Teil 4 Ichimatsu

20 2 0
                                    

Karamatsu zog mich etwas näher an sich heran. Seine Arme zitterten. Überfordert stand ich da und wusste nicht genau was ich tun sollte. Allein die Tatsache, dass mich jemand, an den ich mich nicht erinnerte, einfach so umarmte und wegen irgendetwas auch noch zum weinen anfing, machte mich unsicher. Bis eben schien er noch so glücklich zu sein.

Ist es meine Schuld, weil ich ihn gebeten habe von mir zu erzählen?

Meine Augenlider wurden etwas schwerer. Er schien mich wirklich gemocht zu haben. Was habe ich getan um so etwas zu verdienen?

Ich spürte seinen unregelmäßigen Atem in meinem Nacken. Die Hände, die mich fest an sich drückten, dachten nicht darüber nach mich in absehbarerer Zeit wieder loszulassen. Zumindest kam es mir so vor. Seltsamerweise machte es mir jedoch nichts aus. Es kam mir sogar vertraut vor, auch wenn ich erst noch herausfinden musste warum. Jetzt schien mir jedoch eine schlechte Gelegenheit zu sein ihn danach zu fragen.

Was hat er getan, um so etwas zu verdienen?

Ich fühlte seine Wärme an meinem Körper. Seine Arme zitterten noch immer. Hat mein Gedächtnisverlust ihm so viel Kummer bereitet? Bin ich der Grund weswegen er weint?

"Karamatsu....", flüsterte ich. Es dauerte eine Weile bis ich eine Antwort bekam.

"Tut mir leid...", in dem Moment als er sich von mir löste verspürte ich eine Leere in meinem inneren, die ich noch nie zuvor verspürt hatte. Oder vielleicht habe ich das, aber kann mich nur nicht mehr daran erinnern?

Er drehte mir den Rücken zu, steckte seine Sonnenbrille auf seinen Kopf und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Während ich ihn dabei beobachtete schien meine Stimmung immer schlechter zu werden. Wenn ich wirklich der Grund war, weshalb er so verletzt ist....wäre es dann nicht besser gewesen, wenn ich nie aufgewacht wäre?

"Das is wohl nicht die beste Art Leute neu kennen zu lernen, was?", während er das sagte, drehte er sich wieder zu mir und lächelte mich an. Sein Lächeln schien erzwungen. Es wirkte mehr traurig als froh, aber ihm schien es wirklich wichtig zu sein mich nicht zu verletzen. Sonst würde er sich nicht so viel Mühe geben seine Maske aufrechtzuerhalten.

"Warum hast du geweint?", sprach ich die Frage aus, die mir schon eine Weile auf der Zunge brannte.

"Weil ich glücklich bin dich zu sehen, natürlich.", log er, griff nach meiner Hand und zog mich weiter in die Richtung in die wir bis eben gegangen waren. Ich beschloss es vorerst dabei zu belassen, da er offensichtlich nicht darüber reden wollte. Stattdessen lief ich den Rest des Weges schweigend neben ihm her.

Vor einem kleinen Haus blieb er stehen. Das Haus besaß einen Balkon, aber keinen Garten. Hier sollte ich aufgewachsen sein? Jetzt doch von der Neugier gepackt sah ich mich in der Nachbarschaft um. Zu meiner Enttäuschung konnte ich mich jedoch an keines der Gebäude mehr erinnern.

Ein Junge in einem grünen Shirt öffnete die Tür. Die Tatsache, dass alle der Jungs Shirts in derselben Farbe trugen wie die, die sie schon Gestern anhatten, erleichterte es mir etwas, mir die Namen einzuprägen.

"Also du", ich zeigte auf den schwarzhaarigen in dem Pinken Shirt "bist Totty." Wir saßen alle zusammen im Wohnzimmer an einem runden Holztisch.

"Eigentlich heiße ich Todomatsu.", er lächelte leicht. "Aber Totty ist auch in Ordnung."

Warum mussten sie alle Matsu heißen? Matsu, Matsu, Matsu, Matsuri! Das fehlte noch. Haben wir ne Schwester die Matsuri heißt? Wie wäre es mit Matsuka? Matsuki?

"Alles ist gut.", versuchte mich der im roten Pulli aufzumuntern. "Dann brauchst du halt ein wenig Länger bis du dir unsere Namen gemerkt hast. Was soll's." Als ich zu ihm Blickte, lächelte er mich an.

"Aber ist das nicht komisch? Wenn er sich nicht mal an-", Totty hielt dem Grünen die Hand vor den Mund und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er wurde bleich und schien nichts weiter sagen zu wollen.

"Du wirst dein Gedächtnis sicher bald wieder zurückbekommen.", sagte Todomatsu dann an mich gerichtet und ließ den Grünen los, der sprachlos auf den Tisch blickte.

"Ganz sicher.", meinte der zwanzig Jährige im gelben Shirt. "Oh ja ich weiß, lass uns eine Hausführung machen!!", fügte er dann noch hinzu.

"Gute Idee.", meinte Karamatsu, der bis eben still gewesen ist. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen.

Rotpulli sprang auf und folgte Jyushimatsu aus dem Raum. Ich stand ebenfalls auf und lief, dicht gefolgt von Karamatsu, den beiden hinterher. Zuerst zeigten sie mir die Küche. Es war eine relativ kleine Küche, die keinen Esstisch besaß.

"Wir essen im Wohnzimmer.", warf Rotpulli ein und holte sich derweil ein kaltes Radler aus dem Kühlschrank, bevor er seine Tour in Richtung Bad fortsetzte.

"Wir baden im städtischen Schwimmbad?", fragte ich ungläubig. Für was besaßen wir dann eine Dusche und eine Badewanne?

"Ma meinte die Wasserkosten wären zu hoch, wenn wir alle hier Baden würden.", sagte Jyushimatsu, der gut gelaunt neben Rotpulli stand.

"Habe ich eigentlich auch nur Violette Klamotten?", wollte ich wissen, als wir im Schlafzimmer angekommen waren, welches drei Schränke besaß.

"Ja.", meinte Rotpulli knapp.

"Warum?" Ist das meine Lieblingsfarbe gewesen?

"Damit Ma uns auseinanderhalten kann.", meinte Jyushimatsu. Sie kann ihre eigenen Kinder nicht auseinanderhalten? Naja wir sehen uns schon irgendwie ähnlich, aber ich dachte eine Mutter könnte so was....

Erst jetzt fiel mir auf, dass weder der im grünen Shirt noch Totty die Tour mitgemacht haben. Ich schenkte dem jedoch nicht länger Beachtung und folgte stattdessen dem roten Pulli auf den Balkon.

"Hier ist es ganz schön hell.", bemerkte ich und zwinkerte ein paar Mal, damit sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnten.

"Deswegen bist du auch fast nie hier oben.", sagte Osomatsu, dessen Namen ich mir mittlerweile eingeprägt hatte, und lief dann wieder die Treppen herunter.

Karamatsu folgte uns wie eine Marionette. Ich frage mich, ob das weswegen er vorhin geweint hat, ihn wirklich so sehr belastet. War das Gestern schon so gewesen?

Jetzt wo ich so darüber nachdachte sah er Gestern ziemlich mitgenommen aus kurz bevor sie gingen. Plagte ihn das schon seit längerem?

In Gedanken verfehlte ich eine Stufe. Wenige Sekunden später spürte ich Osomatsus Hände an meinen Oberarmen. "Geht es dir gut?"

"Ja...ich war nur unaufmerksam. Danke.", bedankte ich mich dafür, dass er mich aufgefangen hatte. Er blickte mich kurz an bevor er mich losließ. Dann warf er einen Blick in Richtung Karamatsu, der das offensichtlich gar nicht mitbekommen hatte, weil er so sehr in seine Gedanken vertieft war.

"Pff. Idiot.", zischte Osomatsu und lief weiter. Irritiert folgte ich ihm nach unten, wo der Grüne und Totty bereits im Wohnzimmer am Tisch auf uns warteten. Totty sah glücklich aus als er uns sah und lächelte mich erneut an, der grüne hingegen schien sich unwohl zu fühlen. Seine Augen wanderten von Totty zu uns. Als wir uns zu ihnen setzten entspannte auch er sich. Ich frage mich, was hier unten geschehen war, als ich nicht hier war.

Vergiss mich nicht/Ichikara FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt