Mein Freund und Helfer

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Das Essen wird gebracht und rettet Leano vor einer Antwort. Er blickt nicht auf; er greift nach dem Besteck und beginnt zu essen. Er ist überrascht aber froh als Menowin nicht weiter nachhakt, sondern sich ebenso seinem Gericht zuwendet. In der Luft zwischen ihnen hängen unausgesprochene Worte wie Lampen von der Decke. Beinah blendet ihr Licht Leano, aber er kann nichts weiter dazu sagen. Und er wird es dieses Mal auch nicht.

Nach dem ersten saftigen Bissen Fleisch ist alles um ihn herum vergessen. Leanos Sinne schreien vor Glück. Er ist zu Teilen Wolf, er ist ein Fleischfresser. Diese ganze Fleischentsagung kann kaum gesund sein. Aber seit er bei Kim ist - seitdem sie ihn ausgesetzt und zurückgelassen haben - trifft er sowieso kaum noch vernünftige Entscheidungen.

Er lebt vor sich hin. Tag für Tag zieht an ihm vorbei. Er hofft und hofft und nichts geschieht. Er betet und betet und niemand hört es. Das ist kein Leben. Wobei er wohl nie ein Leben besessen hat und doch würde er lieber zu seinem vorherigen Dasein zurückkehren. Dann wäre er an Leanos Seite. Dann wäre Leano nicht mehr allein.

Langsam legt Leano das Besteck zur Seite. Seine Hände krallt er in die Tischdecke. Es ist alles so unfair. Er hat das nicht verdient. Weder hatte er sich beklagt, noch war er unfähig. Es ergibt keinen Sinn. Schnell schüttelt er die Erinnerungen ab und greift wieder nach Messer und Gabel. Hier ist nicht der richtige Ort - nicht die richtige Zeit - um sich mit seinem alten Kummer auseinanderzusetzen.

Heute ist kein guter Tag. Leano denkt zu viel und redet zu viel, ohne darüber nachzudenken, worüber er redet.

Menowin ist noch dabei die letzten Bisse seiner Kinderportion aufzuessen, da ist Leano bereits fertig und lehnt sich zurück. Endlich ist er satt. Dieses Mahl hat ihm Kraft gespendet und die Kopfschmerzen ebben etwas ab - auch wenn sie noch lange nicht verschwunden sind. Er würde sich nicht wundern, wenn sie sich in seinen Kopf einnisten würden, ohne Erfolg sie zu verscheuchen. Er hat sich bereits gefragt, wann er seine Grenze erreichen würde. Mit seiner Darbietung hat er sich selbst ins Bein geschossen. Nun scheint er bald zu erfahren, wie es sich anfühlt, wenn seine Aura sich vollends selbst zerfrisst.

„Das Essen ist wirklich lecker." Menowin spricht langsam und vorsichtig. Er beobachtet Leano mit Argusaugen.

Leano blickt auf. Er hebt eine Augenbraue. „Dabei hast du nur ein lächerliches Kindermenü gegessen."

Menowin zuckt mit den Schultern.

Leano seufzt. „Lass uns bezahlen und gehen."

„Machen wir noch was?"

„Nein."

Für einen Moment ist Menowin still und starrt Leano bloß an. Dann schüttelt er den Kopf: „Du kannst mit zu mir kommen. Ich habe ein paar Videospiele."
Begeisterung klingt anders und auch Leano ist nicht überzeugt. „Ich mag solchen Kram nicht."

„Was magst du dann?"

Die Frage überrascht Leano. Was mag er? Er denkt an seine Wände und Skizzenbücher. Ich mag es, einen Pinsel in der Hand zu halten und mit leeren Gedanken oder überlaufenden Gedanken Kunst zu schaffen, denkt Leano. Er zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung."

Menowin verschränkt die Arme vor seiner Schwimmerbrust. Groß und schlank mit breiten Schultern. Und plötzlich will Leano gegen in kämpfen. Er will seine Krallen ausfahren und herausfinden, wie lange dieser Ailuranthrop gegen ihn bestehen kann. Es kribbelt ihn in den Fingern, ihn zum Kampf herauszufordern. In seinem jetzigen Zustand hätte Menowin möglicherweise sogar eine Chance, sollte er über etwas Kampferfahrung verfügen.

Leano schüttelt sich. Was denkt er nur? Irgendwie ist ihm nicht ganz wohl. Der Schmerz und seine Gefühle machen ihn nervös.

Gerade als die Bedienung an ihrer Nische vorbeigeht, hält Menowin sie auf. „Entschuldigen Sie, könnten wir bitte die Rechnung haben?"

Katzenminze und Wolfsbeeren Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt