Langsam kam Azael zurück von der Plattform. Sein Vater war soeben mit dem Faun Egon davongeflogen. Nachdenklich schritt er über die Brücke. Es war unfassbar, dass er der Drachentöter ist. Man erzählte sich von diesem Elf, der vor zwei Jahren einen Drachen tötete. Der Drache hatte sich von Skannen über das Meer verirrt und bereits mit seinem Feuer verherrende Zerstörung in Akanzia und Felstal verursacht und schließlich drohte er im Regenbogental, dem Reich der Elfen sein Unwesen zu treiben. Es hieß, es sei Azael, dem ältesten Sohn des Königs der Elfen zu verdanken, dass nicht noch mehr zerstört wurde und er sei beim Kampf gegen ihn tödlich verletzt worden. Schon damals habe ich mich gefragt, wie ein schmächtiger Elf, der lieber davon flog als sich einer Herausforderung zu stellen, dies vollbracht haben soll. Nun wusste ich, dass es ein Elf war der muskulös und furchtlos ist. Das erfüllte mich mit Ehrfurcht und schürte meine Selbstzweifel.
Ich hatte es mir auf einer der Ballistraden gemütlich gemacht. Von dort konnte man zur Plattform sehen und hatte einen wunderbaren Blick ins Tal. Tropische Pflanzen bedeckten die Hänge der Schlucht, zwischen ihnen vereinzelt diese Häuser mit ihren Tubes und Plattformen. Der Rapsody-Wasserfall sorgt für feuchte Luft, in der das Sonnenlicht Regenbogen malt. Als Azael zu mir kam, mochte ich ihn nicht ansehen und starrte weiter auf diese wundervolle Welt. Ich wusste, wie man über mich dachte in AmoraX. Sie ist zu schwach, um Königin zu sein! Im Angesicht eines Drachentöters war ich sicherlich eine schwache kleine Frau, aber ich war der festen Überzeugung, dass man keine große, imposante und muskulöse Amazone sein musste, um dieses Land zu regieren. Zumindest hat mir das Großmutter immer gesagt. Eines Tages werde ich mein Geburtsrecht einfordern und den Thron besteigen, wenn ich bis dahin überlebe.
Meine Tante schien erleichtert, als ich ihr verkündete, dass ich nach Felstal gehen wollte um ein Kind zu bekommen, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie mir Orks hinterher schicken würde, da ich in keinster Weise ihren Thron geforderte hatte, auch wenn ich jetzt volljährig geworden war. Wer weiß, was sie noch alles anstellen wird um mich zu beseitigen. Umbringen konnte sie mich ja nicht, denn damit wäre ihr Anspruch auf den Thron verwirkt.
"Ich wollte Dich schon immer mal kennenlernen, Hoheit!" sagte der Drachentöter zu mir. "Hör auf mich Hoheit zu nennen, Azael. Es war einfacher, als du noch nicht wusstest, wer ich bin." "Vielleicht. Es hätte für mich keinen Unterschied gemacht." Ich wich ihm aus, in dem ich aufstand und zu dem hübsch gedeckten Esstisch herüber ging. "Du hast also den Drachenkampf überlebt." wechselte ich das Thema. "Ich wurde stark verwundet, aber dank Egon's Pflege bin ich seit Kurzem wieder in der Lage zu fliegen." Er schob einen Stuhl für mich zurück und ich setzte mich an den Tisch. Jetzt, wo er sich mir gegenüber hinsetzte, musste ich ihn wieder ansehen. "Egon, der Faun?" "Ja, er ist sehr talentiert. Auch mit Haaren. Steht dir sehr gut diese Frisur." Ich fühlte wie sich mein Gesicht rötete. Das war nicht nur wegen dem Kompliment, sondern auch dem, was ich in der Grotte getrieben hatte. "Ich habe mir die Königin von AmoraX ganz anders vorgestellt." "Ich bin nicht die Königin von AmoraX." stellte ich klar. "Aber bald!" "Das wird Tante Beatrice nicht zulassen." Azael hob den Deckel vom Suppentopf und verdrehte die Augen "Och, Egon." "Was ist das für eine Suppe?" "Brennessel-Suppe. Man serviert sie einem frisch vermählten Elfenpaar zur Vorbereitung auf die Hochzeitsnacht oder wenn jemand Probleme mit der Verdauung hat." "Hast du Probleme mit der Verdauung?" Ich verstand das irgendwie nicht. Azael druckste etwas herum "Man kriegt Durchfall davon." Warum sollte ein frisch vermähltes Paar Durchfall bekommen? "Ich möchte es trotzdem probieren." "Wahrscheinlich wirkt es nur bei Elfenfrauen." hoffte Azael und tat mir und sich etwas auf. Es roch köstlich. Ich probierte sofort und es schmeckte fantastisch. "Brot dazu?" "Gern" Er brach das Brot und reichte mir ein Stück. Ich hatte wahnsinnigen Hunger und Durst. Ich nippte am Glas und stellte fest, dass es Elfenwein ist, eins meiner Lieblingsgetränke, also nahm ich einen großen Schluck. Das Glas war schnell leer und Azael schenkte nach. "Unsere Spione haben Wikinger Schiffe an der Ostküste beobachtet." "Das ist nicht ungewöhnlich. Die Wikinger treiben regen Handel mit Akanzia." "Es sind fast vierzig Schiffe gewesen mit sehr vielen Wikingern an Bord. Sie ankerten vor der Haifischbucht und haben dort ein großes Lager errichtet." "Ich habe davon noch nichts gehört. Bist du dir sicher?" "Hast du eine Ahnung, was sie hier wollen?" "Irgendein Fest oder eine Feier?" "Eine Invasion?" "Das glaube ich nicht." Ich schüttelte den Kopf und bemerkte, dass mich der Wein etwas schwindelig machte. Ich rieb mir die Augen. "Kannst du mit mir morgen zur Haifischbucht fliegen und mit deinem Vater sprechen?" "Odin ist auch hier? Das ist sehr ungewöhnlich, er ist eigentlich schon viel zu alt für solche Schiffsreisen." Ich musste gähnen. "Würde er denn noch eine Invasion anführen können?" "Nein, er ist auf seine alten Tage ein ziemlich friedfertiger Wikinger geworden und nicht mehr so ein Hitzkopf wie früher." "Und seine Söhne?" "Mein Bruder Wotan würde ich so etwas zutrauen, Sven hat ein sehr sanftes Gemüt, der würde keiner Fliege etwas zu leide tun." Ich musste schon wieder gähnen. Ich hatte die Suppe und das Brot aufgegessen und hatte ein paar Trauben vom Obstteller genommen. "Bist du satt geworden?" "Ja, es war köstlich. Egon ist ein guter Koch." "Du isst sehr wenig für eine Amazone." "Das sagt Großmutter auch immer." Ich reibe mir die Augen und unterdrücke ein weiteres Gähnen. "Komm, ich zeige dir, wo du schlafen kannst."
Azael brauchte mich nicht lange bitten. An der Hand führt er mich durch das Haus bis zu einer Wand. Erst als er mich auf den Arm nimmt und hochfliegt, stelle ich fest, dass eine breite Röhre nach oben führt. Ich konnte nicht sehen, ob es auch eine Treppe gab. Vor einem kreisrunden Bett, das mit Rosenblättern bestreut war ließ er mich wieder herunter. "Ach, Egon." kommentierte der Elf neben mir die Verzierung. "Hochzeitsnacht?" "Wahrscheinlich war das die Intention des Fauns. Er hat dir hier ein Nachthemd hingelegt." Der Raum ist rund und wölbt sich kuppelförmig über das Bett. Es gibt kein Fenster. Nur ein paar Fackeln in Nischen beleuchten den Raum. "Und wo schläfst du?" frage ich, da eine Hochzeitsnacht ja gemeinsam in einem Bett abgehalten wird. "Ich werde schon irgendwo ein Plätzchen in diesem Haus finden." Ein bisschen Enttäuschung macht sich in mir breit. "Oder du baust dir ein Nest irgendwo in den Bäumen." Eine schöne Vorstellung. Ich gähne unkontrolliert. "Schlaf gut, Bianca!" sagt er liebevoll zu mir und verschwindet wieder die Röhre hinunter. Ich streife mir das Elfen-Nachthemd über und lege mich in das Bett ohne die Rosenblätter zu beseitigen. Dazu war ich zu müde. Ich musste augenblicklich eingeschlafen sein. Meine Träume waren wieder erotischer Natur.
Ich wurde wach und hatte ein dringendes Bedürfnis. Ich brauchte etwas, um die Treppe hinab zu finden und lief schließlich panisch den Gang in die Grotte hinunter. Es war mitten in der Nacht, vereinzelt erhellten Fackeln das Haus, doch die Grotte lag in Finsternis. Durch ein Loch weiter oben schien der Mond und wies mir den Weg zum Örtchen. "Bianca?" "Ja, ich bin's." Was trieb Azael nur im Dunkeln in der Grotte. "Alles in Ordnung?" "Ähm... Brennesselsuppe wirkt auch bei Amazonen." gab ich Auskunft "Das tut mir leid." Langsam hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Als ich mich meines Problems entledigt hatte, musste ich neugierig um die Ecke gucken. Azael wusch sich unter dem Wasserfall. Seine Flügel waren ausgebreitet und wurden von allen Seiten benässt. Fasziniert sah ich ihm zu, doch im Dunkeln konnte ich nicht viel erkennen. Als er sich umdrehte und aus dem Wasser stieg und nach dem Handtuch griff, wollte ich schnell abhauen, aber dann schüttelte er seine Flügel aus. Ich bekam eine Ladung eiskaltes Wasser ab und verriet mich mit einem Aufschrei als Voyeur.
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Fluch der Amazone (Geschichten aus AmoraX)
FantasyDie Geschichte von der Amazone, die sich in einen Elf verliebt. Hier geht es ordentlich zur Sache, nix für schwache Nerven!