Ein unverzeihlicher Fluch

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Tania saß mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett und starrte finster zum Schlossgelände hinab. Unzählige Stühle waren vor einem marmornen Sockel aufgereiht, unter welchem in wenigen Stunden Dumbledores Leichnam seine letzte Ruhe finden würde.

Die Sonne am wolkenlosen Himmelszelt war ein einziger Hohn. Sie fühlte sich leer und abgestumpft. Ihre Tränen waren versiegt und sie schämte sich, dass sie keine einzige davon für Dumbledore vergossen hatte. Tania weinte um Snape.

Er hatte ihre Loyalität skrupellos ausgenutzt. Die Erinnerungen an die Nacht, in welcher sie zur Verräterin geworden war, drückten auf ihr Gemüt. Sie hatte dem Mörder Dumbledores zur Flucht verholfen, doch so sehr sie sich auch bemühte, ehrliche Reue zu empfinden, es tat ihr nicht leid.

Nach Dumbledores Tod war der Unterricht eingestellt worden. Die großen Prüfungen wurden verschoben und die meisten Schüler reisten frühzeitig ab. Tania hatte ihre Familie kontaktiert und mitgeteilt, dass sie in Hogwarts bleiben würde.

Sie hatte genug Unheil angerichtet. Auf keinen Fall wollte sie ihren Eltern unnötige Sorgen bereiten. Hogwarts war nach wie vor ein sicherer Ort, sofern man nicht muggelstämmig war. Außerdem hatte Michael versprochen, im neuen Schuljahr zurückzukehren.

Langsam füllte sich der Platz vor der Grabstätte mit Trauergästen. Tania entdeckte den Zaubereiminister mit seinem Gefolge, in welches sich zu ihrem Missfallen auch Umbridge eingereiht hatte.

In einer der hinteren Reihen reichte Madame Maxime dem weinenden Hagrid ein Taschentuch von der Größe eines Bettlakens. Immer wieder steckten Meermenschen ihre Köpfe aus dem großen See, am Rand des Waldes warteten Zentauren im Schutz des Dickichts und etwas abseits saß ein Riese. Sie alle waren gekommen, um Albus Dumbledore die letzte Ehre zu erweisen.

Tania rappelte sich auf und zog sich ihren Umhang über. Dabei fiel ihr Blick auf den ›Klitterer‹. Momentan war dieses absonderliche Journal das einzige Presseerzeugnis, dem man glauben konnte.

Der Tagesprophet grub zwar haufenweise Unannehmlichkeiten aus Dumbledores Vergangenheit aus, ließ dabei jedoch die Umstände seines Todes aus. Tania war sich sicher, dass das infiltrierte Ministerium den Propheten unter Druck setzte, sämtliche Nachrichten über Voldemort und seine Todesser zurückzuhalten.

Auf dem Titelblatt des Klitterers prangte ein Foto von Dumbledores Mörder. Snape. Im folgenden Artikel wurde von seiner Vergangenheit berichtet.

Im ersten Krieg hatte er bereits als Todesser vor dem Zaubergamot gestanden und Dumbledore hatte sich für ihn verbürgt. Ein winziges Foto war in der rechten Ecke abgedruckt worden.

Es zeigte einen düsteren Raum, in welchem ein junger Mann mit gesenktem Kopf auf einem Stuhl saß. Seine glatten Haare fielen ihm schützend ins Gesicht. Hinter ihm stand Dumbledore, wie ein Samariter, und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter, während er ihn vor dem Zaubergamot verteidigte.

Mehr Informationen gab es nicht, wenn man von der Theorie des Klitterers absah, dass Snape, ebenso wie Rufus Scrimgeour, ein Vampir sei und Dumbledores Tod der Beginn eines Aufstands. Es wurde weder über Snapes Familie berichtet, noch gab es Interviews ehemaliger Bekannter. Er war ein wandelndes Mysterium.

Tania schien die einzige gewesen zu sein, die kein gesundes Misstrauen Snape gegenüber empfunden hatte. Niemand in Hogwarts war erstaunt darüber, dass Snape ein Mörder war. Stattdessen tönten Sätze wie ›Ich habe es immer gewusst!‹ oder ›Er hatte diesen Blick!‹ durch die große Halle.

Tania wollte nichts davon hören.

Während die Wassermenschen Dumbledores Trauerfeier mit ihrem klagendem Gesang eröffneten, schlüpfte Tania aus Nathans Porträt in den Kerker. Es war der perfekte Zeitpunkt, um ungesehen Snapes Gemächer zu betreten.

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