And into the forest I go, to lose my mind and find my soul.
- John Muir -Fast zeitgleich mit uns trafen auch Jamie und Jona am Treffpunkt ein, wo Phoenix schon auf uns wartete.
„Na, sind alle bereit zum Jagen?"
Keiner gab eine Antwort, noch nicht mal Jamie. Man sah ihm an, dass er sich sehr anstrengen musste, um gefasst zu wirken.
Phoenix schürzte die Lippen und nickte einmal kurz, dann sagte er: „Okay, dann kommt mal mit. Wir werden als erstes die Waffen holen."
Als wir beim Armeegelände ankamen, sah alles genauso aus wie gestern Abend und ich atmete erleichtert auf. Ich hatte schon die Sorge gehabt, ich habe vorhin etwas übersehen.
Nacheinander bekamen wir die gleichen Waffen zugeteilt wie gestern, ich also die kleinen Messer, die wir in einem speziellen Waffengürtel verstauten. Ich hatte genau fünfzehn Messer rund um meine Hüfte verteilt und das Gewicht zog mich ganz schön runter. Ins Wasser damit zu springen war also keine gute Idee.
Olivia bekam wieder einen Speer zugeteilt, Jamie mehrere der großen, gezackten Messer, Reign eine Pistole mit zusätzlicher Munition und Jona ein großes Gewehr mit ebenfalls reichlich Munition an seinem Gürtel.
Phoenix band sich noch mehr Messer als ich an die Hüfte und hatte ebenfalls einen Speer, sowie eine Pistole.Anschließend packen wir unseren kleinen Rucksack noch mal neu, wobei wir dem Inhalt noch ein Erste-Hilfe-Set hinzufügten, was meine Aufregung wieder verstärkte.
Phoenix vergewisserte sich schließlich, dass wir alle bereit waren und ging dann gefolgt von unserer Gruppe los.
Unser erster Halt war die Oase.
Diesmal kam mir der Weg kürzer und leichter zu bewältigen vor als letztes Mal, was gut war, da wir noch ein ganzes Stück vor uns hatten.
Am See füllten wir unsere Flaschen auf und ruhten uns kurz im Schatten der Bäume aus.
Doch wirklich nur kurz, denn nach etwa zehn Minuten scheuchte Phoenix uns auf, weiterzugehen.Wie Kamele trabten wir in der sengenden Sonne hintereinander her, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Während der Stunden, die wir liefen, wurde kaum ein Wort gesprochen und tatsächlich war ich irgendwann so weggetreten, dass ich gar nicht mitbekam, wie Phoenix sagte: „Wir sind da."
Da ich weiter hinten war, fiel ich fast auf Reign drauf, die vor mir lief und ich fluchte leise, bevor ich den Kopf hob und mein Mund vor Staunen offen stehen blieb.
Die Oase war schon eine riesige Überraschung gewesen, aber das hier war wirklich eine Millionen Mal beeindruckender.
Ein ganzes Waldgebiet mit Bäumen so groß, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, erstreckte sich vor uns.
Und nicht, dass schon im Sand ein paar Pflanzen hier und da wuchsen und den Wald ankündigten.
Es sah aus wie eine Glaswand, die sich direkt zwischen dem Wald und der Wüste erstreckte.
Eine perfekt gerade Linie, die die gelbe und grüne Farbe voneinander trennte.„Na, was sagt ihr?," fragte Phoenix grinsend, doch keiner von uns antwortete. Als ich mich umsah, hatten die anderen den gleichen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht wie ich.
„Krass," hauchte Jona.
„Allerdings," antwortete Phoenix und nickte heftig. „Und es wird gleich noch besser, folgt mir."„Moment, da werde ich bestimmt nicht reingehen," sagte Olivia und ich merkte wie ihre Stimme ein bisschen zitterte.
Ich erwartete, dass Phoenix jetzt genervt oder wütend wurde, aber er war erstaunlich freundlich.
„Aber Olivia, du brauchst keine Angst zu haben. Du hast doch eine super Waffe, mit der du dich verteidigen kannst."
„Aber ich will mich nicht verteidigen müssen, das genau ist ja mein Problem."
„O, du bist nicht alleine, okay? Wir sind bei dir. Wir sind ein Team," fügte jetzt auch Reign hinzu und legte ihr einen Arm um die Schulter.
„Genau. Wir beschützen dich," brachte ich mich selbst mit ein und ging auf ihre andere Seite.„Na sehr schön. Dann gehen wir mal los, würd ich sagen, ne" meinte Phoenix und lief mit uns in Richtung des Waldes.
Nach ein paar hundert Metern erreichten wir ihn und blieben in einer Reihe davor stehen.Eine regelrechte Wand aus Blättern versperrte uns die Sicht und ich schob einen Ast zur Seite, um hinein zu sehen.
Noch hatte ich den heißen Sand unter meinen Füßen und die Sonne über mir, doch bereits von hier spürte ich die angenehme Kühle der Bäume und das allein reichte aus, damit ich einen Fuß auf die braune Erde setzte und auch die restlichen Blätter wegschob, um mir einen Durchgang zu verschaffen.
„Na bitte, Quinn macht euch vor, wie's geht. Dann mal alle hinterher," lobte mich Phoenix und nachdem ich O und Reign an der Hand fasste, lief ich durch das Tor in den Baumdschungel.
Eine neue Welt erwartete uns.
In Houston gab es auch Bäume und kleine Waldstücke, doch sie sahen ganz anders aus als das hier.
Die Bäume in diesem Wald waren höher als das Fabrikgebäude im Lager, breiter als die Autos und hatten eine Farbe, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Ein so saftiges und strahlendes Grün, dass es fast unnatürlich aussah und doch so voller Natur und Leben strotzte.Vögel flogen umher.
Kleine und große, bunte und graue, singende und schreiende.
Schmetterlinge, Insekten, Eichhörnchen, kriechende, schleichende und springende Tiere wuselten im dichten Dickicht umher und schienen uns gar nicht zu bemerken.Wo ich früher das Gefühl gehabt hatte, dass ich mich am wohlsten in der Stadt fühlte, umgeben von Hochhäusern, Stein und Metall, so wollte ich plötzlich nicht mehr weg von hier.
„Wow," entfuhr es mir im Flüsterton.
Auch der Rest der Gruppe sah gebannt um sich.
Olivia streckte die Hand aus und ließ einen Sonnenstrahl auf ihrer Haut tanzen.„Krass, ne?," sagte Phoenix und grinste.
„Ja, krass," wiederholte ich leise und schaute mit offenem Mund um mich, bevor ich langsam weiter ging.Je weiter wir rein liefen, desto kälter und dunkler wurde es. Ich hatte das Gefühl, wir waren in einer ganz anderen Welt.
Was ein Glück, dass diesen Ort niemand kannte.
Wir versuchten ihn zu genießen, doch Phoenix ging zielstrebig immer weiter in den Wald hinein. Wir versuchten, Schritt zu halten.
„Phoenix?," meldete sich Jona nach einer Weile zu Wort.
„Mhm?"
„Reicht die Strecke nicht so langsam?"Er hatte Recht. Mittlerweile könnte man denken, wir seien unter der Erde und es wäre spät abends.
Und auch ich fühlte mich nicht mehr so wohl wie am Anfang. Ganz im Gegenteil. Ich bekam langsam ein beklemmendes Gefühl, von Olivia, die neben mir zitterte wie Espenlaub, ganz zu schweigen.„Oh nein. Wir sind noch längst nicht da," antwortete Phoenix nur.
„Wo denn überhaupt?," fragt Jamie.
„Das verrate ich euch noch nicht."Auf weitere Fragen antwortete er nicht und so liefen wir noch lange weiter, ohne ein Wort zu sprechen.
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Telepathy
Teen Fiction"Er war nicht schnell und ich dachte auch nicht groß darüber nach, als ich auf einmal aus Reflex die Waffe hob und schoss. Die Wucht ließ mich kurz taumeln, doch als ich mich fing, sah ich, dass sich genau in dem Moment als er die Hand hob, die Kuge...