Teil 5 Karamatsu

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"Du siehst müde aus.", sagte ich bei Ichimatsus Anblick. Seine Augen waren auf den Tisch gerichtet und er sah nachdenklich aus.

"Der sieht immer müde aus.", Osomatsu grinste und nahm Ichimatsu in den Schwitzkasten. Ichimatsu versuchte sich das dem Griff des älteren zu winden und schaffte es auch keine zwei Sekunden später.

"Und du solltest öfters Baden gehen. Ist ja ekelhaft." Ich musste lachen, auch die anderen lachten.

"Du musst aber mit kommen.", sagte der im roten Pulli und zog Ichimatsu in eine Umarmung. Mein lachen verstummte. Er blickte zu mir und grinste. Ich verengte meine Augen und wollte aufstehen, doch Choromatsus Hand auf meiner Schulter hinderte mich daran.

Ich sah zu dem Grünen. Er blickte mich an, als wollte er mir sagen, dass ich nur noch Ichimatsus Bruder war. Obwohl er mir diesen Blick zuwarf, dachte ich in seinen Augen etwas Mitleid entdecken zu können.

"Ich gehe schlafen.", sagte ich, stand auf und verließ den Raum. Meine Hände waren zu Fäusten geballt. Er hatte Ichimatsu angefasst und das auch noch auf diese Weise. Wollte er mich provozieren?

Der Gang war so dunkel, dass ich nur die Umrisse der Gegenstände um mich herum ausmachen konnte. Ich tapste auf den Holzdielen an der Wand entlang, auf der Suche nach einem Lichtschalter, den ich letztendlich auch fand.

Ich knipste das Licht an und stieg die Treppen nach oben. An unserem Schlafzimmer lief ich vorbei und betrat stattdessen den Balkon.

Leichte Windzüge wehten mir entgegen, als ich die Tür öffnete und mich an das Geländer lehnte. Einmal atmete ich durch und schloss meine Augen. Kaum hatte ich dies jedoch getan, kamen die Erinnerungen an Ichimatsu wieder hoch. Wie wir hier nebeneinander standen, ich einen Arm um ihn legte und ihn zu mir sog, nur um von ihm gegen die Wand gedrückt und geküsst zu werden, bevor....

Ich öffnete meine Augen, als jemand hinter mir die Tür öffnete. "Ich dachte du wolltest schlafen gehen." Meine Augen verengten sich wieder, als ich diese Stimme hörte.

"Was willst du, Osomatsu?", fragte ich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Am liebsten würde ich ihn erwürgen. Meinen Ichimatsu auf diese Weise zu berühren....auch noch dann, wenn er in diesem Zustand ist....

Er schloss hinter sich die Tür und stellte sich neben mich. Die Ellenbogen legte er auf dem Geländer ab. "Ich kann es nicht ertragen meinen kleinen Bruder so niedergeschlagen zu sehen."

"Aber du hast doch-", mein Blick schnellte zu ihm.

"Ichimatsu umarmt?", er erwiderte den Blickkontakt. "Ichimatsu erinnert sich an nichts. Und selbst wenn er sich irgendwann daran erinnern wird, glaubst du ernsthaft, dass er dann wieder mit dir zusammen sein will?"

Seine Worte brannten sich in meine Seele wie Fegefeuer. "Wovon redest du? Natürlich wird Ichimatsu....", mein Blick sank auf meine Hände, welche sich um das Geländer Schlangen, als wären sie das einzige, dass mich noch daran hindern würde von dort herunterzuspringen.

In Wahrheit war ich mir selbst nicht sicher, ob er, nachdem er seine Erinnerungen zurück bekommen hatte, wirklich noch mit jemandem wie mir zusammen sein wollte.

Jemandem wie mir? Hatte er mich mit dieser Denkweise etwa angesteckt?

"Karamatsu.", flüsterte mein großer Bruder meinen Namen und legte seinen rechten Arm um meine Schultern. "Du weißt ganz genau, dass Ichimatsu, so wie er jetzt ist, damit gar nichts anfangen könnte. Ich kenne dich. Ich weiß, dass es dir schwer fällt das zu glauben, aber Ichimatsu liebt dich nicht mehr. Und die Chance, dass er es jemals wieder wird ist so gering wie beim Pachinko zu gewinnen." Meine Augenlider wurden immer schwerer.

Das schlimme daran ist, dass er recht hat. Selbst wenn Ichimatsu seine Erinnerungen zurück bekommt, wird er mich nicht mehr lieben, da er es zu diesem Zeitpunkt auch nicht tut. Und ich mache mir Hoffnungen wo keine sind.

"Es wäre das beste für dich und auch für ihn, wenn du ihn endlich aufgeben würdest."

Meine Augen wurden glasig. Die Wahrheit ist zu schmerzhaft.

"Karamatsu....?" Ich zog Osomatsu in eine Umarmung, krallte meine Hände in seinen Pulli und verbarg meine Augen vor seinem Anblick. Ichimatsu war der einzige vor dem ich jemals geweint hatte und mein Selbstbewusstsein wollte das dabei belassen. Ich konnte nicht zulassen, dass jemand anderes wie er.....jemand anderes wie er mich so sah. Wie soll ich jemals mit jemand anderem wie ihm glücklich werden?

Ich spürte Osomatsus Hände an meinem Rücken. "Alles ist gut. Dein großer Bruder ist hier."

"Warum musste das passieren? Was habe ich denn getan, um das zu verdienen? Wir waren doch erst seit kurzem zusammen und jetzt....", immer mehr Tränen bahnten sich den Weg über meine Wangen. Ganz egal wie sehr ich versuchte sie zurück zu halten, es funktionierte nicht.

"Beruhig dich.", er strich mir über den Rücken. "Alles wird gut. Du wirst schon jemand anderes find-", ich stieß ihn von mir weg.

"Ich will niemand anderen wie Ichimatsu. Nur er....", erst jetzt erinnerte ich mich, dass er mich weinen sehen konnte. Schnell drehte ich mich um und wischte mir mit dem Handrücken über die nassen Augen.

"Ich weiß, dass es schwer für dich ist." Schwer war gar kein Wort dafür. "Aber er wird sich sicher auch in Jemand anderen verlieben. Das passiert nun mal."

"Du hast doch keine Ahnung von gar nichts.", ich hielt mich mit der linken Hand am Geländer fest. "Man kann nicht einfach über jemanden hinwegkommen. Das geht nicht und schon gar nicht bei ihm."

"Was findest du überhaupt an ihm?", fassungslos schaute ich zu meinem älteren Bruder. "Ist es, weil er dasselbe Gesicht hat wie du?"

"Wie kommst du auf so einen Quatsch?! Er ist anders wie ich.", ich wandte meinen Blick wieder ab. "Er ist in allem besser wie ich. Wenn er wollte, könnte er jeden haben den er will. Das war schon damals in der Schule so." Ich atmete aus. "Ich kann ihn nicht einfach vergessen. Verdammt! Ich will ja genau das Gegenteil."

Ich fühlte ein paar Arme um meinen Rücken. "Du weiß, dass du Ichimatsu nicht mehr anfassen solltest. Zumindest nicht so, wie du es vermutlich willst."

"Worauf willst du hinaus?"

"Wenn du Ichimatsu so sehr berühren willst, dann schließ die Augen", er beugte sich etwas vor und flüsterte mir ins Ohr, was mir einen Schauer über den Rücken jagte "und stell dir vor ich wäre er."

Vergiss mich nicht/Ichikara FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt