Allan erkannte die stumme Hoffnung in Cedrics Blick sofort. Er schrak zusammen und wandte den Blick ab. In Gedanken verpasste er sich eine kräftige Ohrfeige. Das waren definitiv nicht die richtigen Worte gewesen, denn er wusste, dass er nicht bereit dazu war, die Wahrheit zu sagen, vor allem nicht in dieser elenden seelischen Verfassung. Erneut spürte er Tränen in seinen Augen aufsteigen und verfluchte sich selbst für seine Schwäche. Doch noch mehr verfluchte er die Tatsache, dass er Cedrics besorgten Blick auf sich spürte und er sich ihm am liebsten sofort an den Hals geworfen hätte.
„Allan..." Cedrics tiefe Stimme durchbohrte sein Herz wie ein Pfeil. Er schauderte. Seine Finger zupften nervös an einer Haarsträhne. „Hm?"
Cedric blickte ihn ernst an. „Ich höre?"
Allan schmunzelte traurig. Er hob den Blick und sah Cedric direkt an. Kurz verlor er sich in dem leuchtenden Hellblau seiner Augen, doch er fasste sich wieder und atmete tief ein und aus. Cedrics angenehmer Geruch und sein offenes Hemd machten es ihm nicht leichter, sich zu konzentrieren.
„Ich..." Seine Stimme war heiser, und er räusperte sich leise. „Ich hatte bloß Angst, Cedric." Die Worte schmeckten bitter nach Lügen auf seiner Zunge, und er schaute zu Boden.Cedric streckte die Hand nach ihm aus, und als er sie auf seinem Knie spürte, zuckte er kaum merklich zusammen. Ein kleiner Adrenalinstoß schoss durch seine Adern, und er starrte nervös seine große Hand an.
Pass auf dich auf, sonst wird es wehtun.
Er kniff verzweifelt die Augen zusammen, in der vergeblichen Hoffnung, sich irgendwie zu beruhigen.
„Wovor hattest du Angst?" Cedrics Stimme war kaum mehr als ein Windhauch. Sein warmer Atem streifte ihn. Er schauderte, unschlüssig, wie er sich fühlen sollte. Sein Herz raste wie verrückt, doch er ignorierte es geflissentlich.
„Ich... Ich denke, ich möchte nicht darüber reden", brachte er schwach hervor.
„Okay." Cedric drückte sanft sein Knie. „Wenn du bereit zum Reden bist, höre ich dir gerne zu."
Allan nickte langsam. Zu gern hätte er alles gesagt, hätte geweint und seine Hand genommen, doch die Angst, weggestoßen zu werden war zu groß. Erschöpft ließ er den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen, in der Hoffnung, so seine Tränen zurückhalten zu können.
„Allan?"
Da Cedric nichts weiter sagte und auf eine Reaktion zu warten schien, öffnete er langsam die Augen und blickte in seine eisblauen Augen. Sofort entwichen ihm die Tränen und bahnten sich einen Weg über seine Wangen. Zitternd atmete er ein und aus und betrachtete Cedrics schmerzlichen Blick.
„Allan, bitte wein nicht", wisperte Cedric flehend. Aus dem Augenwinkel beobachtete Allan, wie er seine Hand zu seinem Gesicht hob. Er schloss die Augen, als er spürte, wie Cedric mit dem Daumen über seine Wange strich und seine Tränen wegwischte. Er schauderte. Wie sehr wünschte er sich doch, seine Lippen wieder auf seinen zu fühlen, ihn zu küssen und zu berühren, doch wie könnte er dies bloß aushalten, wenn seine Zweifel noch über seinen Gefühlen herrschten?~
Nur allzu gerne hätte Cedric Allan geküsst, doch er wusste genau, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für plötzliche Liebeserklärungen war. Allans von Verzweiflung getränkten Augen zeigten ihm bereits, dass er eine ganz andere Art von Sicherheit brauchte. Doch Cedric wusste nicht genau, ob er ihm jene geben könnte; was, wenn er sich täuschte, wenn er etwas falsch machte und ihn verletzte? Er wollte keinesfalls, dass Allan sich unwohl fühlte, und selbst seine Hand auf Allans Knie und das Wegwischen seiner Tränen schien ihn verunsichert zu haben. Allan wusste wahrscheinlich, dass er ihm nichts tun würde, doch Cedric kannte seine Ängste gut genug.
Allans Blicke wanderten durch die Dunkelheit, seine Tränen ein treuer Begleiter. Cedric beobachtete ihn schweigend. Ihm fiel auf, dass er noch dasselbe markante Kinn hatte wie früher. Zu gerne hätte er jenes umfasst und sein Gesicht zu ihm gedreht, um in seine haselnussbraunen Augen zu blicken. Stattdessen entschied er sich dazu, abermals die Hand auszustrecken und zaghaft mit dem Daumen über seine tränennasse Haut zu streichen. Allan zuckte leicht zusammen, und seine Wangen färbten sich rot unter seiner Berührung.
„Rot steht dir gut", murmelte er, in der Hoffnung, es würde ihn zum Lachen bringen.
Allan schenkte ihm ein schüchternes Lächeln, das er sofort erwiderte.
Langsam ließ er die Hand wieder sinken. Er musterte Allan genau. „Allan, ich denke, ein wenig Schlaf würde dir ganz gut tun", meinte er leise.
Allan zögerte. „Ich bin nicht müde. Ich bleibe einfach alleine hier sitzen, wenn du schon gehen möchtest."
„Davon war überhaupt nicht die Rede", erwiderte Cedric ernst. „Du solltest wirklich eine Nacht drüber schlafen, sonst wird es dir morgen noch schlechter gehen."
Der Dunkelhaarige seufzte auf. Ein Schauer jagte bei diesem Laut über Cedrics Rücken, und er drückte Allans Knie. „Komm schon, Allan. Wir müssen morgen früh aufstehen."
Allan verdrehte die Augen. „Du klingst, als redetest du mit einem Kind."
Cedric lachte leise. „Du bist ein 32-jähriger Cop, schon verstanden", sagte er schmunzelnd.
Gegen seinen Willen hoben sich Allans Mundwinkel, und der Mann schnaubte.
Cedric seinerseits erhob sich und klopfte sich den Dreck von den Klamotten. Dann hielt er Allan die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Allan zögerte, doch dann legte er zaghaft die Hand in die seine und ließ sich von ihm vorsichtig auf die Beine ziehen.„Oh nein", murmelte Allan plötzlich. Er schwankte gefährlich, und Cedric packte ihn besorgt an den Armen. Seine Pupillen waren winzig, sein Blick unfokussiert.
„Dein Herz?", fragte Cedric besorgt.
Allan nickte schwach. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Mit klopfendem Herzen entschied sich Cedric dazu, die Arme um ihn zu schlingen und ihn an sich zu ziehen.
Allan zuckte zusammen, doch er ließ es geschehen. Seine Hände lagen zitternd und kalt auf Cedrics Brust und jagten eine Gänsehaut über seinen gesamten Körper. Er spürte Allans rasenden Herzschlag, spürte sein Zittern und seinen warmen Atem. Alles an ihm schrie nach Hilfe, suchte Sicherheit. Cedric strich zögerlich über seinen Rücken. Erst spannten sich Allans Muskeln noch mehr an, doch dann schien er etwas ruhiger zu werden und atmete tief ein und aus. Cedric schob ihn ein Stück von sich weg und musterte sein gerötetes Gesicht. Allan starrte zurück und wandte dann den Blick ab, als er merkte, wie er noch röter wurde. Plötzlich wand er sich nervös aus seinem Griff und trat einen Schritt zurück. Cedric biss sich auf die Lippe, sein Herz verkrampfte sich schmerzhaft.
„Komm, wir gehen rein", stieß Allan hervor. Cedric nickte knapp. Allan marschierte an ihm vorbei ins Haus, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Traurig schaute Cedric ihm hinterher und folgte ihm dann mit einigem Abstand, die Sorgen tief in ihm vergraben.
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Nur du zählst...
RomanceNachdem der Ex-Polizist Allan Dearing bei einem Einsatz schwer verletzt wird, verdammt ihn das Schicksal ins Büro. Und so wird er als Hilfssheriff in das kleine Dorf Josephina Hill versetzt. Doch dort wird ihm klar, dass sein Job ganz anders als ruh...