15. ramos x piszczek [3/6]

886 62 17
                                    

Der Deal
Part Three

Tag der Hochzeit

„Ich fasse nicht, dass ich wirklich dabei bin, das zu machen!", flüsterte ich und legte meinen Kopf in meine Hände und sah zu Sergio, der wieder einmal viel zu entspannt für meinen Geschmack den Wagen lenkte.
„Kannst du bitte auch nervös sein?", brummte ich schließlich. Er fing an zu lachen: „Warum sollte ich?"
Konnte das denn war sein? Hatte er diese Frage gerade wirklich gestellt? Ich warf meine Arme in Luft, wobei sie gegen die Decke des Wagens stießen, wodurch mir ein zischen entwischte. Sergio lachte: „Beruhige du dich lieber, sonst endet die Hochzeit im Krankenhaus!"
Das wäre vielleicht besser, dachte ich mir im Stillen und lehnte mich auf dem Sitz zurück, um einigermaßen vernünftig atmen zu können.
„Hast du überhaupt keine Angst, dass wir auffliegen?", wagte ich dann zu fragen. Sergio sah ziemlich locker zu mir und schüttelte entschlossen seinen Kopf: „Warum sollten wir auffliegen? Wir haben alles durchgeplant, die ganze Beziehung! Ich weiß über unsere Fake Beziehung mehr, als ich über meine echten Beziehungen weiß"
„Das ist verdammt traurig!", sagte ich, denn wir waren eigentlich nicht wirklich ins Detail gegangen.
„Lu., ....", begann er doch ich unterbrach ihn.
„Lu?", fragte ich irritiert: „Lukasz oder Piszczu!"
„Ich nenne meinen Freund doch nicht beim Nachnamen!", brummte er.
„Aber doch nicht Lu! So wurde ich im Kindergarten genannt, komm schon, das ist voll kindlich!", versuchte ich ihm klar zu machen, wie daneben Lu war. Aber wieder einmal teilte Sergio meinen Gedanken nicht, was mir nur klar machte, dass wir uns so krass unterschieden.
„Ich werde dich Lu nennen, Kosenamen waren ja auch nichts für dich!", widersetzte sich Sergio. Ich schlug mit meinen Händen auf die Oberschenkel.
„Kosenamen sind auch peinlich!"
„Dir ist alles peinlich, Kind!"
„Ich bin älter als du!"
„So benimmst du dich aber nicht!"
Ich ließ einen empörten Laut aus. Dieser Mann war einfach so respektlos und frech, ich konnte es nicht fassen. Sergio schielte zu mir, hatte wohl bemerkt, dass er mit seinen Worten übers Ziel hinausgeschossen war. Aber wieder einmal interessierte es ihn nicht. Ich konnte nicht fassen, dass ich bei unserem ersten Treffen wirklich noch gedacht hatte, dass es nicht ganz so schlimm sein würde. Es würde tragisch sein. Er war ein riesiger Idiot und strohdumm dazu, er hatte absolut keine Ahnung auf was er sich da einließ und die Gefahr konnte er auch nicht deuten. Für ihn war das alles nicht mehr als ein Spiel, er verstand nicht, dass wir verdammte Probleme haben würden, wenn seine Eltern das herausfinden würden. Zumindest würde ich mir was anhören müssen von meinem Eltern. Keine Ahnung wie das bei ihm war, vielleicht waren die alle so komisch wie er.
„Oh Gott", keuchte ich, als ich die Kirche entdeckte. Das erste Mal in meinem Leben wirkte die Kirche gefährlich auf mich und nicht ruhig und entspannend, wie eigentlich.
„Du bist religiös, oder?", fragte Sergio, als er den Wagen geparkt hatte. Ich schnaubte. Zum Thema, das wir uns jetzt kennen würden. Er wusste nicht einmal, ob ich religiös war.
„Ich bin katholisch, meine Familie ist extrem religiös, ich vertraue auf Gott und gehe an Feiertagen in die Kirche!", erklärte ich. Der Spanier verdrehte seine Augen: „Bitte nicht gleich eine Lebensgeschichte!"
„Das ist wichtig!", zischte ich genervt, dass er wirklich nicht verstand, was Sache war. Sergio sah mich unbeeindruckt aus und stieg schließlich einfach aus dem Auto. Auch ich drückte die Tür auf, warf ihm einen bösen Blick zu, als er sie mir offen hielt.
„Ich bin keine Frau, ich krieg die Tür selbst auf!"
„Du bist aber zickig wie eine!", machte sich Sergio über mich lustig, was meine Laune nicht wirklich hob. Dennoch war ich auf so viel vernünftig, dass ich verstand, dass es jetzt darauf ankam, dass jeder glaubte, dass wir zusammen sind.
„Sergio!", hörte ich jemanden rufen. Super, nicht einmal eine Verschnaufpause war mir gegönnt.
Ich drehte mich um und entdeckte einen etwas älteren Mann, der definitiv zu Sergios Familie gehörte, sie ähnlich wie sie sich aussahen. Er steuerte direkt auf uns zu.
„Dachte schon du kommst nicht!", waren seine ersten Worte, als er bei uns ankam und Sergio mit einer, viel zu innigen Umarmung, umarmte. Gott, die waren hier alle viel zu anhänglich.
„Naja, er hat was gebraucht", flüsterte Sergio und deutete auf mich. Vermutlich dachte er, dass ich ihn nicht verstanden hatte, wenn sie spanisch sprachen, blöd nur, dass ich mich die letzten Wochen ans Spanische gesetzt hatte. Ich schnappte mir seine Hand und drückte sie extra fest, was ihm ein Keuchen entlockte.
„Ist er das?", fragte der Mann. Sergio nickte.
„Jorge, bin dein Onkel!", stellte er sich mir vor und wechselte ins englische. Mich frustrierte es, dass sein Englisch scheinbar nicht ganz so schlecht war, denn das bedeutete, dass ich mich mit ihm unterhalten müsste. Ich schlug in seine Hand ein: „Lukasz!"
„Schön dich auch mal kennenzulernen, Sergio hat eure Beziehung wirklich lange geheim gehalten!", grinste er. Ich lachte unsicher auf. Woran das wohl liegen mag.
„Deine Eltern sing schon in der Kirche!", erklärte Jorge.
„Dann gehen wir da auch rein!", schlug Sergio vor und zog mich hinter sich her. Ich folgte ihm einfach, mit dem Wissen, dass ich ohne ihn hier tausend Mal aufgeschmissener wäre, als mit ihm. Auch wenn es mit ihm auch nicht wirklich genial war. Auf dem Weg begrüßten wir noch so gut wie jeden, kaum einer kannte mich. Was ein Wunder. Vielleicht würde ich mich so später in eine Ecke verkrümeln und unauffällig abtauchen können. Ich wollte nur, dass dieser Tag endlich vorbei war, damit ich nach Hause konnte und Sergio und alles vergessen konnte.
„Sergio!", schallte eine weiteres Mal sein Name, diesmal in der Küche. Ich drehte mich zum Geräusch und entdeckte seine Schwester, die ich von Bildern kannte, die uns aufgeregt zuwinkte.
„Komm'", sagte Sergio und deutete zur Familie.
„Geh langsamer!", meinte ich und zog ihn zu mir: „Wir rempeln alle um!"
Ich deutete auf die älteren Gäste, für die wir viel zu schnell waren. Sergio seufzte und verlangsamte sein Tempo zur Bank. Unsere Hände waren nebenbei noch immer verbunden, was ich unfassbar unangenehm fand. Aber wenigstens waren sie nicht ganz so rau, wie ich sie erwartet hätte.
„Ah, hast du deinen Schatzi mitgebracht?", wurden wir von Miriam begrüßt, die mir direkt breit zulächelte. Ich lächelte, weitaus weniger breit.
„Ach Schatz, schön, dass du ihn mitbringst!", Sergios Mutter drückte ihm einen Kuss auf die Wange, wobei er seinen Kopf wegzog, da ihm das alles ganz offensichtlich peinlich war. Da musste sogar ich kurz grinsen. Gut zu wissen, dass er auch so etwas wie Scham besaß.
„Und du bist Lukasz?", fragte sie mich. Warum konnte jeder englisch? Ich nickte leicht.
„Ach, komm' her!"
Ohne dass ich wirklich die Chance hatte zu widersprechen, zog sie mich in ihre Arme und gab mir einen Kuss. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass ich Körperkontakt mit fremden nicht wirklich mochte? Und Küsse allgemein nicht wirklich?
„Sese hat die letzten Wochen nur über dich geredet!", meldete sich auch René zu Wort und gab mir die Hand. Ich schöpfe zu Sergio. Im Ernst jetzt? Scheinbar schon, denn Sergio lief rot an, als sein Bruder dies sagte. Dennoch ließ ich es unkommentiert, da es ja eigentlich keine Überraschung sein sollte, dass jemand über seinen Freund sprach. Wir begrüßten noch den Rest der engen Familie, bestehend aus seinem Vater und seinen Großeltern, bevor wir irgendwo in der Mitte der Bank Platz nahmen.
„Du hast über mich geredet?", fragte ich ihn leise ins Ohr.
„Ich hab mich in die Rolle eingeübt!", wollte er sich rausreden. Ich lachte: „Is klar!"
Er sah zu mir und kurz fand ich ihn unfassbar schnuckelig, so wie er mich angrinste. Kurz schlug mein Herz höher. Aber nur kurz, denn dann schlugen die Kirchenglocken und die Hochzeit fand ihren Anfang.
Die Zeremonie war nicht wirklich schlimm, mal abgesehen davon, dass ich so oder so kaum etwas verstand, was der Pfarrer vorne predigte. Zu meinen Vokabeln hatten schließlich keine Kirchenwörter gehört. Sergio schien allerdings auch nicht wirklich zuzuhören, war immer wieder am Handy, was dann wohl doch traurig war. Schließlich heiratete seine Cousine. Die nebenbei umwerfend aussah. Einmal machte ich ihn auch darauf aufmerksam, sein Handy wegzupacken, hörte dann allerdings seine Schwester, die sagte hör auf deinen Freund und dann bemerkte auch ich, dass ich mich jetzt wirklich wie sein Partner angehört hatte. Also ließ ich solche Kommentare fürs weitere stecken.
Aufregend oder eher nervenaufreibend wurde es erst, als sich die Gäste im Saal sammelten, wo die Feier stattfinden sollte.
„Siehst du, war ja gar nicht so schlimm!", lachte Sergio, als wir nach unseren Plätzen suchten.
„Ne, das schlimme kommt ja noch!", brummte ich. Mal abgesehen davon, dass die Geschenkübergabe schon unfassbar peinlich war, da der Depp namens Sergio sein Geschenk erst noch aus dem Auto holen musste.
„Nur am quengeln!", brummte Sergio lachend. Ich boxte ihm gegen den Oberarm.
„Eyyyy!", lachte er.
„Sergio, Lukasz, kommt mal!", rief uns dann eine Stimme. Ich sah mich in Saal um und entdeckte seine Schwester, die uns zu sich winkte. Sergio legte seine Hand auf meinen Rücken und schob uns vor.
„Wenn wir gleich was trinken, dann ist alles besser!", flüsterte er ins Ohr. Ich lachte auf: „Ich besaufe mich doch nicht!"
„Naja, dann wird's schwer für dich!"
„Du betrinkst dich auch nicht, du fährst noch!"
„Hier sind keine Kameras!"
Ich wollte dagegen protestieren, doch in dem Moment kamen wir bei seiner Schwester an, die eine Kamera hielt.
„Stellt euch mal dahin, ich möchte ein Foto von euch beiden machen!", scheuchte sie uns vor die Wand. Wir stellten uns dahin.
„Ihr seit sich keine Fremde, ein bisschen mehr Körperkontakt!", meinte sie. Doch, wir sind Fremde, dachte ich mir, stellte mich aber zeitgleich näher zu Sergio. Ich hätte ja niemals erwartet, dass er mich auf einmal auf die Wange küssen würde. Aber genau das tat mir und so überraschend wie das war, war der Schock in meinem Gesicht wohl im Bild eingefangen.
„Spinnst du?", zischte ich leise.
„Es muss ja irgendwie realistisch wirken!", brummte er. Ich sah ihn genervt an: „Dann sag wenigstens was!"
„Ich hab nicht Herpes oder so, da passiert nichts, wenn ich dich küsse, entspann dich!"
„Wie soll ich mich hier denn bitte entspannen?"; quiekte ich und wollte meine Rede weiter fortführen, als Sergio seine Finger über meine Lippen legte.
„So, pscht!", flüsterte er: „Alles läuft genial! Ganz ruhig!"
Ich wollte widersprechen, weil ruhig wohl das letzte war, was ich war, aber Miriam kam zu uns und zeigte uns die Fotos.
„Ja, die sind schön!", murmelte ich nebensächlich und ließ dann eigentlich eher Sergio reden. Die Nervosität, die ich kurz verloren hatte, war nun wieder da und kostete mich alle Nerven.
Dementsprechend erleichtert war ich auch, als wir endlich an den Tischen Platz nehmen konnten, auch wenn ich unpraktischerweise neben Sergios Oma saß, die unfassbar viel über mich wissen wollte. Aber solange es nur über mich war, war das ja noch okay. Sergio saß neben mir und redete mit seiner Mutter, sodass alles eher entspannter war. Es war okay, ich wartete dennoch darauf, dass alles aufflog.

Fußball Kurzgeschichten || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt