|48| Nimm Meine Last

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Blake

Da stand ich nun also. Mein Anzug saß geradezu perfekt und passte wie angegossen.

"Immer wird unsere Kleine in unserem Herzen bleiben! Nie werden wir sie ganz gehen lassen..." die Frau mittleren Alters schluchtzte auf "... Sie war wundervoll und einer der liebsten Menschen dieser Welt. Ich wünsche mir von ganzen Herzen, dass es auch für sie irgendwo weitergeht!"

Mit diesen Worten wurde ihr Sarg in die Erde gelassen und der Chor fing leise an zu singen.

Es regnete schon bald auf uns nieder und kaum hatte der Pfarrer die letzten Worte gesprochen setzte sich die Menge in Bewegung.

Jeder warf einige Blumen in ihr Grab hinab und jeder, der sie etwas besser kannte, sagte ein paar schöne Dinge über sie.

Ich stand dort verloren neben dieser Frau und dem Mann, welcher seine Arme um sie geschlungen hatte um sie zu beruhigen.

Sie hatten einen Regenschirm über sich gespannt aber ich wollte nicht mit ihnen unter den großen Schirm treten.

Die Menschen zogen an uns vorbei um den Friedhof zu verlassen und jeder gab uns immer wieder die Hand.

"Mein Beileid!"
"unser tiefes Mitgefühl!"
"tut uns sehr leid!"
"Unser Beileid"
"Mein Beileid an die Familie!"
"Auch unser Mitgefühl habt ihr!"

Diese Sätze wiederholten sich immer und immer wieder. Es waren Floskeln. Sie waren zwar ernst gemeint aber hatten keinen persönlichen Hauch und wirkten daher äußerst unecht.

Auch mir versuchten die Leute die Hand zu schütteln doch ich rührte mich nicht. Was brachte es mir auch? Danke für ihr unechtes Mitleid aber das brauch ich auch nicht!

All diese Worte konnten mir nicht das zurück geben was ich verloren hatte. Dabei war es egal ob sie alle es ernst meinen oder dies nur aus Höflichkeit taten.

Meine Eltern, welche wie Fremde wirkten, standen neben mir und nahmen jedes Beileid an. Für sie war es logisch einfach, weil es ihnen egal war wie ernst sie es meinten, sie erwiderten nur eine gewisse Höflichkeit.

Wer war bloß auf diese dumme Idee gekommen? Was bringt es mir wenn 50 Menschen mir sagen, dass es ihnen leid täte? Genau gar nichts!

Viel lieber hätte ich Sätze gehört wie

"sie lächelt euch immer noch zu!"
"ein wunderschönes Mädchen!"
"sie war immer so schön fröhlich!"
"leider ist sie zu früh von uns gegangen!"

Diese Sätze hätten mir besser gefallen. Sie wären meiner Schwester würdig gewesen und bestimmt hätte sie immer zugestimmt.

Ich war wohl ein schlechter Bruder. Ich stand hier auf ihrer Beerdigung und dachte nur darüber nach wie lapide die Menschheit doch war.

Ich sah in den Himmel und die Wassertropfen fielen fröhlich in mein Gesicht.

Rachel? Ich liebe dich und du hättest einen besseren Bruder verdient!

Die Stimme meines Vaters riss mich aus meiner Trance "Gehen wir?" Ich nickte und an diesem Tag schwor ich mir nie wieder ihr Grab zu besuchen.

"Blake? Blake?! Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken! Du wolltest doch etwas sagen!" Freya lächelte mir zu und ihre Augen funkelten.

Ich musste schmunzeln "Ich habe mir eigentlich geschworen hier nicht mehr her zu kommen. Gerade eben war ich auf ihrer Beerdigung. Ich kann es nicht glauben, dass sie nun schon seit genau einem Jahr nicht mehr in meinem Leben ist"

Fre griff nach meiner Hand und drückte sie leicht während mein Blick auf ihrem Grabstein lag.

Heute war der 17. August

Ihr letzter Tag auf dieser Welt.

Freya stand neben mir und so fing ich an zu reden, wie ich es in den letzten Monaten immer tat wenn ich her kam.

"Hey Kleines, wir haben vieles erlebt. Ich habe meinen Abschluss mit 1,6 bestanden und dies ist tatsächlich ein ziemliches Wunder, aber beklagen kann ich mich ja wohl kaum"

Ich lachte leise auf und grinste "Du wirst nun mit mir auf ein Collage hier in der Nähe gehen! Mit meinem Collegeleben beginnt auch das deine also sei gespannt. Ich bin sehr froh hier in der Nähe zu bleiben, denn so bin ich bei dir, bei Mom und Dad, bei meinen Freunden, beim Team und bei Freya... Weißt du, little Sis, sie hat gesagt, dass sie dich bestimmt hätte leiden können und es ist echt scheiße, dass ihr euch nicht kennen gelernt habt"

Grinsend sah ich zu Fre welche mich liebevoll ansah "Jetzt wird ein neuer Lebensabschnitt beginnen... Und ich bin so froh, dass ich so viel in diesen mit hinein nehmen kann... Meine Idioten Bande, eine super Beziehung zu meinen Eltern, einen Platz in den Semesterferien als Trainer in der Highschool und meine wunderbare feste Freundin... Ich kann stehen und gehen und Freyas Anfälle sind auch nicht mehr allzu schlimm für mich"

Freya sah mich mit einem mahnendem Blick an und ich musste leicht lachen "Okay... Ich mache mir immer tierische Sorgen und dann lasse ich sie nichts mehr machen, was sie zu sehr anstrengt."

Ein Pfeifen ließ mich zu dem Tor des Friedhofs blicken und dort stand mein Dad, welcher uns hier abholen wollte.

"Bis nächstes Mal little Sis!" und damit nahm ich mir Freyas Hand und machte mich auf den Weg zu meinem Vater.

"Weißt du eigentlich wie sehr ich dich liebe? Freya... Du bist für mich mein Ein und alles, neben dir fühle ich mich so als könnte ich alles schaffen... Ich will dich niemals verlieren!" fest drückte ich ihre Hand, welche in der meinen lag und sie lächelte glücklich.

"Und ich liebe dich, Blake!"

Hand in Hand traten wir einer gemeinsamen Zukunft entgegen, in welcher nicht nur meine Schwester eine Rolle spielen wird, sondern auch viele andere Menschen.

Aber Freya und ich haben einen Vorteil:
Sobald der eine seine Probleme nicht mehr tragen kann, nimmt ihm der andere welche ab!

Take My OnusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt