2. Das Meer

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Die Wellen rauschten bei jedem mal, als sie auf den Strand zurollten. Das Mädchen mit den braunen Haaren stand mit ihren Füßen im unruhigen Wasser. Außer ihr war niemand an diesem Strand. Jeden Tag kam sie hier her, um das Meer zu beobachten.
An manchen Tagen war das Meer ganz ruhig, sodass sich die Sonne darin spiegelte. An anderen Tagen tobte das Meer ganz fürchterlich, sodass es wirkte als wäre das Meer selbst wütend. Ganz selten geschah es auch, dass das Meer von der einen auf die andere Sekunde zu Toben anfing.
Ein starker Windzug wirbelte durch das Haar der Braunhaarigen. Noch immer blickte sie wie hypnotisiert in die störrischen Wellen. Es war ein kühler Herbsttag und das Meerwasser war kalt, das Mädchen fröstelte schon. Trotzdem ging sie tiefer in das Wasser hinein.
Die Kälte schien ihr eine rechte Bestrafung für das was sie getan hat. Die Wellen wurden stürmischer und der Wind frischte auf. So wie sie nun zu weinen anfing, weinte das Meer mit ihr; Schritt für Schritt ging sie tiefer in das Wasser hinein. Das Wasser reichte ihr nun bis zur Hüfte. Die Braunhaarige war verzweifelt durch diese bedrückende Einsamkeit, die sie fühlte. Doch die Kälte des Meeres lud sie ein ihren Schmerz zu vergessen und weiter hinaus zu gehen.
Es fiel ihr schwer weiter vorran zu kommen, da die starken Wellen sie immer wieder zurück drückten. Trotzdem ließ sie sich nicht von ihrem Weg abbringen. Auch wenn durch ihre Tränen ihre Sicht verschwamm, so wusste sie dennoch,dass das wilde Meer sie von ihrem ewigen Schmerz erlösen würde. Tiefer und immer tiefer ging sie in das Wasser hinein. In Gedanken versanken, bis sie kaum noch stehen konnte.
Die nächste Welle könnte sie schon unter Wasser drücken und sie fort von hier bringen. Obwohl sie Angst vor den mächtigen, kalten Wellen hatte, verharrte sie dort. Zu lange war sie allein gewesen und hatte sich in das Meer verliebt, ohne das ihr ein anderer auch bloß zuhörte. Der Trotz aus diesem Schmerz war ihr törichter Mut.
Die nächste Welle kam und zog sie unter die Wasseroberfläche. Selbst ihre monströse Angst erstarrte bei der Kälte, die sie umhüllte. Ihre Tränen vermischten sich mit dem Meerwasser und der Schmerz, den beide hatten, schien sich nun zu vereinen. Sie spürte, wie ihre Wärme wich und ihr Körper schwer wurde. Selbst wenn sie versuchte hätte, sich zu retten, wäre sie gescheitert, denn das Schwimmen hatte ihr niemand beigebracht. So versank sie in ihrem geliebten, kalten Meer, um ihren Schmerzen ein Ende zu bereiten, und auch der Spaziergänger am Strand erkannte ihre Not nicht.
Alles was sie noch dachte war: „Wenigstens bin ich frei ..."

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