Zuwachs und Hochzeiten

268 1 0
                                    

Mit Beginn des neuen Jahres, begannen auch die Planungen für unsere Hochzeiten, besser gesagt, für die Hochzeit, denn wir fanden es praktischer und auch schöner, eine große Doppelhochzeit zu veranstalten. Der zuständige Standesbeamte war leicht verwirrt bei unseren Wünschen.
Er gab auch zu, dass er zwar, im Laufe seiner Dienstzeit, schon so manche Doppeltrauung durchgeführt hatte. Aber das Mutter und Sohn gleichzeitig heiraten und es bei der Mutter, auch noch eine gleichgeschlechtliche Trauung wird, das war etwas Neues. „So etwas erlebt man in meinem Beruf wirklich nicht alle Tage, aber das meine ich nicht negativ. Es ist mir sogar eine Ehre", sagte er freundlich. Er nutzte in unserem Gespräch die Worte „Heiraten" und „Trauung" ganz locker auch für Franzi und mich, obwohl es damals ja nur eine eingetragene Lebenspartnerschaft war, da es die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ja noch nicht gab. Dann lachte er: „Ich werde mir aber alles genau aufschreiben müssen, nicht dass ich sie am Ende versehentlich mit ihrem Sohn verheirate."
Jochen und ich grinsten uns an und ich gab genauso lachend zurück: „Mein Sohn ist zwar ein liebevoller und gutaussehender Mann, aber da lasse ich dann doch meiner Schwiegertochter den Vortritt!" Ein super Datum bekamen wir für den Termin auch noch. Den sechsten Juni, also 6.6. Früher wollten wir es auch nicht. Erstens hatten wir so genug Zeit, um alles richtig zu planen und vorzubereiten, zweitens verlangte, als das Thema Terminfindung aufkam, Rike sofort: „Ich fände es schön, dass ihr erst heiratet, wenn die Kleine auf der Welt ist. Immerhin möchte auch ich ein Kleid tragen und wenn ich das kaufe, soll das nicht mit einem Medizinball als Bauch passieren." Natürlich brachte sie uns damit zum Lachen, aber sie hatte ja recht. Ihr Bauch wurde mit jeder Woche sichtlich größer und runder, ganz so wie auch die kleine Maus darin wuchs und sich sehr gut entwickelte.
Sollte also nicht doch noch etwas sein, was man auf dem Ultraschall nicht sehen konnte, dann erwartete Rike ein kerngesundes Mädchen.

„Schon eine Idee, wie die Süße heißen soll?", fragte ich sie wenige Monate vor dem errechneten Geburtstermin beim Abendbrot. Melanie verbrachte den vorherigen Tag und auch die Nacht, bei ihren Eltern. „Ja, ich habe es mit Mel entschieden. Ich hoffe, dass auch ihr den Namen mögt. Maike-Sophie", antwortete sie sofort und Mel nickte zustimmend.
Auf meine Frage, wie sie zu dieser Namenskombination kamen, antwortete Melanie: „Das war irgendwie meine Idee. Bei Maike kommt das M von Marko, das ai von Kai und zudem passt das ike in Maike perfekt zu Rike. Sophie kommt nach meiner süßen ... Schwester." Wir sahen Melanie verwundert an. Dann erklärte sie uns, was alles bei dem Gespräch bei ihren Eltern, zusammen mit Corinna und Sophie passiert ist. Jochen sah sie lange an, dann küsste er seine Verlobte liebevoll und sagte ehrlich: „Familie ist Familie und wenn du hin und wieder zu ihnen möchtest, um mitzumachen, tu es bitte. Niemand von uns ist dir böse, im Gegenteil. Es wäre eine Schande, wenn du deine Cousine äh, ich meine Schwester jetzt so hängen lässt. Immerhin habt ihr lange das Bett geteilt. Auch dein Papa freut sich sicher immer, wenn er seine beiden Töchter im Bett hat." Dann zwinkerte er ihr zu und sagte lachend: „Kannst sie mir ja mal vorstellen." Doch Mel sah ihn grinsend an. „Wieso? Du kennst Sophie doch schon seit wir klein waren!", lachte sie. „Aber du kannst ja mal mitkommen und Papa unterstützen, der hat schließlich mit drei Frauen im Haus, beziehungsweise vier, wenn ich auch da bin, alle Hände voll zu tun."
Darüber mussten wir alle lachen, war es doch bei uns nicht anders. Vier Frauen und der „arme" Jochen.

Etwas war verrückt. Als Rikes Brüste mit der Milchproduktion anfingen, hatte sie die Milch zwar hin und wieder mal probiert, aber letztendlich nicht ständig davon getrunken, wie sie damals noch andeutete. Dabei war sie doch immer so ein muttermilchgieriges Luder. Irgendwie rechneten wir alle damit, dass sie sogar versuchen würde sich selbst die Nippel in den Mund zu stecken und ihre Brüste auszusaugen. Ich konnte es mir damals sogar bildlich vorstellen. Meine Tochter, die mit einem ihrer Nippel im Mund, munter saugend durchs Haus rennt. Allerdings, wenn ich so zurückdenke, war es für sie sicher schon etwas Anderes. Mit Mel hatte sie ihren Spaß dabei und bei mir war es auch eine psychische Angelegenheit. Also, eigentlich doch nicht unverständlich.

******************************

„Na, dass ging ja schneller, als ich dachte", sagte die erstaunte Silke, die zum Glück auch diesmal Dienst auf der Entbindungsstation hatte, als Rike mit der Ambulanz ins Krankenhaus gebracht wurde. Zirka eine Woche vor dem Termin platzte, mitten in der Nacht die Fruchtblase. Als ausgleichende Gerechtigkeit begleiteten Melanie und ich sie beide zu der Geburt. Franzi und Jochen blieben zu Hause und harten unserem Anruf.
Auch Tanja war überrascht uns zu sehen, sie hatte aber kein Problem damit, dass Mel und ich zusammen bei Rike blieben.
Ich erinnerte mich an meine erste Geburt und so wie ich damals, litt Rike stark unter den Presswehen.

Vom Platzten der Fruchtblase, bis dass die Kleine endlich da war, vergingen ganze drei Stunden und zwischendurch begannen wir uns richtige Sorgen zu machen, denn Maike-Sophie schien nicht richtig mitarbeiten zu wollen. Doch kaum, dass Tanja „Wenn sie in einer halben Stunde noch keine Fortschritte gemacht hat, müssen wir die Kleine holen" sagte, wollte sie es uns wohl zeigen. Wir konnten gar nicht so schnell gucken, wie sie ihr Köpfchen rausstreckte. Ich überließ es Melanie, die Nabelschnur zu durchtrennen, während ich die weinende Rike im Arm hielt. Dann die größte Erleichterung, kaum war die Maus ganz draußen, kam der erlösende Schrei. Sogar Tanja musste sich einen Moment setzen und sich mit einem Tuch Schweiß von der Stirn wischen. „Normalerweise sollte ich sowas als Ärztin nicht sagen, aber für einen Moment war ich doch in Sorge. Wollen wir uns die kleine Rabaukin erstmal anschauen", sagte sie erleichtert.
Ich hörte wie sie zu Maike-Sophie sagte: „Na kleine Maus, sind wir unterwegs eingeschlafen oder wolltest du uns ärgern? Wollen wir mal sehen, wie es dir geht!"
Es dauerte keine 5 Minuten und die Süße war, gesäubert, gewogen, gemessen und untersucht, worauf sie ihrer Mama, von Silke auf die Brust gelegt wurde. Diese nickte mir dabei zu und ich verstand sofort: Alles bestens.
Auch Tanja kam wieder zu uns, gab uns allen die Hand und sagte: „Alles dran was dran gehört. Die Herztöne und die Atmung sind gut hörbar und regelmäßig. Größe und Gewicht sind, wie bei ihrem, nur neun Monate älterem Onkel 1a. Ich würde sagen: Ein rundumgesundes Mädchen. Herzlichen Glückwunsch. Ach ja, sie ist kitzelig."
Mel ging danach raus, rief sofort zu Hause an und bekam, nach nur einmal Klingeln Franzi ans Telefon. „3410 Gramm, 51 Zentimeter und kerngesund", sagte sie sofort. Franzi stutzte in ihrer Aufregung einen Moment, dann fiel der Groschen und sie jubelte los, derweil sie es Jochen sagte. „WOW, bei Rike auch alles okay?" „Ja, sie ist jetzt einfach nur fertig. Ich denke das Lena und ich auch gleich nach Hause kommen, damit Rike und Maike Ruhe nach dieser Anstrengung haben. Wie geht es unseren Jungs?"
„Die Kleinen schlafen seelenruhig und der Große tanzt grade, mit wippendem Schwanz, durch das Wohnzimmer", lachte Franzi glücklich.
„Danke Süße, jetzt habe ich genau die Bilder im Kopf, wie mein Schatz abdreht. Okay, ich will wieder rein. Bis nachher."
Als sie auflegten, kam Mel zurück, grüßte uns von den Beiden und erzählte, wie sehr sie sich freuen. Natürlich nicht im Detail, auf welche Weise sich Jochen freute. Das hätte Tanja und Silke sicher Fragezeichen ins Gesicht geprügelt.
Rike und Maike wurden bald auf ein Zimmer gebracht, wir verabschiedeten uns und fuhren nach Hause.
Dort wurden wir dann auch entsprechend glücklich begrüßt. Wir stießen mit einem Glas Sekt an und ließen Mutter und Kind hochleben. Der, immer noch total aufgedrehte Jochen bekam von seiner Verlobten zur Beruhigung erstmal einen geblasen und als er kam, ließ dieses verrückte Luder ihn in ihr Glas spritzen und sich dieses dann von mir mit Sekt auffüllen. Jochen sah verblüfft dabei zu, wie wir drei uns diese Mischung dann lachend teilten und es schmeckte sogar echt geil.

******************************

Der Kinderarzt im Krankenhaus machte einen Komplettcheck bei der kleinen Maike, weil wir ihm die Geschichte mit dem unbekannten Erzeuger aus der Disko sehr gut verkauften. „Ich weiß zwar, dass aus meiner Familie seit Generationen nichts über gravierende Erbkrankheiten oder so bekannt ist, weder von Mamas oder Papas Seite. Aber wer weiß, wie es bei dem Typen aussieht, dem ich die kleine Maus zu verdanken habe", sagte Rike eindringlich. Aber nach Blutuntersuchungen, Ultraschall und verschiedenen, schon bei Säuglingen anwendbaren Test in Bezug auf geistige Fähigkeiten, sowie Gesundheit der Augen und der Ohren, sagte er offiziell: „Frau Paulsen, ein solch gesundes Kind ist mir zuletzt unter die Augen gekommen, als ihr eigener Bruder zur Welt kam. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen." Das beruhigte uns dann alle. Auch meine Eltern waren überglücklich beim Anblick ihrer Ur-Enkelin. Sogar Niko und Sabine kamen Rike, zusammen mit Corinna und Sophie im Krankenhaus besuchen.
Unsere frischgebackene Mama durfte, wie ich neun Monaten vorher, das Krankenhaus auch schon nach drei Tagen wieder verlassen.
Nun hatten wir drei kleine Kinder zu versorgen, doch waren wir ein eingespieltes Team und auch Rike füllte ihre Milch auf Flaschen, damit wir alle auch die Fütterung von Maike mitübernehmen konnten.

******************************

Ab diesem Zeitpunkt drehte sich unser Alltag, neben der Arbeit fast nur noch um die Hochzeitsplanung. Neben meinen Eltern und Mels Familie, waren in paar Freunde und Arbeitskollegen eingeladen. Die Feier sollte im Festsaal des örtlichen Brauhauses stattfinden. Dort hatten wir alles in einem. Getränke, wobei die Biere noch vor Ort und nach alter Tradition gebraut wurden und nicht, wie vieler Orts in einer großen Industriebrauerei. Eine gute Küche, bei welcher wir ein kaltes, sowie ein warmes Buffet bestellten und Unterhaltung in Form der Hausband. Diese war in unserer Stadt sehr beliebt, da sie neben zünftigen Trinkliedern auch sehr gute Coverversionen bekannter Songs, von den 60ern bis hin zur Moderne drauf hatte.

Als alles geklärt und bestellt war, auch die gemeinsame Hochzeitstorte und Blumen, ging es ans Shoppen. Keine von uns Frauen hatte wirklich Lust auf ein übertriebenes Brautkleid, aber hübsche und elegante Abendkleider sollten es schon sein. Was uns aber sehr wichtig war, war die Tradition, dass die Brautleute ihre Garderobe gegenseitig nicht vor der Hochzeit sehen durften. So wurde lange überlegt, wer wie einkaufen geht. Letztendlich, bot Rike an mit Franzi einzukaufen, derweil ich mit meiner und Mel mit ihrer Mutter eine Shoppingtour machen sollte. Jochen wurde, auf der Suche nach einem neuen Anzug, von seinem Opa begleitet. Wir ahnten nicht, dass diese Diskussionen nur gespielt und unsere Einkaufshelfer längst alles unter sich ausgemacht hatten.
Ich war noch aufgeregter, als vor meiner ersten Hochzeit. Die letzte Nacht vor der Trauung verbrachten wir getrennt. Ich mit Marko bei Mama und Papa, Mel mit Kai bei ihren Eltern. Franzi und Jochen blieben mit Rike und Maike-Sophie zu Hause, wobei wir uns bei den drei Erwachsenen auf ein striktes Sexverbot für diese Nacht einigten. Es war sogar ihr eigener Vorschlag.
Tausend Fragen gingen mir durch den Kopf. Was würden die anderen tragen? Wie würden sie auf mein Kleid reagieren. „Ach Lenchen, schon damals, als du und Franziska jung wart, da habe ich manchmal von einer Hochzeit zwischen euch geträumt, obwohl sowas früher ja noch undenkbar gewesen wäre. Warum kriegt unsere Regierung das eigentlich nicht hin wie die Holländer? Da dürfen gleichgeschlechtliche Paare seit vorletztes Jahr sogar richtig heiraten", sagte Mama schwärmend, als wir noch bei einem Glas Wein zusammen saßen. Dann lachte sie: „Aber egal! Im Grunde ist es ja auch nicht viel anders. Nur, dass du dann zeitgleich mit meinem Enkel heiratest, war in dem Traum nicht dabei, doch es ist wunderschön. Sein wir ehrlich: Offiziell heiratest du morgen Franzi, aber im Stillen, gilt jedes morgen gesprochene Ja-Wort für jeden von euch, inklusive Rike." Sie hatte vollkommen recht. Diese Hochzeit war viel mehr, als es nach außen hin und für alle nicht Eingeweihten wirkte.

******************************

Endlich war der große Tag gekommen. Als ich mit meinen Eltern am Rathaus eintraf, taten wir dies zeitgleich mit Mel und ihren Eltern. Wie schon gesagt, hatten wir getrennt eingekauft, doch bei uns beiden fiel die Wahl auf das gleiche Kleid. Ein langgeschnittenes, cremefarbenes Abendkleid mit, nicht zu gewagtem, jedoch recht aufreizend geschnittenem Ausschnitt. Am liebsten wären wir uns da schon um den Hals gefallen, doch wäre das in der Öffentlichkeit viel zu gefährlich gewesen. Wir waren zwar nicht direkt verwandt, aber immerhin sollte Melanie ja in ein paar Minuten die Frau meines großen Sohnes werden. Doch weil niemand Fremdes in der Nähe war und unsere Eltern aufpassten, leisteten wir uns trotzdem einen kurzen Zungenkuss.
Rike wartete mit Sophie, in zwei gleichen weinroten Spitzenkleidern an der Tür zum Trauzimmer in dem schon Franzi, Jochen und alle Gäste auf uns warteten. Jede von uns bekam von ihrer Mutter einen Kuss, bevor die beiden gemeinsam das Zimmer betraten. „Bereit?", fragte Rike, ganz in ihrer Funktion als Trauzeugin. Mel und ich nickten glücklich, wenn auch nervös. „Dann auf in den schönsten und wichtigsten Tag eures Lebens", sagte Sophie, die ebenfalls Trauzeugin war lächelnd.
Rike öffnete die Tür, Musik spielte (fragt mich bitte nicht mehr, was für Musik es war) und wir betraten, unsere Trauzeuginnen voraus und wir an den Händen unserer Väter den Raum.
Vor dem Pult des Standesbeamten standen Franzi und Jochen. Ihnen blieb der Mund offen stehen, als sie uns in unseren gleichen Kleidern sahen. Erst später erfuhren wir von Rike, dass wir bei der Kleiderwahl unbemerkt gelenkt wurden. Denn auch unsere Einkaufshelfer planten, wie schon gesagt, hinter unseren Rücken so einiges. Aber auch das, was wir sahen war einmalig. Franzi in ihrem wunderschönen blauen Kleid und der Hochsteckfrisur mit Blümchen, daneben Jochen in einem eleganten schwarzen Anzug. Ich sah zu unseren Müttern und neben Sabine saß Corinna. Die drei hatten nun unsere Kinder auf dem Arm und auch diese waren mit niedlichen Anzügen, Maike-Sophie mit einem süßen Kleidchen, bekleidet.

Ich war den Tränen so nah, wie lange nicht mehr. Herr Salzmann, der Standesbeamte hatte sich wirklich ins Zeug gelegt und statt der üblichen 08/15 Rede, für uns eine ganz besondere verfasst.
Dann kam der Moment der Wahrheit. Die Ja-Wörter! Ich war zum Schluss dran und nach meinem gehauchten „Ja, ich will" hörte ich von Rike, die hinter mir stand ein ganz leises „Ja, auch ich will".
Anders als Franzi, die unseren Namen annahm, behielt Melanie ihren Nachnamen und hängte unseren als zweiten hinten dran. Es war klar, dass sie damit symbolisch die Verbindung unserer Familien darstellen wollte.
Die Feier danach war mehr als gelungen und bot für uns Brautleute noch so manche Überraschungen, die sich, vor allem meine Eltern und Rike für uns ausgedacht haben.
Doch das heimliche Highlight für uns war natürlich die Hochzeitsnacht, welche wir selbstverständlich zu fünft verbrachten und es, trotz des anstrengenden Tages, krachen ließen. Niko und Sabine nahmen, zusammen mit Corinna und Sophie für diese Nacht die Kinder, damit wir in jedem Fall ungestört waren.

Wir gehören zusammen - HelenaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt