Auch am Montag, in einer überfüllten Metro auf dem Weg zur Arbeit, muss ich noch immer an vergangenen Freitag denken. Es ist unmöglich meine Gedanken zu ordnen, weil ich immer wieder an ihn denken muss. Wir haben doch nur getanzt. Es war nur ein Kuss. Ich weiß nichts über ihn. Ich weiß nicht, wie er heißt. Ich weiß nicht, wo er wohnt. Alles, was ich weiß ist, dass er fantastisch aussieht und genauso fantastisch küssen kann.
Es ist unfassbar, dass mich diese Begegnung derart aus der Fassung bringt. Ja, mein letzter Kuss oder das letzte Mal, dass ich mich zu einem Mann hingezogen gefühlt habe, ist an der Uni gewesen. Das ist allerdings auch schon ein paar Jahre her und erklärt mir eigentlich von selbst, warum ich so durch den Wind bin. Ich habe noch niemanden, nicht einmal Sadie von ihm erzählt. Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass Nola und sie gesehen haben, dass wir miteinander getanzt haben, doch keine der beiden hat sich bisher getraut, mich darauf anzusprechen.
Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, was die beiden mir raten würden – mit der Sache abzuschließen. Auch, wenn ich weiß, dass ich ihn womöglich niemals wiedersehen werde und weiß, dass sie Recht haben, kann ich das noch nicht. Ich möchte noch ein wenig in Erinnerungen schwelgen und mich immer wieder an das Gefühl seiner Lippen auf meinen zurückerinnern. Wie sie sich perfekt aneinander geschmiegt und liebgekost haben – als wären sie nur dafür gemacht die Lippen des jeweils anderen zu berühren.
Eine Durchsage der Metro, die meine Station ankündigt, an der ich aussteigen muss, reißt mich allerdings aus meinen Gedanken und ich befinde mich wieder auf dem Boden der Tatsachen und dieser ist, wie so oft, knallhart.
Ich muss das schleunigst in den Griff kriegen und ihn vergessen, weil ich momentan deutlich wichtigere Situationen in meinem Leben habe, die meine volle Aufmerksamkeit benötigen. Ich muss mich vor allem auf Calvin und meinen Job konzentrieren. Vor allem Letzteres ist wichtig, damit ich Calvin ein halbwegs schönes Leben bieten kann, und ich bin wohl kaum eine gute Assistentin, wenn ich einem Typen hinterher schwärme, der mit mir getanzt, mich geküsst und mich hinterher stehen gelassen hat und seither einen großen Teil meiner Gedanken für sich beansprucht hat. Ich muss wohl oder übel auf meinen Verstand hören und versuchen diesen Abend zu vergessen. Zeit ist ohnehin etwas an dem es mir deutlich mangelt.
Die Türen des Wagons öffnen sich und ich quetsche mich durch die engen Freiräume zwischen den Menschen hindurch, um auszusteigen. Ich rümpfe die Nase als mir in die Station verschiedene Düfte entgegen geschleudert werden und mache mich schnell auf den Weg an die frische Luft. Ein Blick auf die Uhr deutet mir an, dass ich mehr als nur pünktlich bin. Ich schiebe meine Brille, die ich aufgrund von Kopfschmerzen durch das viele Lesen am Computer tragen muss, meinen Nasenrücken hinauf und schultere meine Handtasche erneut, um den Weg zur Arbeit fortzusetzen.
∞
Der Vormittag verlief ruhig. Nachdem ich mit Rebecca die Woche besprochen und unsere Kalender aktualisiert habe, habe ich ihre Post bearbeitet und alles nach ihrer Wichtigkeit geordnet. Ich weiß nicht, ob ich jemals so viel Post erhalten habe, wie meine Chefin es fast täglich bekommt. Allerdings bin ich darüber auch froh. Post bedeutet Rechnungen, die bezahlt werden wollen und Geld ist nicht unbedingt etwas, von dem ich gerne etwas hergebe.
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Blinding Lights
Chick-LitSeit vier Jahren lebt Hailey Michaels nach einem Schema - arbeiten, schlafen und ganz nebenbei noch ihren kleinen Bruder Calvin versorgen. Spontanität und Spaß sind in ihrem Leben wirklich ein Fremdwort geworden, zumindest solange bis ihre Freundi...