Im verbotenen Wald

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Tania Green strauchelte fluchend über eine Wurzel, die über den moosbewachsenen Waldboden kroch. Seit sie die Dunkelheit des verbotenen Waldes betreten hatte, fühlten sich ihre Beine zittrig an. Ein betäubendes Beben erfüllte ihre Brust und sorgte für ein stetig ansteigendes Gefühl von Übelkeit. Ihre dunkelblauen Augen huschten nervös durch das dichte Geäst des Waldes und ihre Hände waren eiskalt, obwohl sommerlich laue Temperaturen herrschten. Die Spitze ihres Zauberstabes leuchtete kaum stark genug, um die Konturen ihrer düsteren Umgebung zu enthüllen.

›Ich bin ein elender Feigling‹, schoss es ihr bitter durch den Kopf, während sie sich zaghaft durch das Dickicht kämpfte. Jeder ihrer Schritte war wohl überlegt und ihre Sinne zum Zerbersten gespannt. Der verbotene Wald strafte jede Unaufmerksamkeit.

Sie durfte sich auf ihrem siebten Streifzug durch die Finsternis keine Fehler erlauben. Bisher waren ihr keine gefährlichen Wesen begegnet, doch Tania hatte nicht einen Hauch von Sicherheit erlangt. Sie fühlte sich genauso schutzlos wie in ihrer ersten Nacht.

Wäre Der, dessen Namen nicht genannt werden darf, doch nur nicht zurückgekehrt! Dann könnte sie es sich mit einer Tasse Tee im Landhaus ihrer Familie gemütlich machen. Sie würde mit ihrem Vater Zauberschach spielen, einen Roman lesen oder mit ihrer Mutter den nächsten Einkaufsbummel in die Winkelgasse planen. Es gäbe gutes Essen und jede Menge zu erzählen.

Tania versuchte den Kloß in ihrem Hals herunterzuwürgen. Es waren sechs Wochen vergangen, seitdem die Zeitungen über die offizielle Rückkehr von Dem, dessen Namen nicht genannt werden darf, berichtet hatten. Tanias Familie hatte den Worten von Albus Dumbledore stets getraut, doch erst seit der verhängnisvollen Nacht im Ministerium waren die Geschehnisse, zu Tanias Missfallen, wirklich in Bewegung geraten.

Nachdem sich die Nachricht von Voldemorts Rückkehr wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, waren Tanias Eltern untergetaucht.

Ihre Mutter war im Auftrag des Ordens aufgebrochen, um eine geheime Mission zu erfüllen. Sie hatte Tania nicht erzählt worum es sich handelte, doch sie wusste, dass es gefährlich war. Ihre Arbeit als Leiterin der ›Abteilung für magische Strafverfolgung‹ war heikel, aber Tania hatte sich immer damit trösten können, dass sie von erfahrenen Auroren unterstützt wurde. Nun würde sie jegliche Vorsicht vergessen. Tania war stolz auf ihre Mutter, doch seitdem sie fort war, kroch die Angst um sie wie Gift durch ihre Adern.

Ihr Vater hatte das Familiengut ebenfalls im Auftrag des Ordens verlassen, doch seine Intention war eine andere. Er war Heiler im ›St.-Mungo-Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen‹ und half bei der Behandlung und Gedächtnismanipulation von Muggeln, denen die Todesser Leid zugefügt hatten.

Tania verbrachte ihre Sommerferien in Hogwarts. Ihr Hauslehrer Professor Flitwick hatte ihr die Nachricht überbracht, dass ihre Eltern darum gebeten hatten, ihr Aufenthalt im Schloss zu gewähren. Zu ihrer eigenen Sicherheit! Tania war verbittert.

In den Briefen an ihre Familie hatte sie darum gebettelt, gemeinsam das Land zu verlassen. Sie waren allesamt Reinblüter! Tania glaubte, dass Der, dessen Namen nicht genannt werden darf, ihre Familie in Ruhe lassen würde, wenn sie sich weit genug von Großbritannien entfernten. Tanias Bitten hatten kein Gehör gefunden. Natürlich war ihre Mutter zu stolz. Selbstverständlich fühlte sich ihr Vater verpflichtet. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich den Plänen ihrer Familie zu fügen.

Es war der Wunsch, ihre Familie zu beschützen, der Tania in die Tiefen des verbotenen Waldes trieb. Vor Wochen hatte sie begonnen sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. In ihrem Turmzimmer häuften sich Bücher über das Heilen von Verletzungen und das Brauen von Tränken. Darunter ein dicker Wälzer mit dem Titel ›Eine Hexe in der Wildnis – Überleben für abenteuerlustige Magier‹, welcher eine Liste nützlicher Tränke beinhaltete.

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