Der magische Pakt

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Als Tania am nächsten Morgen erwachte, hatte sich die Sonne noch nicht vom Horizont gelöst. Das Adrenalin der Nacht pumpte auch jetzt noch durch ihre Adern. Um ihre Gedanken zu sortieren, widmete sie sich der Ausbeute ihres Streifzuges.

Die Pilze mussten von Sand und Ungeziefer befreit werden. Kräuter und Farne fädelte sie zum Trocknen auf ein Band auf, welches sie quer durch ihr Zimmer spannte. Wurzeln, Blüten und Beeren kamen in sorgsam beschriftete Einmachgläser und wurden im Schrank verstaut.

Eine Analyse der Geschehnisse war längst überfällig. Sie war Snape, dem gefürchtetsten Lehrer der Schule, bekleidet mit einer Todessermaske, im verbotenen Wald begegnet. Schlimmer hätte es nicht kommen können!

Tania wusste, dass Snape für den Orden tätig war. Im letzten Sommer hatte sie ihre Eltern dabei belauscht, wie sie über seine Vertrauenswürdigkeit diskutiert hatten. Angeblich war er ein ehemaliger Todesser, der die Seiten gewechselt hatte und nun Informationen für den Orden des Phönix sammelte.

Die Frage, warum Tania ihm im Wald begegnet war, beantwortete das nicht. Hielten sich unweit der Schulgrenzen Todesser auf? Ein verstörender Gedanke! Aber noch lange nicht so verstörend, wie den Tränkemeister derart ausgeliefert vorzufinden.

Sein schmerzverzerrtes Gesicht ging ihr nicht aus dem Kopf. Es hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Ein Wunder, dass er sie in diesem Zustand durch den Wald hatte verfolgen können.

Ihr drängte sich die Frage auf, was geschehen wäre, wenn er nicht zusammengebrochen wäre. Hätte er ihr etwas angetan? Ging es ihm um die Geheimhaltung seiner Spionagetätigkeit? Zu welchem Zeitpunkt war ihm bewusst geworden, dass er eine seiner Schülerinnen verfolgte? Unzählige Fragen formten sich in Tanias Kopf.

Eine Antwort fand sie nicht. Unschlüssig schweifte ihr Blick zur Tür. War es ratsam, sich Professor Flitwick anzuvertrauen? Nein, das kam nicht infrage. Er würde ihre Eltern benachrichtigen und das Letzte, was Tania wollte, war, ihnen Sorgen zu bereiten. Mit der Arbeit beim Orden hatten sie genug um die Ohren.

Nachdenklich trat sie ans Fenster und spähte zum Wald hinüber. Die Baumkronen wiegten sich friedlich im Wind. Was für ein trügerischer Anblick! Sie schwor sich, nie wieder einen Fuß in den Wald zu setzen, nicht einmal um ihren Zauberstab zu suchen.

Sie würde einfach Snape bitten, ihn zu holen. Immerhin hatte sie ihm geholfen, obwohl er ihr eine Todesangst eingejagt hatte. War es nicht das Mindeste, was sie von ihm verlangen konnte?


Kurze Zeit später klopfte Tania schüchtern am Krankenflügel.

»Guten Morgen, Miss Green. Fühlen Sie sich nicht gut, meine Liebe?«, fragte Madam Pomfrey überrascht.

»Ich -«, begann Tania, zögerte jedoch, als ihr bewusst wurde, dass das Verhalten der Heilerin merkwürdig war. Madam Pomfreys unbekümmerter Tonfall und das erstaunte Gesicht passten nicht zur Situation. Sie musste doch wissen, dass Tania vorbeikam, um sich nach Professor Snape zu erkundigen!

»Kann ich reinkommen?«, fragte die junge Hexe schließlich.

»Natürlich, Mädchen, natürlich!«, rief Madam Pomfrey und Tania trat ein. Sie ließ ihren Blick durch den Krankenflügel gleiten. Snape war nicht hier. Das Bett, in dem er gelegen hatte, war frisch bezogen und auch sonst deutete nichts auf die Geschehnisse der Nacht hin. Keine leeren Phiolen, kein Wasserglas auf dem Nachtschrank und der marmorne Boden blitzte, als hätte sich eine Kolonne Hauselfen daran zu schaffen gemacht.

»Ähm, haben Sie ein Mittel gegen -«, stammelte Tania, »gegen Kopfschmerzen?« Etwas Besseres fiel ihr nicht ein.

»Es ist ausreichend vorhanden«, erwiderte Madam Pomfrey und rief mit ihrem Zauberstab ein Schmerzmittel herbei. Tania nickte beklommen, während ihr die Heilerin die Dosierung erklärte. Ihre Gedanken überschlugen sich, während ihr dämmerte, was passiert sein musste.

SeelenfriedenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt