Meine Gedanken schweifen sekündlich ab und können sich gar nicht auf einen Punkt fixieren. Auf der großen Uhr erkenne ich die schwach, rot leuchtenden Ziffern, die mir sagen, dass es 8:59 Uhr ist. Entweder sind die Zahlen wirklich schwach abgebildet oder meine Augen sind zu übermüdet um es zu erkennen. Kältewellen durchströmen meinen Körper bei dem Gedanken an letzte Nacht. Vielleicht drehe ich durch, oder mein Verstand stirbt ab. Ist meine Sehnsucht nach Mikey denn so groß, dass mein kompletter Körper darunter leiden muss ?
Um nicht wirr durch die Gegend zu schauen fixiere ich meine schmerzenden Augen auf ein Werbeplakat, doch sofort verdeckt der ankommende Zug meine Sicht. Die Windstöße der Bahn lassen meine Haare kreuz und quer durch die Luft sausen. Da hätte ich mir das Haare föhnen auch sparen können. Der Türknopf leuchtet auf und einer der anderen Fahrgäste bestätigt ihn, um auszusteigen. Wie immer steigen größtenteils dieselben Gesichter aus, die jeden Tag für einen minimalen Moment an meinem Leben teilhaben. Vielleicht spiele ich für sie keine Rolle, aber diese Routine zeigt mir, dass ich noch immer lebe und bei Verstand bin. Nachdem alle an mir vorbeigelaufen sind steige ich in den Zug ein und setze mich wie üblich auf den Viererplatz, den ich immer belege. Jedes mal sitze ich dort alleine und betrachte die Welt, wie durch eine kaputte Brille. Nie setzt sich jemand auf diesen Platz, es ist fast so als würde dieser Platz gar nicht existieren. Die trostlose Stille drückt wie steigender Wasserdruck auf meine Ohren, die Stimmen der Menschen um mich herum wirken gedämmt, als würden sie gegen eine unsichtbare Schallschutzmauer prallen.
Das Einzige was meine Ohren zulassen ist die Melodie des Gitarrenspielenden Obdachlosen, der so gut wie jeden Tag hier aufzufinden ist. Er gibt mir die Hintergundmelodie zu meiner Geschichte die sich in meinem Kopf abspielt. Meine Augen richten sich auf die Tür, wartend darauf, dass er wie jeden Tag einsteigt. Nachdem sich die Tür schließt, ohne, das er einsteigt, wende ich meinen Blick leicht enttäuscht wieder ab. Auf Einmal wirft irgendetwas oder irgendwer einen großen Schatten über mich. Ich schrecke aus Ungwohnheit etwas zusammen. Der Obdachlose mit seiner Gitarre steht neben mir, schenkt mir ein freundlich warmes Lächeln und lässt sich auf dem Platz, gegenüber von mir nieder. Ich habe ihn gar nicht kommen sehen. Mein Herzschlag normalisiert sich wieder und ich beginne zu überlegen, warum er sich jedesmal ausgerechnet hierhin setzt. Das Abteil ist so gut wie leer, viele der Reihen sind gar nicht besetzt.
Ich habe diesem Mann nie Geld oder Essen gegeben. Warum auch? Er hat es sich selbst zuzuschreiben, dass er auf der Straße lebt, damit habe ich nichts am Hut. Natürlich ich lasse mich auch gehen, aber ich habe es mir doch nicht selber zuzuschreiben. Oder?
An der zweiten Haltestelle steigen nochmals die üblichen Gesichter ein, die sich tagtäglich in meinen Kopf einbrennen. Wie eine Welle strömen sie hinein und mitten drin in dieser Flut von Menschen erkenne ich ein unbekanntes Gesicht. Der Blick des Unbekannten schweift über die Plätze, bis hin zu meinem Platz. Er bleibt mit seinem Blick an meinem heften und begibt sich langsam in meine Richtung. Seine eisblauen Augen ruhen auf meinem Körper wie eine zweite Schicht Haut. Ich kneife meine Augen ein wenig zusammen, weil sie nach wie vor ein wenig schmerzen und betrachte die Person genau. Er trägt eine enganliegende Jeans die an den Knien zerissen ist. Mit einem Ärmellosen grau karrierten Hemd betont er das schwarze Tanktop, was sich an seine Haut schmiegt. Nach einer Weile meines Abschweifens bemerke ich das sich der Blonde neben den Penner gesetzt hat. Ich zwinge meinen Blick in die andere Richtung und schaue nachdenklich aus dem Fenster.
Und trotzdem, der 'Neue' hatte meine ganze Aufmerksamkeit. Noch nie habe ich sein Gesicht hier in der Stadt gesehen. Wahrscheinlich ist es das Erste und letzte mal, denn wie gesagt, normalerweise bleibt mein Leben routinemäßig und dazu gehören dieselben Menschen.
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Broken Beginning
Fanfiction"Vermisst du sie?" "Jeden Tag." "Irgendwann kommt jemand der dich in seinen Armen so festhält, dass all deine zerbrochenen Teile wieder zusammen geklebt sind." Beatrice Quinn, ein 19-jähriges Mädchen das keinen Menschen mehr hat. Ihre Mutter starb b...