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Das nächste, was ich mitbekam, war Stimmengewirr und ein schmerzhaftes reiben auf meinem Brustbein. Zusammenzuckend und verwirrt öffnete ich meine Augen und konnte mehrere Personen, die um mich herum standen und knieten erkennen. "Schau mich mal an", befahl Alex und drehte meinen Kopf in seine Richtung. Kurze Zeit brauchte ich, um die Erinnerungen der letzten Momente wieder in mein Gedächtnis zu rufen. "Soviel zu dir geht es gut. Was ist los?", in dem ersten Satz des Notarztes schwang ein ironischer Unterton mit. Seufzend blickte ich ihm entgegen.
"Mir war schlecht und dann schwindelig", beichtete ich letztendlich doch. Die Übelkeit war nun immerhin erträglich geworden und nicht mehr so stark wie vorhin. "Könnte vielleicht doch ne leichte Gehirnerschütterung sein", meinte er zu Phil, der neben ihm stand und die Situation beobachte. Also wenn ich ne Gehirnerschütterung habe, dann hat Melina ne dreifache. Immerhin ist sie ja viel stärker gegen die Wand geknallt, als ich gegen dieses doofe Regal. So hat es sich zumindest angehört. Auf Anweisungen des Rettungspersonals setzte ich mich vorsichtig auf. Im Hintergrund fiel mir Melina ins Auge. Leicht schockiert blickte sie zu mir und Robin, der neben ihr stand redete mit ihr. "Ist dir noch übel oder schwindelig", erkundigte sich dann Phil. Ich schüttelte leicht den Kopf. Und das war ja sogar nichtmal gelogen. Mit dem Rücken an Alex gelehnt saß ich auf dem Gras. Franco war in der Küche um das Allerheilmittel zu holen: Wasser. Sie bestanden darauf mich erst wieder mit genügend Flüssigkeit aufstehen zu lassen, denn wie ich ebenfalls beichten musste, hab ich in den letzten Tagen ziemlich wenig oder eigentlich fast garnichts getrunken. Aber ich vergesse das halt immer. An das Essen gewöhnt man sich halt, wie eine Routine eben, aber ans trinken irgendwie nicht. Also ich zumindest. Ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, es in ein Glas zu füllen reichte mir der Sanitäter wortlos die 1,5 Liter Flasche und sah mich, genau wie die anderen, dezent erwartungsvoll an. Genervt verdrehte ich die Augen und trank mehrere Schlücke.
"Jetzt muss man nicht nur schauen, dass du was ist, sondern auch noch, dass du genügend beziehungsweise überhaupt was trinkst. Mensch Kira", stellte Alex fest und sah mich gegen Ende sehr besorgt an. Seinem Blick wich ich aus, stattdessen sah ich zu, dass ich hier nicht mehr so rumsitze, wie ein Kartoffelsack und stand auf. Überraschenderweise spielte mein Kreislauf sogar mit und fast komplett Schwindelfrei vollendete ich meinen Weg ins Wohnzimmer und ließ mich dort auf die Couch plumpsen. Wenig später gesellte sich auch Melina zu mir und wir verbrachten die nächste Stunde, Mal wieder aneinander gekuschelt, vor dem Fernseher. Anstatt mich wirklich auf die Serie, die lief zu konzentrieren döste ich ein wenig vor mich hin. Es war so entspannend in Melis armen, dass mir ja fast nichts anderes übrig blieb. Am liebsten würde ich das die ganze Zeit machen. Vor allem, weil sie irgendwann angefangen hatte mit meinen Haaren herumzuspielen, was das ganze nur noch gemütlicher machte. Als ich kurz davor war komplett einzuschalten, erweckte mich das Geräusch von klappernden Tellern und auch stimmen, die sich nun viel näher anhören, als sie vorhin noch waren. Somit öffnete ich meine Augen und analysierte kurz die Umgebung. Stephan und Robin erschienen in meinem Sichtfeld. Anscheinend war es schon wieder Zeit zum Essen, denn sie trugen beide Teller und Besteck nach draußen. Ich hab immernoch keinen Hunger. Aber damit komm ich ganz sicher nicht durch.
"Du bist ja wach wieso sagst du denn nichts?", sprach plötzlich Melina, was mich zu ihr schauen lässt. Muss ich mich jetzt immer sofort melden oder wie? Doch sauer konnte ich ihr nicht sein, denn wiedermal lächelte sie mich zuckersüß an, was mein Herz höher schlagen ließ.
"Ich liebe dich", flüsterte ich ihr leise zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Ähm, sorry wenn ich euch irgendwie unterbreche, aber Melina dein Vater hat angerufen", fuhr uns Dustin dazwischen und hielt Meli das Telefon entgegen. Skeptisch nahm sie ihn entgegen und meldete sich mit einem knappen:"Ja".
Dann war ziemlich lange Stille, anscheinend wurde ihr etwas erzählt. Doch irgendwas scheint nicht so toll zu sein, denn ihr Gesichtsausdruck wurde besorgt. Ebenso besorgt beobachtete ich sie, als sie auflegte und sich schockiert aufs Sofa setzte. "Meli was ist?", wollte ich sofort wissen. Sie sah langsam zu mir. Das sonst so glückliche funkeln in ihren Augen war komplett weg. "Mein Bruder", fing sie stotternd an. Schlimmste Szenarien spielten sich in meinem Kopf ab. Was wenn ihm was passiert ist?
"Was ist mit ihm?", entgegnete ich aufgeregt. Ihr Blick war starr auf den Boden gerichtet.
"Er wurde verhaftet und hat gestanden, er..", ihre Stimme zitterte und Tränen bildeten sich in ihren Augen.
"Er soll jemanden umgebracht haben", mit diesen leisen Worten sprang sie auf und lief nach oben. Ich musste das erstmal sacken lassen. So eine Nachricht ist selbst für mich schockierend. Ich wusste genau, was für ein gutes Verhältnis sie zu ihrem Bruder hat. Kurze Zeit später kam sie wieder die Treppen herunter gesprintet, mir ihrer Tasche auf dem Arm. Schnell nahm sie ihr Longboard und lief Richtung Tür. Um sie aufzuhalten ging ich hinterher und konnte sie noch am Arm fassen:"Warte doch mal" Doch sie befreite sich nur aus meinem Griff und blickte mich giftig an, mit einem lauten knallen der Haustür war sie dann auch schon weg.
Fassungslos starrte ich die geschlossene Türe an. Auch wenn ich es ihr nicht übel nehmen sollte, dass sie eben so zu mir war, nahm ich es wieder viel zu persönlich. Auch so eine Eigenschaft an mir, die ich mehr als verfluchte.
"Was ist denn los?", ertönte die Stimme von Robin hinter mir. "Egal", murmelte ich und ging an ihn vorbei auf direktem Weg nach oben in mein Zimmer. Dort ließ ich mich in mein Bett fallen. Ich brauche jetzt erstmal Zeit für mich. So wie Melina wahrscheinlich auch.

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Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS//Problemkind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt