Twentysixth

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Mit leichtem Lächeln auf den Lippen führte Cedric seinen Hausschlüssel zu Tage und öffnete die Haustür, endlich zurück von der Abendpatrouille. Draußen dämmerte es bereits und es war ein sehr kühler Tag, er war also sehr froh, als ihm ein Schwall Wärme aus dem Büro entgegenkam.
Was ihn allerdings noch fröhlicher stimmte, war der Anblick Allans, welcher an seinem Schreibtisch saß, einen Füllfederhalter in der Hand und Papiere darunter, und aufschaute, als er ins Büro trat. Ein Lächeln schlich sich mitsamt leichter Röte in dessen Gesicht, und Cedrics Herz hüpfte.
„Hey", sagte er leise lächelnd.
Allan wurde noch röter. „Hey."
„Gibt's etwas Neues?", wollte Cedric wissen, während er die Tür hinter sich schloss und seine Jacke an den Haken daneben hängte.
„Nur der übliche Papierkram der letzten Tage", erwiderte Allan und verdrehte die Augen. „Ich muss noch einiges nachholen, bis wir endlich durch sind."
„Entschuldige", seufzte Cedric. Er kam auf Allan zu und beugte sich über den Tisch zu ihm hinunter, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Allan schrak zusammen und versuchte, seine Röte dadurch zu verbergen, dass er wieder hinunter aufs Papier starrte und eifrig weiter kritzelte. Cedric grinste leicht. Er drückte kurz seinen Arm.
„Ich gehe in die Küche und mache mir einen Kaffee", sagte er, „möchtest du auch einen?"
„Oh Gott, nein, ich hatte schon zwei", lachte Allan heiser. „Aber danke."
„Immer doch, Al", lächelte Cedric sanft. Schließlich machte er sich auf in die Küche, krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch und schaltete dann das Licht ein, denn im bloßen Abendlicht wollte er sich seinen Kaffee nicht zubereiten.
Während er das Wasser ansetzte, summte er leise den Text des Liedes My Body Is A Cage vor sich hin. Er mochte das Lied sehr, seine Botschaft, die Melodie. Es erinnerte ihn zaghaft an Allan. Womöglich mochte er es deshalb noch mehr.
In der Ferne hörte er das Klingeln des Telefons und gleich darauf Allans tiefe, sanfte Stimme leise sprechen. Sofort bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen.
Als der Kaffee endlich fertig war und er sich eine große Tasse aufgefüllt hatte, nahm er einen Schluck und machte sich gemächlich auf den Weg zurück ins Büro. Das heiße Gebräu rann wohlig seine Kehle hinunter, und er spürte das Koffein bereits wirken.

Als er aus dem Dunkel des Flurs zu Allan ins Büro trat, spürte er bereits die Anspannung in der Luft. Besorgt lief er auf Allan zu, welcher einer aufgeregten Stimme im Telefon lauschte und mit weit aufgerissenen Augen zu ihm aufschaute.
„Was ist los?", zischte Cedric eindringlich.
Allan hob bloß einen Finger an die Lippen, um ihm zu bedeuten, still zu bleiben.
Cedric presste die Lippen zu einem Strich zusammen, stellte seine Tasse auf Allans Tisch ab und beugte sich weiter vor, in der Hoffnung, etwas von den Erzählungen des Anrufers zu verstehen.
„Wo haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?", fragte Allan dann mit fester, tonloser Stimme. Ihre Blicke trafen sich. Cedric suchte in seinen Augen nach etwas, von dem er selbst nicht genau wusste, was es war, doch was er fand war purer Schock. Schnell wandte sich Allan ab und machte sich hastige Notizen auf einem Block, nickte dabei leicht. Cedric las auf dem Kopf mit; Park Lane 31, 17:34 Uhr zuhause.

„Bitte wiederholen Sie noch einmal, was passiert ist, bevor der Junge verschwand", sagte Allan leise.
Cedric starrte ihn an. Ein eiskalter Schauer lief über seinen Rücken. Allan blickte ernst zurück und winkte ihn näher heran. Rasch beugte sich Cedric zu ihm, automatisch mit der Stirn an die seine, und lauschte dabei angestrengt den Worten der Frau am anderen Ende der Leitung.
„Ich weiß nicht genau, was passierte", schluchzte die Frau verzweifelt, „ich kam von der Arbeit nach Hause und hörte meinen Mann und Clark sich anbrüllen. Im Haus rumpelte und schepperte es wie verrückt. Als ich die Tür aufmachte, rannte mein Mann gerade zur Terrassentür und schrie nach Clark. Ich glaube, er ist durch den Hinterhof in den Wald gerannt, aber meine Schwester und ich konnten ihn noch nicht finden. Mein Mann ist ebenfalls verschwunden und er geht nicht ans Telefon. Bitte helfen Sie mir, Sheriff!"
„Gut, Mrs. Spencer, wir werden gleich kommen und Ihnen bei der Suche Ihres Sohnes helfen", antwortete Allan ernst. „Glauben Sie, er ist verletzt und bräuchte ambulante Hilfe, sobald wir ihn finden?"
„Ich weiß es nicht", heulte Mrs. Spencer. „Mein Mann hatte Blut an den Fingerknöcheln und es sind kleine Blutspritzer auf dem Boden..."
Allan knurrte kaum hörbar. Perplex löste sich Cedric von ihm. Allan ignorierte seinen Blick geflissentlich. „Mrs. Spencer, bitte bleiben Sie, wo Sie sind. Wir werden ein paar Kollegen von der Polizei hinzuziehen, einen Sanitäter, falls Ihr Sohn verletzt ist und einen Spürhund–"
„Wir haben hier keinen Spürhund", unterbrach ihn Cedric heiser.
„Keinen Spürhund?", wiederholte Allan entgeistert. „Wie sollen wir ihn denn dann bitte in der Dunkelheit finden?"
„Bitte sagen Sie mir, dass Sie ihn trotzdem finden können!", rief Mrs. Spencer verzweifelt durchs Telefon.
„Bleiben Sie ruhig, Mrs. Spencer", entgegnete Allan langsam, als spräche er mit einem kleinen Kind. „Wir werden unser Bestes geben, Clark zu finden, versprochen. Warten Sie an ihrem Haus, wir werden in wenigen Minuten vor Ort sein, um uns auf den Weg zu machen. Bis dahin versuchen Sie bitte, Ihren Mann für weitere Informationen zu erreichen."
„Ja...", antwortete Mrs. Spencer kraftlos. Allan verabschiedete sich knapp und hängte auf.
„Allan...", wisperte Cedric leise, „Was genau war das gerade?"
Allan schnaubte missmutig. Er stand auf, drückte ihm grob die Notizen in die Hand und huschte an ihm vorbei zur Tür. „Komm schon, wir müssen los", sagte er gepresst.
„Nein, Allan!", rief Cedric schnell. Er lief ihm hinterher und griff nach seinem Arm, um ihn aufzuhalten. Allan sog scharf die Luft ein.
Sanft drehte Cedric ihn zu ihm herum, damit er ihm in die Augen sehen konnte. „Bevor wir irgendetwas machen, sagst du mir jetzt, was mit diesem Jungen passiert ist", sagte er leise.
„Das können wir auf dem Weg besprechen", entgegnete Allan abweisend. Er wandte den Blick ab, griff nach Cedrics Hand um diese wegzuschieben, doch Cedric konnte das Chaos in seinen dunklen Augen sehen.
„Nein."
Allan schien mir sich selbst zu ringen, doch er wusste, dass sie nur wertvolle Zeit verlieren würden, wenn er sich weiter vor einer Antwort drückte. Er seufzte tief. „Mrs. Spencer hat den Verdacht, dass sich ihr Mann und ihr Sohn gestritten haben", sagte er ergeben. „Wahrscheinlich hat ihr Mann ihn geschlagen. Er soll recht aggressiv sein und die beiden hätten in letzter Zeit einige Konflikte gehabt. Clark muss Reißaus in den Wald genommen haben, um der Situation zu entfliehen. Das war vor drei Stunden und von ihm ist keine Spur zu finden. Außerdem ist er allergisch gegen jegliche Art von Tierhaaren und im Wald..."
Cedric nickte verstehend. Diese Geschichte klang ganz und gar nicht nach einer aus Josephina Hill, dem eigentlich sehr ruhigen Dorf, doch sie war Realität und es war ihre Aufgabe, Clark zu finden. Doch was ihn wirklich störte waren Allans Emotionen, welche ganz offensichtlich aus der Bahn geworfen worden waren.

Sanft legte er die Hand an Allans Wange und merkte erst dadurch, dass sie kaum spürbar zitterte. „Allan, dir ging es heute morgen nicht gut und deine Emotionen sind gestört von deinen eigenen Erfahrungen. Ich würde es bevorzugen, wenn du hier bliebst..."
„Mir geht es gut", zischte Allan wütend. Er schob Cedrics Hand weg und drehte sich auf dem Absatz um, riss die Haustür auf. Regen und eiskalte Luft schlug ihnen im Sonnenuntergang entgegen.
„Allan", sagte Cedric eindringlich. Er packte ihn an den Hüften, hielt ihn zurück. „Du musst das nicht für dein Gewissen machen."
Unter seinen Händen konnte Cedric spüren, wie sich Allans Muskeln anspannten. „Ich mache es nicht für mein Gewissen, Cedric", erwiderte Allan kalt. Er löste sich gemächlich aus seinem Griff, trat die Stufen vor der Haustür hinunter auf die Straße und lief weiter in den Regen hinein. „Ich mache es für das Kind."

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