Teil 10 Ichimatsu

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Auf dem Weg nach Hause sagte Karamatsu nichts. Es war ungewöhnlich für ihn nichts zu reden. Zumindest war er in den letzten paar Tagen sehr gesprächig gewesen.

Ich wollte ihn fragen was los war, aber die Worte wollten meine Lippen nicht verlassen.

Mein Blick lag vor meinen Füßen auf dem Boden. Der Himmel war bewölkt, aber es sah nicht nach Regen aus. Zumindest nicht bis wir zuhause ankamen.

Der Wind wehte noch immer leicht und fegte ein paar Blätter vor uns über den Boden.

Als ich im Augenwinkel zu Karamatsu sah, bemerkte ich wie leer sein Blick schien. Es sah fast so aus, als wären seine Gedanken ganz wo anders und er würde es nicht einmal bemerken, wenn er vor ein fahrendes Auto lief.

"Hey, ist alles in Ordnung?", brachte ich dann doch zwischen meinen Lippen hervor. Ich wusste nicht wieso, aber seine nachdenkliche Stimmung schien auf mich abzufärben. Vielleicht dachte er über etwas wichtiges nach und ich nervte ihn nur....

Schnell wandte ich meinen Blick ab und sah wieder nach vorne. "Ja....", sagte er nach einer kurzen Zeit, machte aber keine Anstalten weiter zu sprechen.

"Das klang nicht sehr überzeugend.", ich krallte meine Finger, die sich in meinen Jackentaschen befanden, in den Stoff der Jacke. Musste ich nachhaken? Was wenn er nicht darüber sprechen will? Was wenn er nicht mit mir darüber sprechen will?

Bin ich dumm? Warum denke ich so etwas. Natürlich würde er....es sei denn....

Seit ich mit diesem Mädchen gesprochen habe benimmt er sich schon so komisch. "Sag mal, kann es sein, dass du auf Koko stehst?"

"Hä?", sein Blick schnellte zu mir. "Wie kommst du denn jetzt da drauf?"

"Naja.", fing ich an und schaute dabei nach vorne, da ich ihn aus einem mir unbekannten Grund nicht ansehen konnte. "Es ist nur, seitdem ich mit ihr geredet habe, benimmst du dich irgendwie seltsam. Also dachte ich-"

Er unterbrach mich. "Ach ehrlich?! Eh also ich-", er unterbrach sich selbst, drehte den Kopf von mir weg, räusperte sich und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Das ist mir gar nicht aufgefallen."

Es stimmt also. Meine Augenlider wurden etwas schwerer.

"Eigentlich wollte ich dich das fragen.", jetzt sah er wieder zu mir.

"Mich?", ich blickte zu ihm.

"Ihr habt euch gut verstanden, oder?", sagte er mit einem Unterton, den ich nicht recht deuten konnte. Es hörte sich so an, als ob er versuchte freundlich und glücklich zu klingen, obwohl er dies nicht war. Das allein schien meinen Verdacht zu bestätigen.

Ich wandte meinen Blick ab, sah wieder nach vorne und nickte. Ich wollte ihn nicht verletzen. So wie sie aussah schien sie öfters trainieren zu gehen. Karamatsu meinte ja, dass er ebenfalls schon länger ins Fitnessstudio geht. Die beiden unterhalten sich sicher oft.

"Ich habe es mir anders überlegt.", total verwirrt blickte ich wieder zu ihm. Er packte mich am Handgelenk und lief in die Richtung eines Supermarktes. "Lass uns Onigiri kaufen gehen."

Vollkommen überfordert ließ ich mich mit ziehen.

"Das war dein Lieblingsessen. Das wird dir sicher helfen dich an etwas zu erinnern.", sagte er mit Blick nach vorne.

"Wie kommst du jetzt plötzlich darauf?"

"Ich habe mir vorgenommen dir deine Erinnerungen zurückzubringen und du kannst mich nicht davon abhalten."

"Warte mal. Warum sollte ich dich davon abhalten wollen?"

Sein Griff um mein Handgelenk wurde etwas fester. Ich verstand immer noch nicht auf was er hinaus wollte. Warum sollte ich meine Erinnerungen nicht zurück wollen? Ist irgendetwas schlimmes passiert, an das ich mich jetzt nicht mehr erinnern kann?

Während ich in Gedanken versunken war, betrat Karamatsu bereits den Supermarkt. Ich folgte ihm etwas unbeholfen. Vor dem Kühlregal ließ er mein Handgelenk los und wandte seine Aufmerksamkeit dem Fertigessen zu.

Im unteren Regal standen Sandwiche, gleich darüber reihten sich Salate aneinander. Direkt vor meinen Augen standen abgepackte Gerichte und in dem Regal darüber lagen Onigiris mit allen erdenklichen Füllungen. Meine Augen weiteten sich etwas bei dem Anblick. Wie soll ich wissen, welches am besten schmeckt?

"Welches davon schmeckt mir am besten?", fragte ich meinen Bruder. Mein Blick hing noch immer an den Reisbällen. Sie sahen alle verdammt lecker aus, auch wenn ich mich an den Geschmack der einzelnen Reisbällchen nicht erinnern konnte.

"Welches glaubst du?"

"Die sehen alle lecker aus.", gab ich von mir ohne nachzudenken, woraufhin Karamatsu lachen musste. "Was ist so witzig daran?", ich fühlte wie mir das Blut ins Gesicht schoss.

"Nichts. Nichts.", er regte sich langsam wieder ab. "Such dir welche aus. Wir haben genug Geld dabei."

Das musste er nicht zwei Mal sagen. Ich nahm mir vier Onigiri aus dem Regal heraus, eines sah leckerer aus als das andere und legte sie an der Kasse ab. Karamatsu holte sich ebenfalls etwas aus dem Kühlregal und folgte mir dann. Nachdem er bezahlte, bedankte ich mich bei ihm.

"Das Geld kommt von unserer Mutter. Dafür musst du dich nicht bei mir bedanken.", er lächelte nervös. Er arbeitete also nicht.

"Arbeitet eigentlich irgendjemand von meinen Brüdern?", dies zu sagen fühlte sich immer noch seltsam an, wildfremde Leute als meine Brüder zu bezeichnen.

"Also was das angeht...", er kratze sich verlegen am Hinterkopf und verließ nach mir den Supermarkt. "...nein, also nicht wirklich."

Ich nickte. Eigentlich war es mir egal. Zuhause faul herumzuliegen ist sowieso zehn Mal besser als irgendwo zu arbeiten.

Wir setzten uns auf eine nahegelegene Bank und packten unser Essen aus. Voller Vorfreude biss ich in eines der Onigiri. Es war das leckerste, was ich jemals gegessen habe. Falls drei Tage als jemals zählten.

"Sind sie gut?"

"Sie sind perfekt.", sagte ich und verputzte sie einen nach dem anderen.

Vergiss mich nicht/Ichikara FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt