Kapitel 11: Schwarmgefühle, Phase 4: Vorprogrammierte Enttäuschung

356 21 0
                                    

Jade: 

"Spuck's aus." Meine Stimme hallte durch das Zimmer, bis hin zu einer Macy mit verstrubbelten Haar und zerknautschtem Gesicht, die mich bis jetzt immer wieder unsicher gemustert hat. "Was denn?" "Ich kenne den Blick." Erwiderte ich, statt gleich eine Antwort zu geben. Erst als ich mein Haar gekämmt, das Outfit für den Tag ausgesucht hatte und mich traute, mein Gesicht ohne Make-Up zu ihr hinzudrehen, antwortete ich: "Du willst mich etwas fragen, stimmt's?" Als ein Nicken von der Blondine folgte, stand ich auf und atmete tief ein. Bis jetzt hatte sie noch nicht über mein Gesicht gesagt. Kein Abdeckstift hatte in den letzten paar Stunden meine Haut berührt, geschweige denn Mascara meine Wimpern. Ohne Letzteres ging ich nie aus dem Haus und gestern hatte ich, sobald meine Austauschschülerin eingeschlafen war, mich auf Zehenspitzen ins Bad gewagt und mich abgeschminkt. Mein Spiegel hatte genau das, was ich nicht mochte, gezeigt: Mein Gesicht ohne Farbenmaske. Oder nein...ich mochte es schon. Dachte ich. Vielleicht. Nur so wollte ich einfach nicht unter die Leute gehen. 

Ich hatte eigentlich vorgehabt, einfach in Lichtgeschwindigkeit an Macy vorbei ins Bad zu rennen und dort mich fertigmachen. Da ich mir allerdings Sorgen wegen ihres bedrückten Gesichtsausdrucks machte, musste mein Stolz erstmal auf der Seite liegen bleiben. Ich hatte mich gestern verbundener zu ihr gefühlt und hatte keinen Lust auf Zickenkrieg. "Du hast gestern meine Frage nicht beantwortet." Jetzt fragte sich nur welche. Die nach meinen Eltern? Sorry, aber das Thema war tabu. Die, die sich um die Kombination aus Nachos und Schokolade gedreht hatte? Diese Diskussion war abgeschlossen: Die beiden zusammen schmeckten klasse. 

"Wirst du weiterhin nichts über meine Sexualität erzählen?" Dann stimmte es also doch. Sie hatte es gerade ungewollt bestätigt. Wäre das nicht wahr, würde sie sich nicht so viel aus den Gerüchten machen, die sich unter Schülern verbreiten würden. Ich ging näher zu ihr hin. "Hey." Meinte ich sanft. "Wenn du nicht bereit bist, dich zu outen, dann verstehe ich das und sage nichts. Lukes Sexualität ist zwar kein Geheimnis, aber ich binde es auch nicht jedem x-beliebigen auf die Nase ohne sein Einverständnis." Ich kramte in meiner Make-Up Tasche herum, bis ich alles zusammen hatte, was ich brauchte und wieder zu ihr aufsah. 

"Du musst dir keine Sorgen machen. Ich kann zwar ab und zu Mist von mir geben, aber keine Geheimnisse. Ich wollte auch nicht, dass etwas bei mir ans Licht kommt." Macy hob beide Augenbrauen. "Was wäre das?" Ich biss mir auf die Lippe, bevor ich mich aufsetzte und sie ernst musterte. "Ein Geheimnis ist nicht umsonst eins." 

***

Später fand ich mich mit Luke und ein paar von seinen neuen „Freunden" -eher gesagt Milchbubis- wieder. Wir saßen alle in irgendeiner Disco und natürlich hatte sich Macy sofort wieder, nachdem sie mir den Weg dorthin gezeigt hatte, wieder zu Rebecca verzogen. Typisch...kaum musste man mich nicht mehr babysitten, tat man alles, um mich loszuwerden. Pff...was fand Macy eigentlich an dieser bleichen Bitch? Langweilig war sie noch dazu und heiß war für sie ein Fremdwort. Nur in Basic-Shirts, mit fast keinem Make-Up und null Interesse an Macy? Was sollte man bitteschön an der attraktiv finden? Und wenn wir schon mal bei dem Wörtchen waren, wieso hatte ich Interesse an Macy? Wieso scherte es mich was, wenn sie mit ihrem Schwarm zusammen war? Wieso. Zum. Teufel. Fand. Ich. Ihr. Lächeln. Süß? Und warum wollte ich der Grund dafür sein?

Ich schüttelte sofort den Kopf, ich hatte keinen Kopf jetzt für dieses Kinderdrama und erst recht nicht an Angelegenheiten, die meine nervige deutsche...nun, halb-deutsche Austauschpartnerin betrafen. Auch Luke schaute mich schon besorgt an, ich musste anscheinend mehr als eine Zornesfalte auf der Stirn haben. „Alles okay mit dir? Du wirkst gerade wütender als der Teufel selbst." Fragte er mich vorsichtig auf Französisch, sodass keiner der deutschen Kleinkinder etwas mitbekam. „Nichts ist, Luke. Flirte weiter mit deinen deutschen „Freunden", denn ich denke..." Ich schaute auf die Tanzfläche, bevor ich ihn hochzog und in Richtung der Fläche schubste. Dann beendete ich, bereits grinsend und tanzend, meinen Satz: „...jeder von uns sollte Spaß heute Abend haben!" Luke grinste mir zu. „So gefällst du mir schon besser, Jade! Kommst du noch?" „Ich komm nach."

Und damit machte ich in Richtung der Bar. Ich wusste, was der kleine Anschub für Spaß war, der auf jeden Fall funktionierte, selbst wenn meine Gefühle die Spaßbremsen des Abends waren. Ich legte meine Ellenbogen auf den Bartisch und lehnte mich so vor, dass der Barkeeper in meinen Ausschnitt sehen konnte. Ich lächelte ihm zuckersüß zu, da mein Trick funktionierte, er guckte... „Drei Bier und einen..." Ich checkte die Liste der Cocktails vor mir ab, bevor ich auf den obersten zeigte. „...den dort will ich!" Jetzt sah mich sogar der Barkeeper besorgt an. „Bist du dir sicher bei der Wahl? Ich meine, das ist der hochprozentigste Cocktail..." „...und wenn er aus der Hölle kommt, komm schon!" Der Kerl zog nur die Augenbrauen hoch. Schlussendlich nahm ich die Getränke gratis entgegen und reichte auf der Tanzfläche jedem der Kerle ein Glas mit Bier. Luke blickte mich verwundert an. „Wie...hast du das gratis bekommen?" „Weibliche Magie!" Erwiderte ich grinsend und zeigte auf meine Oberweite.

Luke schüttelte als Antwort nur amüsiert den Kopf. „Alles klar, du kleiner Teufel. Na, dann sag ich mal schön Danke." Ich zwinkerte ihm zu. „Bitte." Kaum hatte ich das Wort gesprochen, hob ich auch schon mein Glas, in dem eine türkise Flüssigkeit schwappte, die aufgrund ihrer Farbe einem Serum eines dieser verrückten Professoren, die man immer in Comics oder Filmen sah, glich. Bei dem Gedanken legte sich ein Schmunzeln auf meine Lippen. Wenn er schon so gefährlich aussah, dann sollte er aber auch bitte wirken! 

"Lass mich dieses komische Gefühlschaos vergessen..." Murmelte ich vor mich hin, während meine Gedanken von Macy zu meiner Rückfahrt nach Hause wanderten. Dort würde wahrscheinlich eher ein leeres Haus als ein "Welcome Back"-Plakat mit Kuchen auf mich warten. Als Kind war ich es nicht anders gewohnt gewesen. Ich wünschte, ich hätte nie die Schule besucht, denn dort bekam ich mit, wie Kinder zur Schule gebracht wurden anstatt von einem fremden Chauffeur hingebracht zu werden. Wie bei anderen Klassenkameraden Eltern zu Schulaufführungen kamen und ich meine von der Bühne aus vergeblich in der Menge suchte.

Als die ganzen Rückblenden einsetzten, wurde es mir zu viel. Empfand ich Trauer oder Wut? Plötzlich wurde die Gefühlslosigkeit mit einem Tornado an Emotionen deplatziert und ich musste mir den Drang verkneifen, loszuheulen.  

Ohne einen weiteren Gedanken setzte ich das Glas an meine Lippen und trank es auf Ex runter. Wenig später fühlte ich wieder diese Unbeschwertheit und grinste, der Alkohol tat seine Wirkung schneller als gedacht. Vielleicht würde er immer der Einzige bleiben, auf den ich mich hundertprozentig verlassen konnte...

My Frenemy (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt