Kapitel 48

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You are the sky. Everything else - it's just the weather.
- Pema Chödrön -

Was war das?," fragte ich panisch.
„Nichts," flüsterte Jai, nahm aber seine Pistole in die Hand.
Ich tat es ihm nach.
Langsam, Schritt für Schritt liefen weiter.
„Kyle was ist da los?," sagte Jai ins Mikro, nachdem er ihn anrief.
Keine Antwort.
„Kyle!"
Nichts als Stille.
Jai sah auf sein Armband und schaltete es dann fluchend aus.
„Verdammt, ich glaube wir haben hier unten keine Verbindung. Dann sind wir jetzt wohl auf uns alleine gestellt," sagte er und sah mich prüfend an.

Ich nickte. Das würden wir schon hinbekommen.

Wieder ertönte das laute Geräusch. Es klang so, als würden Stahlteile aufeinander prallen und sich bewegen.
So wenig Geräusche wie möglich machend bewegten wir uns vorwärts, bis Jai die Waffe sinken ließ und stehen blieb. Ich trat neben ihn.

Wie wir vermutet hatten. Eine Tür aus Stahl mit Gittern so dick wie Schiffstaue versperrte uns den Weg.

„Verdammt," murmelte ich.
„Vielleicht bekommen wir sie ja auf," erwiderte Jai und fing an, sich gegen die Tür zu schmeißen.
Ich verdrehte die Augen. „Hör auf, du verschwendest nur deine Energie."
„Fällt dir was besseres ein?," fragte er, hörte aber auf.

Ich überlegte kurz und bedeutete ihm dann, zur Seite zu treten.
Mit einem kurzen Ausatmen hob ich die Pistole und schoss.
Ich hatte erwartet, das Schloss würde aufspringen oder etwas in der Art, doch die Kugel prallte ab und schlug in die Wand neben uns ein.
Vor Schreck duckten wir uns.

„Verdammt," sagte jetzt auch Jai und beäugte das Schloss genau. „Die wollen wirklich nicht, dass hier jemand durchkommt."
Suchend ließ ich meinen Blick an den Wänden entlang gleiten, bis mir etwas auffiel.
„Jai, hier, sieh mal!"
Er trat neben mich.

Eine dünne Linie zeichnete sich im Beton ab.
„Eine Tür," wisperte er. Ich nickte eifrig. Mit den Händen suchten wir nach einem Griff, doch als ich dagegen drückte, gab der Eingang einfach nach und öffnete sich.
Ich warf einen Blick nach drinnen. Es sah aus wie ein Lüftungsschacht.

„Räuberleiter?," fragte Jai mich verschmitzt und hielt die Hände hin.
Ich setzte einen Fuß darauf und er drückte mich hoch, bis ich hinter der Tür war. Dann nahm ich seine Arme und half ihm, hochzukommen.
Er schloss die Tür hinter sich, dann krochen wir durch den engen Schacht.

Meine Atmung wurde immer abgehackter, je enger es wurde und dass es stetig heißer wurde, machte die Sache nicht besser.

„Ist alles okay?," fragte Jai da.
„Ja," keuchte ich, bemerkte aber schon schwarze Punkte vor meinem Gesichtsfeld. Doch ich hielt nicht an, unter keinen Umständen wollte ich mich vor Jai schwach zeigen.

„Hey," sagte er und hielt mich am Knöchel fest. „Halt an und lass mich dir helfen."
Widerwillig setzte ich mich hin, auch weil ich mittlerweile das Gefühl hatte, einen Herzinfarkt zu haben.
Mit zitternden Händen strich ich mir die verschwitzten Haare aus dem Gesicht.

„Ich hasse kleine Räume," schnaufte ich und bemerkte dabei zu meinem Missfallen, dass ich klang wie ein sterbendes Schwein.
„Warum hast du das nicht vorher gesagt?"
Ich sah mit einer erhobenen Augenbraue zu ihm. „Weil du mir gesagt hast, dass es dich nervt, wenn ich immerzu Angst vor allem habe?"
Beschämt sah er nach unten. „Das habe ich nicht so gemeint. Wir haben alle Ängste."
Ich lachte auf. „Du nicht."
Er riss die Augen auf. „Klar, ich auch."
„Was denn so?"
„Tja, also...," überlegte er, doch ihm fiel offensichtlich nichts ein.

„Versuch einfach an etwas zu denken, was dich glücklich macht," sagte er dann. „Ein Sonnenuntergang oder so."
„Ein Sonnenuntergang?"
Er verdrehte die Augen. „Oder ein dämliches Buch oder der Ozean. Einfach etwas, was du magst," sagte er.

Etwas was ich mochte.

Ich überlegte und schaute ihn dann an.
Da fiel mir auf einmal auf, dass er zum ersten Mal lächelte, seit ich ihn kennengelernt hatte und mir wurde ganz wohlig und warm zumute.
Es war ein wunderschöner Anblick. Zum ersten Mal bemerkte ich richtig die kleinen Fältchen um seine Mundwinkel und seine vollen Lippen, die sich kräuselten. Den Schneidezahn, an dem eine kleine Ecke abgebrochen war. Seine Augen, die so dunkel waren und doch so viel Licht ausstrahlten. Die goldenen Sprenkel um die Pupille. Die blassen Sommersprossen um seine Nase.

Auf einmal piepsten unsere Armbänder und wir wurden in die Wirklichkeit zurückgeholt.
Jai verlor sein Lächeln und ich hatte keine Gelegenheit mehr, mir etwas beruhigendes zu überlegen.

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