You were everything I had

484 24 5
                                    

"Papa bitte wach auf!" Mein Kopf ruht auf der stillen Brust meines Vaters. Sie senkt und hebt sich nicht.

"Schwester! Ich brauche Hilfe, bitte kann mir denn keiner helfen!" Meine Fäuste schlagen leicht gegen die Brust meines Vaters. Doch er reagiert nicht.

"Papa du hast mir gesagt du wirst mich niemals verlassen! Du warst derjenige der gesagt hat 'Ich werde dich niemals alleine lassen Goldlöckchen'. Bitte Papa ich habe doch keinen mehr außer dich, du musst jetzt aufwachen!" Ich versuche Luft zu bekommen, doch meine Atmung geht nur stoßweise. Ich höre seinen Herzschlag nicht. Mein Gehirn sagt mir das ich ihn in Ruhe lassen soll, doch mein Körper kommt nicht von ihm los. Ich greife weinend nach seiner Hand, die noch warm ist als mich urplötzlich zwei Hände anfassen. Mit aller Kraft wehre ich mich gegen die Person die mich nach hinten zieht, doch alle meine Versuche scheitern vergebens. Meine Lebensenergie verschwand mit dem Moment in dem das Herz meines Vaters aufhörte zu schlagen.

"Ich will hier nicht weg, er hat es mir versprochen!" schreie ich, doch die Krankenschwester zieht mich aus dem Raum. Das Bett, auf dem mein regloser Vater liegt, verschwindet von Meter zu Meter immer mehr, bis es nicht mehr in meinem Blickfeld ist.

"Du hast es mir versprochen, also wach auf!!!" schreie ich aus ganzer Leidenskraft, doch nun erreichte auch mein Herz die Wahrheit die mein Gehirn die ganze Zeit wusste. Er ist tod.

Schweißgebadet erwache ich aus meinem Albtraum. Schweratmend setze ich mich aufrecht hin und höre auf meinen Herzschlag. Er ist ungleichmäßg und schnell. Dieser Traum kehrt immer wieder zurück und jedesmal aufs neue erinnert er mich daran wie alleine ich bin. Alle haben mich verlassen, ich habe niemanden mehr. Mein Traum endet immer wieder auf die selbe Art. Ich werde aus dem Krankenhauszimmer gezogen ohne das ich mich wirklich von ihm verabschieden kann. Es ist nicht das erste mal das mich so ein Traum Abends heimsucht, es ist nur einer von vielen. Mein Vater war der einzige den ich noch hatte. Meine Mutter starb bei meiner Geburt weshalb ich sie nie richtig kennenlernen durfte und mein bester Freund starb bei einem Autounfall. Ein angetrunkener Fahrer hatte die Kontrolle über sein Lenkrad verloren und nicht rechtzeitig reagiert. Meine Brust zieht sich bei dem Gedanken an ihn zusammen. Er war mein einziger, richtiger Freund. Nach dem Tod meines besten Freundes war mein Vater der Anker in meinem Leben, der mich standhaft im Leben hielt, doch nun verlor ich auch noch ihn an Lungenkrebs. Er war der Grund dafür das ich nicht durchdrehte in dem Chaos das sich 'Mein Leben' nannte.

Ich habe keine Angst vor dem Tod, obwohl es mir alle Menschen genommen hat die meine Welt vervollständigt haben. Nein. Nach all den harten Tagen und Wochen in denen ich den Kampf mit mir selbst führte, ging auch noch mein Vater aus meinem Leben. Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich hasse ihn einfach nur!

Wie soll ich je wieder einen Menschen an mich heran lassen ?

Ich würde es nicht verkraften, nicht noch einen Tod. Ich beschloss nach der Beerdigung meines Vaters den Ort zu verlassen, denn dort ruhen alle Erinnerungen an die beiden wichtigsten Personen in meinem Leben. Ich zog nach London und kaufte mir von dem Geld, welches mir mein Vater zurückgelegt hatte, eine eigene Wohnung. Er hatte fast für mein ganzes Leben vorgesorgt, doch trotzdem suchte ich mir einen Job und beließ meinen Alltag dabei.

Freunde habe ich in dieser Stadt keine. Ich habe höchstens meine Arbeitskollegen und die sehe ich nicht wirklich als Freunde an. Mit ihnen berede ich nur das nötigste, es dient zu ihrem eigenen Schutz. Alle Menschen die ich lieb gewinne sterben nach einiger Zeit. Der Blick auf meine Uhr gerichtet verrät mir das es noch zu früh ist um auf zu stehen, also lege ich mich noch einmal hin und falle in einen traumlosen Schlaf.

+

Ich schlender mit meinen schlaffen Körper in Richtung Badezimmer. Total übermüdet lasse ich den Wasserhahn laufen und betrachte mich emotionlslos im Spiegel. Meine braunen Augen verzieren zwei tiefe Tränensäcke, die ich behutsam mit meinen Zeigefingern berühre. Die Nächte haben sich in meinem Gesicht verewigt wie eine Unterschrift. Man sieht meinem blassen Gesicht an wie sehr mich das Leben ausgeschöpft hat.

'Du bist das schönste Mädchen das ich kenne Bea, und das nicht nur optisch, denn du strahlst aus deinem Herzen wie der hellste Stern am Himmel.'

Diese Worte werde ich wahrscheinlich niemals mehr vergessen. Würde mich mein Freund in der jetzigen Lage sehen, würde er dann immernoch das selbe sagen? Wie wäre es nur wenn er nicht gestorben wäre, wenn er noch bei mir wäre? Verdammt Mikey ich vermisse dich so sehr. Ich bemerke wie die ersten Tränen mein Gesicht herunter wandern. Hastig wische ich sie mir von meinen Wangen, du musst jetzt stark bleiben. Ich greife nach meiner Zahnbürste und führe meine morgendliche Routine durch. Meine blonden Locken lasse ich offen über meine Schultern fallen. 'Goldlöckchen'. So nannte mich mein Vater immer. Er meinte immer das ich sie offen tragen soll, weil es so schöner aussieht.

Ich streiche mir durch meine Haare. Die Erinnerungen zerfressen mich. Innerlich und äußerlich. Mein Verstand erinnert mich jedes mal daran, was mein Herz nicht vergessen kann. Ich schüttel heftig meinen Kopf, als könnte ich die Sorgen von mir abschütteln und versuche die Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Ich laufe in mein Zimmer und ziehe mir die nächst liegende Jeans und einen Pullover an. In diesem Moment kümmert es mich wenig was ich anhabe, oder wie ich aussehe. In schnellen Schritten hebe ich meine Tasche auf und verlasse die Wohnung. Die Menschen um mich herum starren mich seltsam an, aber es interessiert mich nicht, also gehe ich einfach weiter.

Nach 10 Minuten erreiche ich die U-Bahnhaltestelle, wo meine Bahn schon einfährt. Es ist Neun Uhr, es ist immer die selbe Bahn, die selben Gesichter wenn ich einsteige und der selbe Penner, der in der nächsten Station durch die Tür kommt. Es ist eine nicht endende Dauerschleife und ich befinde mich mitten drin.

Broken BeginningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt