Offene Fragen

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Auf dem Weg zum Geschichtsraum hat Leano mit seinen schnellen Schritten erfolgreich die Möglichkeit eines Gesprächs unterbunden, doch Menowin hat sich unaufgefordert neben ihn in die hinterste Reihe gesetzt. Seine übliche Sitznachbarin hat sich, sobald sie den großen Ailuranthrop auf ihrem Platz entdeckt hat, ohne Murren in die dritten Reihe auf einen freien Platz verzogen.

Jetzt hat er seinen Kopf träge in die Hände gestützt und schaut aus dem Fenster. Hat er Katzenminze in der Tasche oder warum folgt ihm der Kater auf Schritt und Tritt?

Nach einigen Minuten dreht sich Menowin zu Leano. Mittlerweile hat der Unterricht begonnen und vorne an der Tafel steht Herr Mitchell. Dieser Umstand hat für Menowin jedoch keinerlei Bedeutung. Er beugt sich über den Gang zu Leano und stützt sich mit einer Hand auf dessen Tisch ab. „Was hast du da vorhin gemacht?"

Leano weiß nicht, wovon er redet. „Was?"

Nach einigem Stillschweigen versucht Menowin zu erklären: „Es war wie ein Schlag in den Magen. Du warst auf einmal so anders. Davor wirktest du hilflos und zerbrechlich wie ein junges Fohlen, aber dann-" Menowin unterbricht sich mit einem Kopfschütteln und lässt von Leanos Tisch ab, um sich in seinem Stuhl zurückzulehnen. „Es fühlte sich an als würde die Luft um dich herum brennen." Er ringt um Wörter. Offensichtlich weiß er nicht, wie er das Erlebte in Worte fassen soll. „Eines ist mir ganz klar geworden: Du bist nicht das, was du zu sein scheinst. Und du bist alles aber nicht schwach."

Davon redet er also. Leano erwidert schweigend den Blick. Menowins Stimme ist kaum lauter alles ein Bienensummen, um zu verhindern, von dem Parippanthropen, einem Therianthropen, der sich in ein pferdeähnliches Tier verwandelt, in der ersten Reihe gehört zu werden. Leano ist froh über seine Vorsicht. Sein Handeln ist unüberlegt und viel zu spontan gewesen. Jedoch kann er in Menowins Nähe kaum klar denken. Es ist seine Aura, sein Geruch, der Leano dazu bringt, sich von seinem Bauchgefühl leiten zu lassen.

Genauso leise antwortet er: „Ich habe meine Aura verschleiert."

„Hä", macht Menowin und sein Gesicht drückt vollkommenes Unverständnis aus.

Leano ist sich nicht sicher, wie er es erklären soll. Für ihn fühlt es sich an, als müsse er jemanden erklären, dass Wasser nass ist.

„Auren verkörpern deine Stärke. Sie haben etwas mit deiner Ausstrahlung zu tun. Manche Leute können sie sehen, andere riechen und wiederum andere schmecken, aber jeder kann sie fühlen." Leano beißt sich auf die Unterlippe und denkt einmal kurz nach, bevor er fortführt: „Wie stark oder schwach eine Aura wahrgenommen wird, hängt sowohl von dem Besitzer der Aura ab als auch von der Person, die sie wahrnimmt. Ist die innere Stärke schwach, dann kann es sein, dass eine Person, die kein ausgeprägtes Gespür für Auren hat, rein gar nichts fühlt." Wie um sich selbst zu bestätigen nickt Leano.

„Und du verschleierst sie?"

Leano weiß selbst nicht, weshalb er Menowin all diese Dinge erklärt. Normalerweise wäre es nie soweit gekommen, dass er irgendwas in diese Richtung hätte verständlich machen müssen.

„Ja. Verschleiern, verstecken, verbergen, wie auch immer du es nennen willst. Du kannst es dir so vorstellen, als würde man Gardinen zuziehen, sodass Außenstehende nicht mehr erkennen können, was innen vor sich geht." Es hört sich einfacher und ungefährlicher an als es ist, bemerkt Leano.

Das Verschleiern einer Aura mag ungemein nützlich sein, um unerkannt durch die Welt zu wandern, doch zehrt dieser Vorgang ungemein an den Kräften. Nicht jeder ist dazu fähig, speziell nicht mit solch einer Fassungskraft und Langwierigkeit, die Leano ununterbrochen und seit Jahren an den Tag legt. Das letzte Mal, als seine Aura ihn im vollen Maße mit all ihrer Energie durchströmt hat, ist eine unendlich lange Zeit her.

Katzenminze und Wolfsbeeren Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt