Kapitel 29

74 11 0
                                    

Forgiveness is the fragrance that the violet sheds on the heel that has crushed it.
- Mark Twain -

Nach etlichen Stunden Schlaf später wachte ich in einem dunklen Zimmer auf.

Saige musste mich mit Schlafmitteln zugedröhnt haben, denn mein Mund war staubtrocken und ich war benommen. Ich griff suchend nach Wasser um mich, fand aber nichts.

Mit einem Stöhnen bereitete ich mich kurz vor und richtete mich dann auf. Ich brauchte ungefähr hundert Stunden, bis meine Muskeln reagierten, aber dann saß ich schließlich.
Ich wartete ein paar Minuten, bis sich mein Kreislauf daran gewöhnt hatte und schwang dann meine Beine über die Kante der Liege. Dann stand ich vorsichtig und langsam auf und stützte mich an der Wand ab.

Das Zimmer drehte sich und mir war übel, aber ich weigerte mich, mich wieder hinzulegen. Glücklicherweise waren meine Schuhe und meine Jacke nicht weit entfernt von mir und ich schaffte mich irgendwie zu ihnen. Die Jacke anzuziehen war einfach, aber die Schuhe waren ein größeres Problem. Allein reinzukommen war schon eine Herausforderung, aber wir sollte ich die bitte zu machen? Wenn ich mich hinsetzte, würde ich nie wieder hochkommen und wenn ich mich vornüberbeugen würde, ebenfalls nicht.
Also ließ ich die Schnürsenkel einfach offen und stakste zum Ausgang.

Mit jedem Schritt spürte ich den Schmerz von vorhin aufs Neue und ich musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu schreien.
Aber ich musste zu meinen Freunden. Das, was ich zu Jai gesagte hatte, war wahr. Ich könnte sie nie im Stich lassen. Ich musste wissen, ob sie mir noch sauer waren.

Bestimmt waren sie das, sonst hätten sie mich längst besucht.

Außerdem würden sie mir mit Sicherheit nie verzeihen, wenn ich nicht meinen Fehler zugab. Also beschloss ich, zumindest zu versuchen, meinen Stolz zur Seite zu schieben und mich zu entschuldigen.

Als ich nach gefühlten Stunden und schweißüberströmt am Speisesaal ankam, war er voll mit lachenden, essenden Menschen. Ich blieb am Eingang stehen und sah mich um. Dann entdeckte ich O, Reign und die anderen. Sie hatten mich noch nicht gesehen und rufen kam bei meiner Stimme nicht in Frage, also schleppte ich mich mühsam, aber erfolgreich zu ihrem Tisch.

„O, Reign," presste ich hervor und stützte mich auf die Platte.

„Quinn!," rief Olivia und riss die Augen auf. Sie warf fast ihren Teller mitsamt Essen auf den Boden, als sie aufsprang und zu mir kam.

Durch ihren Ruf waren nun alle anderen am Tisch auf mich aufmerksam geworden und es wurde still.

„Was machst du denn hier?," fragte nun auch Reign und sogar sie sah besorgt aus.
„Quinn, du musst sofort wieder ins Krankenzimmer," meldete sich nun Saige zu Wort und sprang ebenfalls auf, um mich zu stützen, doch ich schüttelte ihren Arm ab.

„Bitte, ich muss kurz was sagen."

Als sie merkte, wie ernst es mir war, ließ sie von mir ab und die anderen sahen mich erwartungsvoll an.

Ich schloss kurz die Augen, um den Schwindel zu vertreiben und schluckte schwer.

„Es tut mir leid. Das wollte ich euch sagen. Mag sein, dass ich ein bisschen zu stolz war, das zuzugeben, aber jetzt muss ich es einfach loswerden. Ich habe Mist gebaut und euch in Gefahr gebracht, das werde ich mir nie verzeihen können. Ich werde versuchen, es das nächste Mal besser zu machen. Könnt ihr mir verzeihen?"

Einen Moment war es ganz still, dann sprang Olivia quietschend auf und umarmte mich heftig.
„Vorsicht," sagte ich, als sie mich fast erdrückte.
Sie ließ mich entschuldigend los und strahlte mich an. „Ich bin ja so froh, dass wir wieder Freunde sein können. Und natürlich verzeihe ich dir."

Ich lächelte zurück und sah dann zu Reign.
Sie hatte einen unergründlichen Blick, stand dann aber ebenfalls auf und umarmte mich herzlich und fest.
Wir wechselten kein Wort, doch ich wusste, dass jetzt alles wieder gut zwischen uns war.

Auch die anderen kamen nacheinander zu mir und nahmen die Entschuldigung an.

Gerne wäre ich noch hier geblieben, doch Saige schob mich an den Schultern entschlossen zurück zum Krankenzimmer.

Was gut war, denn zurück auf der Liege fiel ich erneut in einen tiefen Schlaf.

TelepathyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt