Die erste Intrige

354 13 4
                                    

Wien, 3. Mai 2020
Es war sieben Uhr morgens und mein Handy klingelte mich aus dem Schlaf. Ich habe heute frei, verdammt! Ich sah verschlafen auf das Display: Armin. Es muss also wichtig sein. „Hallo Armin, was ist los?", fragte ich müde. „Ich muss dich treffen, Helena! Dringend!"-„Heute ist mein erster freier Tag seit langem, kann das nicht ein anderer Reporter übernehmen?", maulte ich. „Ich muss dich privat treffen". Das klang ernst. „Weshalb?", fragte ich nervös. Er konnte niemals von Sebastian wissen, niemand hat uns beobachten können! „Worum geht es?", bohrte ich nach. „Frag nicht. Also: um acht Uhr im Café Imperial?"- „Ja!", maulte ich. Dann legte er auf, ohne sich zu verabschieden. „Arschloch!", schrie ich ins Telefon, wohl wissend, dass er mich nicht hören konnte. „Ruhe!", kam es aus der Nachbarwohnung. „Tschuldigung!", schrie ich zurück. Keine Antwort. Naja, egal. Ich suchte mir alltägliche Klamotten raus, enge Jeans, den weißen Pullover von gestern und darüber einen Blazer. Die Haare ließ ich offen, weil Sebastian mir einen Knutschfleck am Hals verpasst hatte. Ich schminkte mich leicht und machte mir ein kleines Frühstück. Ich brachte aber kaum ein halbes Joghurt runter, weil ich so nervös war. Was zum Teufel wollte Armin mit mir privat bereden?? Sebastian hatte sich gestern nicht einmal mehr gemeldet. Nadja und Coralie war ich aus dem Weg gegangen. Sollte ich Sebastian anrufen? Nein, nicht, dass ich ihn bei einem seiner wichtigen Termine störe. Um halb acht verließ ich schließlich mit meinem kleinen Lieblingsrucksack das Haus und fuhr von Floridsdorf zum Karlsplatz, um von dort aus zum Café Imperial zu gehen. Ich kam etwas zu spät an und sah Armin ungeduldig an einem Tisch sitzen. Als er mich schließlich von Weitem sah, lächelte er erleichtert. „Hallo, Helena! Danke, dass du so schnell gekommen bist!"- „Armin, was zur Hölle soll das??" Er sah mich eindringlich an. „Setz dich!" Erst jetzt bemerkte ich, dass Armin bereits Frühstück bestellt hatte. „Falls das ein Annäherungsversuch sein soll, Armin, dann muss ich dich leider enttäuschen, ich bin nicht an dir interessiert", meinte ich sofort. Er lachte auf. Gekünstelt. Was wird hier gespielt?? „Ach, Helena! Du bist so lustig!"- „Was ist hier los? Lüg mich nicht an!" Ich war nervös und ungehalten und nicht aufgelegt für Spielchen. „Und intelligent bist du auch, Liebes", stellte er nun plötzlich sehr kühl fest. Ich schauderte, stellte aber dennoch meinen Rucksack ab und setzte mich. „Du und der Bundeskanzler", meinte er und sah mir direkt in die Augen. Ich schluckte. „Nein"- „Doch"- „Ich bin eine professionelle Reporterin, ich würde mir niemals etwas mit einem Politiker anfangen!"- „Doch". Ich fing an heftig zu zittern. „Armin, bitte, du darfst niemanden davon..."- „Helena, beruhige dich! Ich werde dein kleines Geheimnis nicht verraten"- „Weshalb treffen wir uns sonst hier?! Willst du mich erpressen??" Ich war den Tränen nahe. „Ruhig, Liebes! Ich will dir nur einen Rat geben, ja?" Ich sah ihn verdutzt an. „Du bist eine junge, aufstrebende Reporterin. Und der Kanzler, der hat sich in dich verliebt. Er ist verrückt nach dir und deshalb wird er dir schon bald auch sehr viel Vertrauen schenken. Und du wirst absolut alles von ihm erfahren, alles was ihn bewegt und somit auch alles, was ihn beruflich bewegt"- „Du machst mir Angst"- „Oh, nicht doch! Du solltest aufgeregt sein! Dir bietet sich eine einmalige Chance. Finde alles über die dreckigen Machenschaften der Politik heraus. Der Kanzler, da kannst du dir sicher sein, ist in viele dreckige Angelegenheiten involviert. Wenn du diese Informationen an den ORF weiterleitest, Helena, ich verspreche dir, du wirst nie wieder dämliche Berichte sortieren müssen, in ganz Österreich wirst du DIE Spitzenreporterin schlechthin sein, du wirst nicht nur Interviews machen, du wirst Interviews GEBEN! Österreich, nein ganz Europa will dich dann!"- „Ich werde ganz sicher NIE Geheimnisse von Sebastian an die Presse weiterleiten! Du spinnst wohl!", flüsterte ich entgeistert. Armin, der wohl korrekteste Reporter den ich kenne, redet mir ein, Sebastian in den Rücken zu fallen. „Hast du keine Ehre?!"- „Er ist nur ein Politiker. Und denkst du, er liebt dich wirklich von Herzen?"- „Ja!" Er lachte. Mir war zum Heulen zumute. „Sei nicht naiv. Er ist seit 14 Jahren mit Susanne zusammen. Er muss sich einfach nur mal die Hörner abstoßen, nachholen, was er in seiner Jugend verpasst hat. Er hält es jetzt vielleicht für Liebe, aber du wirst schon bald merken, dass du nichts weiter als eine Affäre bist"- „Ich bin keine Affäre", zischte ich. „Warum müsst ihr euch dann heimlich treffen?"- „Du verstehst das nicht". Armin lachte. „Das ist eine einmalige Chance!" Plötzlich klingelte mein Handy: es war Christoph. „Geh ruhig ran", meinte er lächelnd. Ich stand wortlos auf und ging nach Draußen, um zu telefonieren. „Christoph, was gibt's?", fragte ich und versuchte dabei nicht loszuheulen. „Hallo Helena, wie geht es dir?"-„Rufst du an, um mich das zu fragen?"-„Nein, ähm... also wir haben hier ein kleines Problem mit den Interviews, die wir gestern gemacht hatten..."- „Bei denen ich nicht dabei war", warf ich genervt ein. „Ja. Es tut mir leid, dass ich gestern so mies drauf war... ich finde... ja, ich finde, wenn du denkst, dass es Liebe ist, dann sollst du es mit ihm versuchen". Ich war verwirrt. „Christoph? Bist das wirklich du?"- „Helena, ja. Ich habe mein Verhalten von gestern überdacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass meine Reaktion falsch war. Das ist dein Leben und du solltest deinem Herzen folgen. Vielleicht ist Sebastian ja der Richtige für dich. Und wer weiß, vielleicht kommst du so an politische Details und..."- „Was ist mit euch allen bloß los?! Ich liebe Sebastian, ich würde ihn nie für ein bisschen Ruhm an die Presse verkaufen!", rief ich aufgebracht. „So habe ich das doch nicht gemeint! Ich dachte mehr daran, dass ihr beide eure beruflichen Vorteile daraus schlagen könntet"- „Christoph, das ist absolut gar nicht lustig! Ich werde Sebastian NIE verraten, selbst dann nicht, wenn wir uns trennen sollten. Selbst dann nicht, wenn ich nur eine Affäre sein sollte, verstanden?!"- „Okay, okay, tut mir leid. Ich wollte mich eigentlich ja nur bei dir entschuldigen und... und dich wegen der Interviews fragen. Also, folgendes Problem: Wir haben bei zwei sehr guten Interviewpartnern vergessen, ihre Unterschrift für ihr Einverständnis einzufordern und..."- „Schau ich aus wie ein Rechtsanwalt?? Damit kenne ich mich nicht aus! Und wenn du bitte entschuldigen würdest, ich muss jetzt auflegen..."- „Helena, nein, stopp!" Ich war genervt und enttäuscht. „Was?!"- „Wir brauchen eine neue Idee für Straßeninterviews, fällt dir etwas ein? Wir sollten gleich am 5. Mai am Vormittag eine kurze Straßenreportage machen und wir brauchen dringend ein Spannendes Thema"- „Das ist ebenfalls nur bedingt mein Zuständigkeitsbereich. Und schon gar nicht während ich Urlaub habe!"- „Ich ähm, ich wollte dich nur nach Ideen fragen!"- „Okay, ich habe keine. Tschüss". Ich legte einfach auf und betrat das Café. Armin saß offensichtlich sehr zufrieden am Tisch. Ich setzte mich wieder. „Entschuldigung", murmelte ich. „Hast du auch ein wenig nachdenken können? Das ist DEINE Chance!"- „Armin, ich habe dich einmal bewundert. Du bist einer der Gründe, warum ich zum ORF wollte, du warst einmal mein Idol. Ich dachte du bist ein Reporter, der an der nackten Wahrheit interessiert ist und diese auch nur über den direkten Weg erfahren will, nämlich im direkten Gespräch. Du warst mein Vorbild. Aber das, was du da gerade von dir gegeben hast, das enttäuscht mich. Und ich hoffe so sehr, dass du mich heute noch anrufst und mir sagst, dass du auf Drogen warst, als du mir das Angebot gemacht hast und du im nüchternen zustand so etwas NIE gesagt hättest! Ich gehe. Ciao, Armin", meinte ich, nahm meinen Rucksack und ging. Er sagte nichts. Er ließ mich gehen. Mir war zum Heulen zumute. Auf dem Weg zur U-Bahn-Station rief ich Sebastian an, doch er hob nicht ab. Völlig verzweifelt und den Tränen nahe hinterließ ich ihm eine Nachricht auf der Mobilbox. „Hallo Sebastian, hier ist Helena. Es tut mir leid, wenn ich Sie gerade störe. Ich möchte Sie so gerne sehen, mir ist... es ist etwas Schlimmes passiert und ich will nicht alleine sein". Ich fuhr mit der U-Bahn nach Hause. Dort angekommen traf ich auf Nadja, die mit ihrem Laptop auf dem Sofa saß und Frühstück mampfte. Sie sah mich eindringlich an. „Hey, du bist ja voll fertig! Willst du reden?", fragte sie sofort mitfühlend. Ich schüttelte den Kopf und versuchte nicht zu weinen. „Nur kuscheln, nicht reden?" Ich nickte und schon rannen die ersten Tränen aus meinen Augen. Sie machte Platz für mich auf dem Sofa, deckte mich zu und gab mir etwas von Ihrer Eierspeise ab. Sie schloss das Fenster mit ihren Uni-Aufgaben und öffnete Netflix. „Was magst du schauen?"- „Was Lustiges"- „Wir könnten eine Folge ‚Der Tatortreiniger' schauen?", schlug sie vor. Ich nickte heftig. Sie ist eine ehrliche Freundin. Sie will keine Informationen. Wir sahen uns statt einer Folge gleich drei an, Nadja machte zwischendurch noch einmal Eierspeise und teilte mit mir ihre Schokokekse. „Du bist echt eine gute Freundin, Nadja", meinte ich, als sie mir den letzten Keks überließ. „Hey, ist doch klar, dass ich für dich da bin, wenn du Liebeskummer hast!" Ich sah sie verwirrt an. „Ich hab keinen Liebeskummer", erklärte ich. „Oh, sorry... ich dachte das mit dir und... ich dachte der Kanzler hat dich abgeschossen!" Ich fing an zu lachen und sie lachte daraufhin mit. „Nein, ich hab scheiß Probleme in der Arbeit", meinte ich. „Ich wusste nicht, dass Journalismus so dreckig so sein kann". Nadja umarmte mich und ließ mich reden. „Nadja, du darfst niemanden, auch nicht Coralie und überhaupt gar niemanden von Sebastian und mir erzählen", meinte ich schließlich, nachdem ich ihr von meinem Treffen mit Armin berichtet hatte. Sie nickte. „Ist klar, habe ich mir schon gedacht. Ich bin zwar keine Psychologin, aber ich denke, wenn du ihm nicht wichtig wärst, dann hätte er sich nichts mit dir angefangen. Er ist Bundeskanzler und du eine Reporterin, wenn er dir nicht vertrauen würde, wenn er dich nicht lieben würde, dann würde er dieses gewaltige Risiko niemals eingehen". Ich nickte. „Soll ich Sebastian von Armin erzählen?" Nadja schüttelte den Kopf. „Ich denke, dass ihn das nur verunsichern würde. Und dass eure Beziehung schlussendlich an Misstrauen oder an der Angespanntheit wegen solcher Sachen zerbrechen könnte. Du weißt, dass du ihn niemals verraten würdest. Und das ist das Wichtigste". Ich drückte sie dankbar. „Du bist die Beste!" Als wir uns eine dritte Folge vom Tatortreiniger ansahen, rief mich plötzlich Sebastian an. „Du, ich..."- „Kein Problem", meinte Nadja und verließ schnell das Wohnzimmer. Ich hauchte ihr einen Luftkuss zu und hob ab. „Hallo, Sebastian!"- „Hallo, Frau Hintertupfing. Bitte begrüßen Sie mich am Telefon nur mit Herr Kurz oder Herr Bundeskanzler. Man kann schließlich nicht wissen, wer gerade um den anderen herumsteht. Sind Sie alleine?"- „Ja, bin ich"- „Ich auch. Ich kann leider nicht weg, ich habe wichtige Meetings und jetzt grade eine kurze Pause. Aber ich wollte wissen, was los ist, Ihre Nachricht klang so... ernst? Geht es Ihnen gut?", fragte er besorgt. Achja, diese Nachricht auf der Mobilbox... „Ja, das tut es. Tut mir wirklich leid, ich habe in diesem Moment überreagiert, ich hatte furchtbare Probleme auf der Arbeit und... aber ich bin jetzt zu Hause. Es geht mir wieder besser, danke", log ich. „Okay... ich dachte, Sie haben heute frei?", fragte er misstrauisch. „Ja, eigentlich schon. Aber es war etwas sehr Wichtiges und deshalb musste ich dennoch etwas erledigen und das... ist unerwartet eskaliert". Schön umschrieben. Eine kurze Stille herrschte zwischen uns. „Helena, ich kann heute nicht. Diese Meetings sind die Hölle und es ist kein Ende in Sicht. Ich muss heute nach Hause zu Susanne. Vielleicht... vielleicht geht es ja morgen. Ich melde mich diesbezüglich noch einmal. In Ordnung?"- „Ja, klar"- „Gut. Auf Wiedersehen"- „Auf Wiedersehen". Ich legte auf. Armin kam mir wieder in den Kopf. Ich wusste, dass der Journalismus kein sauberes Pflaster war, aber dass man dafür Menschen hintergeht, wusste ich nicht.

Die Staatsaffäre -eine skandal- und intrigenreiche Fanfiction mit Sebastian KurzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt