Twentyfifth

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Lautes Hahnenkrähen tönte durch Josephina Hill, und Allan schlug entnervt die Augen auf. Grummelnd drehte er sich auf die andere Seite, wobei ihm ein leichter Schmerz durch die Magengegend fuhr, und tastete nach seinem Telefon auf dem Nachtschränkchen. Das Display leuchtete grell auf und zeigte ihm 05:30 Uhr an. Ein leiser Seufzer entwich seinen Lippen. Er hatte absolut keine Lust aufzustehen. Er war total erschöpft.

Als er sich wieder umdrehte und die Sonne auf die leere Bettseite neben ihm scheinen sah, erinnerte er sich wieder an den vorigen Abend; dass er umgekippt war, Cedric ihn gefunden und anschließend bei ihm im Bett geschlafen hatte. Er biss sich auf die Lippe und runzelte leicht die Stirn. Was Erschöpfung nicht alles anstellen konnte.
Er fragte sich, ob Cedric bereits unten war. Vielleicht machte er ja schon Frühstück? Er hoffte es. Sein Magen knurrte wie ein Wolfsrudel und er konnte wirklich etwas zu essen gebrauchen.
Vorsichtig setzte er sich auf, und dennoch spürte er den Schwindel gnadenlos aufkommen und ihn zurück in die Kissen werfen. Er ächzte leise, sein Herz raste und schmerzte. Entnervt rieb er sich über die Brust, in der Hoffnung, so könne der Schmerz verschwinden, obgleich er es doch besser wusste.
Manchmal hasste er diese Schmerzen mehr als alles andere.
Er ließ die dunklen Augen über die Dachbalken wandern. Lauschte seinem eigenen, nicht gerade regelmäßigem Atem. Fragte sich, ob er es überhaupt heute schaffte, aufzustehen, wenn sich sein Herz nicht beruhigte. Doch er wollte Cedric keinesfalls beunruhigen.
Er seufzte auf. Er würde einfach seine Tabletten nehmen, vielleicht würden sie wirken und ihm den Tag ein wenig erleichtern.
Nachdem er es endlich zustande gebracht hatte, nach einigen Versuchen aufzustehen ohne zurück ins Bett zu fallen, schlüpfte er in eine frisch gewaschene Uniform und sog dabei den weichen Duft von dem Waschmittel, welches Cedric benutzte, in die Nase. Gemischte Gefühle kamen in ihm auf, Liebe, Sehnsucht, Wohlbefinden, und doch direkt daneben so viel Angst, schlechte Gedanken und Erinnerungen. Sein Spiegelbild blickte ihm wehmütig entgegen, in seinen Augen ein feuchter Schimmer, und gequält verzog er das Gesicht.
Warum mussten Gefühle bloß immer so kompliziert sein?

~

Cedric hörte selbst vom Garten aus, wie sich Allans Schritte schwer die Treppe ins Erdgeschoss hinunter schleppten. Er ließ die Gießkanne, mit welcher er einige Kräuter bewässert hatte, im Gras stehen und trat zurück in die Küche.
Doch das Lächeln kippte ihm aus dem Gesicht, als er sah, wie sich Allan mit tiefen Augenringen und erschöpftem Gesichtsausdruck in die Küche schleppte.
„Hey..." Nervös rieb er sich den Nacken. „Guten Morgen, Allan."
„Guten Morgen", murmelte Allan zögerlich. Verhalten trafen sich ihre Blicke. Allan versuchte es mit einem Lächeln, doch er schaffte es nicht wirklich. Er ließ sich schwerfällig auf einen Stuhl am Tisch fallen. Ein Rasseln ertönte, und Cedric fiel erst jetzt auf, dass er eine kleine weiße Dose in der Hand hielt.
„Medikamente?", fragte er leise.
Allan biss sich auf die Lippe. Er nickte ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
„Ich hole dir Wasser", wisperte Cedric. Er machte sich auf zur Spüle, holte ein Glas aus dem Wandschrank darüber und füllte es mit Leitungswasser auf. Dann brachte er es Allan, stellte es vor ihm auf dem Tisch ab und setzte sich neben ihn.
Allan betrachtete stumm das Glas vor ihm. Seine Augenlider schienen schwer oben zu bleiben, als wögen sie zu viel, als wäre es eine Herausforderung, wach zu bleiben. Seine Finger um der Tablettendose zitterten leicht.
Cedric streckte vorsichtig die Hand aus. Allan beobachtete, wie er sie sanft auf seinen Arm legte und mit dem Daumen darüber strich.
Allan wandte den Blick ab, doch Cedric konnte noch den Schmerz in ihnen sehen, unendlich und bitter. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
Allan löste den Arm aus seinem Griff, öffnete die Tablettendose, legte zwei davon in seine Hand und schluckte sie mit einem halben Glas Wasser hinunter. Er bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen und richtete den Blick auf den Tisch.
Cedric fasste zaghaft nach seiner Hand. Allan schloss zitternd die Finger um die seine und seufzte kaum hörbar.
„Möchtest du lieber wieder ins Bett?", fragte Cedric sanft. „Ich will nicht, dass du dich durch den Tag quälst."
„Nein, es ist in Ordnung", winkte Allan schwach ab. „Die Tabletten werden gleich wirken und dann geht es schon... hoffe ich zumindest."
„Ach Allan...", seufzte Cedric zerknirscht.
„Ja?", erwiderte Allan bloß tonlos.
Cedric zögerte. „Bitte schau mich an."
Zaghaft hob Allan den Blick, gewährte ihm Zutritt in die Gefühlswelt hinter diesem Dunkel, das ihn ansah und nach Hilfe rief.

Cedric legte eine Hand auf Allans Wange, beugte sich vor und legte sanft die Lippen auf seine, nur für einen Augenblick. Müde lehnte er die Stirn an Allan's, spürte dessen Atem auf seiner Wange und dessen Lippen so nah den seinen, dass die Luft dazwischen flirrte. Wie automatisch ließ er die Hand in Allans Nacken gleiten, streichelte federleicht über die Haut dort. Allan spannte sich an, atmete tief und beherrscht ein und aus. Statt sich wie sonst von ihm zu lösen, streckte er die Arme aus und legte sie zaghaft um Cedrics Hals. Cedric spürte das Zittern in seinen Händen. Er drückte Allan einen kleinen Kuss auf die Wange.
„Ich bin stolz darauf, dass du mich an dich ranlässt, Allan", wisperte er leise. „Ich weiß, wie viel Kraft es dich kostet. Und ich möchte, dass du weißt, wie glücklich mich jeder Moment mit dir macht."
„Ich bin zu schwierig", unterbrach ihn Allan schmerzlich, „du solltest keine Zeit drauf verschwenden, darauf zu warten, dass ich meinen Arsch bewege."
„Nein nein nein", sagte Cedric streng. Er schob Allan ein Stück von sich um ihm in die Augen sehen zu können. Er legte beide Hände auf seine Wangen und blickte ihn eindringlich an. „Denk nicht so, Allan. Du bist mir wichtig und ich liebe dich, deshalb werde ich so lange darauf warten, dass du dich endlich vollkommen öffnen kannst, wie du es brauchst. Da gibt es kein Verschwenden von Zeit. Verstanden?"
Allan blickte ihn direkt an, seine dunklen Augen füllten sich langsam mit Tränen. Er biss sich auf die Lippe. „I-i-ich..."
Cedric lächelte sanft. „Danke."
Allan hob verwirrt die Brauen. „Danke?"
Cedric nickte. „Für jeden Versuch, den du machst."
Allans Wangen färbten sich rosa und er suchte nach Worten, fand allerdings keine. Cedric beugte sich vor und küsste ihn sanft. Allan erwiderte den Kuss nur kurz, doch voller Sehnsucht, und ließ sein Herz dabei in einer Welle aus Glück stolpern.
„Meinst du nun, du schaffst es durch den Tag?", fragte er schließlich leise und ließ den Blick dabei über Allans hübsches Gesicht huschen.
„Ich denke, schon", antwortete jener leise. Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ich könnte bloß eine Tasse Kaffee gebrauchen. Oder zwei."
Cedric grinste. Er drückte Allan einen Kuss auf die Stirn. „Die kriegst du, Süßer, keine Sorge."
Allan lief puterrot an und grinste schüchtern zurück. „Sag das nicht, sonst flippt mein Herz wieder aus."
Cedric schnaubte halb belustigt, halb besorgt. Er hob eine Braue. „Fällt dir denn etwas besseres ein?"
Allan überlegte kurz, dann zuckte er die Schultern. „Um ehrlich zu sein, nein."
„Siehst du." Er drückte ihm flüchtig einen Kuss auf die Lippen. „Solange du keinen Herzinfarkt bekommst, ist doch alles gut."
„Bei dir habe ich die ohnehin jeden Tag", erwiderte Allan und lachte heiser. Cedric schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Du bist unglaublich, Al."
Allan lächelte ihn sanft an. Cedric erwiderte es. „Freut mich, dass es dir besser geht", wisperte er. „So siehst du gleich viel besser aus."
„Na, wem habe ich das bloß zu verdanken?", murmelte Allan mit leicht hochgezogener Braue und grinste schüchtern.
Dieses Mal spürte Cedric seine eigenen Wangen glühen, und Allans Grinsen wurde breiter. Er beugte sich vor und drückte ihm schüchtern einen Kuss auf die Lippen. Cedrics Herz machte einen Sprung. „Wie gesagt, unglaublich", murmelte er lächelnd.

Nur du zählst...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt