ganze Zeit so verträumt ansah, wie sie klang, wenn sie von ihm erzählte.

Nach einer Weile stand sie auf und atmete noch einmal die salzige Luft ein.

,,Ich muss mal langsam nach Hause. Ich hab da hinten geparkt, wenn du möchtest, kann ich dich mitnehmen."

Dankend folgte ich ihrer Einladung und sah ein letztes Mal zu dem Lichtermeer hinüber.

Was Damian sich wohl dachte, wenn er hier stand?

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Das ist ein sehr kurzes Kapitel, aber deshalb kommen heute mal zwei, hehe;)
Viel Spaß beim weiterlesen!

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