Bauchschmerzen

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Aber es gibt da diesen einen Jungen. Tobio Kageyama. Er ist groß, hat schwarze Haare und blaue Augen und er ist einer der besten Setter, die ich kenne. Er war sogar schonmal bei einem Trainingscamp der Jugendnationalmannschaft Japans. Oh man, war ich da neidisch auf ihn. Wir haben nämlich immer das Bedürfnis uns miteinander zu messen. Und als er dann ausgewählt wurde und ich nicht, war das wie eine Niederlage für mich. Aber das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen und bin dann in ein anderes Camp, durfte ich zwar nicht, aber ... Ist ja auch egal.

Am Anfang konnte ich ihn zwar gar nicht leiden, aber mittlerweile, naja ... Ich glaube, ich mag ihn ein bisschen zu sehr. Ich denke zwar nicht, dass er mich hasst, aber er hat definitiv nicht die gleichen Gefühle für mich, wie ich für ihn.
Wenn ich in seiner Nähe bin, habe ich immer das Gefühl, dass mein Herz explodieren würde. Und wenn er mir dann zuspielt ..., dieses Gefühl ist einfach nur - wow. Zuerst macht es Zoink, dann Swoosh und dann so Kabaam!
Wenn ich bei ihm bin und dieses Pochen sich verstärkt, dann fühl ich mich nicht mehr leer.
Kageyama sieht die meiste Zeit total griesgrämig aus, aber wenn er Volleyball spielt und einer seiner Zuspiele perfekt ins Feld geschlagen wird, dann lächelt er auch manchmal. Und in solchen Momenten geht mein Herz auf.

Das ist gerade eine Sache, auf die ich mich versuche zu konzentrieren, dass wenn ich es nicht mehr schaffe, vom Herzen zu lächeln, dass ich wenigstens ihn so sehen kann. Und dafür, ihn so lächeln zu sehen, würde ich alles tun. Jedoch klappt auch das, wie so vieles, in letzter Zeit gar nicht mehr.
Die letzten Trainings liefen nicht so wie ich wollte. Keiner meiner Angriffe war richtig erfolgreich. Kein direkter Punkt. Und darum kam auch kein Lächeln von Kageyama an mich. Das hat mich dann irgendwie nur noch mehr runtergezogen.

Ich glaube, ich lasse das Training heute ausfallen. Ich habe sowas zwar noch nie gemacht, aber mir geht es heute so schlecht wie lange nicht mehr noch dazu habe ich noch diese furchtbaren Bauchschmerzen und wenn ich dann weiter trainiere, behindere ich nur die anderen und das kann ich nicht zulassen.
Noch bevor alle anderen da sind, bin ich schon an der Halle und warte auf Daichi, unserem Kapitän, der zusammen mit Suga gerade auf mich zukommt. Also gehe ich zu den beiden hin: „Ich mach das wirklich nicht gerne, aber ich wollte euch bitten mich vom Training zu entschuldigen. Mir geht's heute wirklich nicht gut und ich möchte nicht, dass das Training darunter leidet."
Daichi nickt sofort und meint dann: „Ja, geh lieber nach Hause und ruh dich aus. Ich vermisse schon deinen und Kageyamas Schnellangriff."

Und weil ich einfach vom ‚Glück' verfolgt werde, kommt genau in diesem Moment ein gewisser gut aussehender Zuspieler, mit einem Milchpäckchen in der Hand, schlürfenderweise  um die Ecke geschlendert, direkt auf uns zu.
Schlagartig fühlt sich meine Haut an als könnte man Spiegeleier darauf zubereiten. Das Salz, welches mir gerade nur so im Schweiß von der Stirn tropft, gibt es kostenlos dazu. Suga, der das Ganze anscheinend mitbekommen hat, sagt dann: „Hinata! Hast du Fieber? Kageyama, kannst du ihn bitte nach Hause bringen? In dem Zustand würde ich ihn ungern auf dem Fahrrad über den Berg fahren lassen." Das Ganze sagt er jedoch mit einem Grinsen auf den Lippen, welches anscheinend nur ich sehe, weshalb ich glaube, dass er weiß, dass das kein Fieber ist. Woher weiß er sowas denn immer als Erstes?

Kageyama nickt nur stumm und begleitet mich dann zu den Fahrradständern. Er hat so reine Haut und seine Lippen sehen so weich aus. Wie es wohl sein würde, wenn sie meine berühren würden?
Ich werde von ihm aus meinen Gedanken gerissen.
„Hey du Idiot. Komm jetzt endlich. Wenn du da jetzt noch länger rumstehst, dann wirst du noch kränker als du es jetzt schon bist. Das willst du doch nicht, oder?"
Ich schüttle nur den Kopf. War ich etwa so in Gedanken versunken, dass ich einfach stehengeblieben bin? Aua. Fuck, mein Bauch. Kann nicht wenigstens der mal aufhören so weh zu tun? Ich werd hier noch wahnsinnig.„Hinata, alles okay bei dir?"
Mist, ich war schon wieder bei der Sache.
„Jaja, alles gut. Mir ist nur ein bisschen kalt." Im nächsten Moment bleibt Kageyama stehen.
„Kag..." Er zieht sich seinen Pulli aus und drückt ihn mir in die Hände. „Hier, zieh den an, dann ist dir bestimmt gleich wärmer."
Total nervös ziehe ich mir seine Hoodie über. Er riecht so nach ihm und das macht mich noch wuschiger als ich es eh schon bin. Als ich dann fertig bin, merke ich mal wieder wie viel größer Kageyama eigentlich als ich ist. Der Pulli geht mir bis zur Mitte der Oberschenkel und auch die Ärmel sind natürlich viel zu lang. Ich sehe wahrscheinlich aus wie ein Kartoffelsack. Aber um Nichts der Welt würde ich diesen Hoodie wieder ausziehen wollen. Anscheinend hatte ich mit der Vermutung bezüglich des Kartoffelsacks Recht, denn auf einmal fängt Kageyama an lauthals an zu lachen. Aber anstatt mir irgendwelche dummen Bemerkungen an den Kopf zu werfen, meint er einfach nur: „Das sieht jetzt aber mal echt süß aus." Sofort färben sich meine Wangen nur noch mehr, aber auch er ist sich wahrscheinlich nicht mehr sicher, ob er das hätte sagen sollen, denn auch sein Gesicht gewinnt jetzt langsam an Farbe.
Ein Grinsen legt sich auf meine Lippen. Findet er wirklich, dass ich süß aussehe? Shoyo, Stopp! Hör auf dir Hoffnungen zu machen, dann wird alles nur noch schwieriger. Und mein Grinsen verschwindet wieder.

Den restlichen Weg nach Hause laufen wir schweigend nebeneinander her. An der nächsten Kreuzung müssen wir dann getrennte Wege gehen.
„Kageyama dein Pul...", sage ich, während ich mir schweren Herzens den Pulli ausziehen möchte, doch Kageyama hält mich auf.
„Ne, lass mal. Ich bring dich bis zu dir nach Hause, dann kannst du mir ihn dann wiedergeben. Ich habe nämlich keine Lust, dass du mir jetzt auf den letzten Metern umkippst, oder sowas. Ich meine, Suga hat ja extra gesagt, dass ich dich nach Hause bringen soll. Geht's dir eigentlich wieder ein bisschen besser? Hinata?"

Doch die letzten beiden Sätze bekomme ich nur noch so halb mit. Ich liege nämlich ein paar Meter hinter ihm in einer Art Fötusstellung und halte mir verkrampft meinen Bauch.
Kageyama kommt sofort zu mir gesprintet und hockt sich zu mir hin. „Hey Hinata, kannst du mir zeigen wo's genau weh tut?"
Aber ich kann es nicht. Ich spüre noch wie Tränen aus meinen Augen fließen und er wahrscheinlich jemanden anruft aber danach wird mir langsam schwarz vor Augen.

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