Expecto Patronum

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Am nächsten Morgen fuhren die meisten Schüler mit dem Hogwartsexpress in die Weihnachtsferien. Tania hatte Michael zum Bahnhof begleitet, wo er sie fest in die Arme geschlossen hatte, bevor er in den Zug gestiegen war. Seit dem Gespräch auf Slughorns Weihnachtsfeier fühlte sie sich wieder wohl in der Nähe ihres Freundes. Susan strahlte Michael schon den ganzen Morgen an und der Quidditchspieler genoss die Aufmerksamkeit sichtlich. Tania wünschte den Beiden das Beste und hakte diese Angelegenheit als ›Erledigt!‹ ab.

So blieb genügend Zeit, um sich mit Snapes Verhalten auseinanderzusetzen. Ihre Gedanken kreisten an diesem Morgen um nichts anderes. Der Tränkemeister entpuppte sich als wahrer Parasit in ihrem Kopf. Sowohl die ersten als auch die letzten Gedanken des Tages galten ihm. Er hatte sich in ihrem Geist manifestiert und es war vollkommen unmöglich ihn zu ignorieren.

Insgeheim hätte sie Slughorn gern Fragen über Snape gestellt, doch sie wusste, dass es schäbig gewesen wäre. Die Situation auszunutzen hätte sich wie ein Verrat angefühlt. Sie wollte Snape nicht verraten. Gern würde sie alles über ihn erfahren, aber dann doch bitte aus seinem eigenen Mund.

Tania war aufgefallen, dass Snape an diesem Morgen noch schlechter gelaunt war, als es üblicherweise der Fall war. Er stand am anderen Ende des Bahnsteigs und giftete jeden an, der den Fehler machte, ihm zu nahe zu kommen. Es hätte die blonde Ravenclaw nicht gewundert, wenn er seine Schüler in den Zug geschubst hätte, um sie schneller loszuwerden.

Mit einem lauten Pfeifen setzte sich der feuerrote Hogwartsexpress in Bewegung. Michael klopfte wild ans Fenster und Tania lief grinsend einige Schritte mit, bis die alte Dampflokomotive zu schnell wurde. Winkend sah sie dem Zug mit gemischten Gefühlen hinterher. Zu gern wäre sie mitgefahren, um Weihnachten bei ihrer Familie zu verbringen, doch das Familiengut stand leer.

Niemand würde auf sie warten. Es stimmte sie traurig, doch sie musste das beste aus der Lage machen. Die Arbeit bei Snape war eine willkommene Ablenkung und, was viel wichtiger war, Tania fühlte sich gebraucht. Es gab ihrem Leben einen Sinn, wenn sie Heiltränke für den Krankenflügel braute oder bis tief in die Nacht auf Snapes Rückkehr wartete, wenn der, dessen Name nicht genannt werden darf, nach ihm gerufen hatte.

Nachdenklich schaute Tania dem Hogwartsexpress hinterher, bis er hinter einem Hügel verschwand. Die wenigen Schüler, die ebenfalls über die Weihnachtsferien in der Schule blieben, machten sich auf den Rückweg zum Schloss. Der Wind blies kalt und dunkle Wolken zogen über den Himmel. Snape stand noch immer am Ende des Bahnsteigs und hatte den Blick in die Ferne gerichtet.

›Kann das ein Zufall sein?‹, fragte sich Tania lächelnd. Langsam lief sie den Bahnsteig entlang auf ihn zu. Er stand mit dem Rücken zu ihr, doch sie zweifelte nicht daran, dass er ihre Anwesenheit bemerkt hatte.

»Ich wäre gerne Nachhause gefahren«, gestand Tania und betrachtete Snape, dem der Wind die Haare ins Gesicht wehte. »Sie etwa auch, Professor?«

Snape schwieg einen Moment, ehe er sich zu ihr umdrehte. Der Blick, mit dem er sie bedachte, glühte vor kalter Verachtung.

»Das hat Ihnen Horace sicherlich erzählt«, zischte er, bevor er auf den Hacken kehrte machte und davonstolzierte.

»Das hat er nicht!«, rief sie empört und nahm die Verfolgung auf. »Ich habe Professor Slughorn gebeten, mir nichts über Sie zu erzählen und bin kurz darauf gegangen, Sir.«

»Wie ehrenwert!«, säuselte Snape garstig. »Was erwarten Sie von mir? Einen Dank? Eine Lohnerhöhung? Den Merlinorden erster Klasse?«

»Wenn Sie so fragen«, schnaufte Tania, »Es wäre nett, wenn Sie langsamer laufen würden, Sir.« Statt ihrem Wunsch nachzukommen legte Snape noch einen Zacken zu. Die Ravenclaw verfiel in eine Mischung aus Rennen und Stolpern, um mitzuhalten und kam sich dabei ziemlich bescheuert vor.

SeelenfriedenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt