Regeneration

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Meine liebe Leserschaft!
ENDLICH habe ich das Cover aktualisiert! Wie gefällt es euch?
Ich habe deshalb so lange kein neues Kapitel hochgeladen, weil ich diese Woche Matura hatte. Nun aber wünsche ich euch VIEL SPAß mit dem 12. Teil! Morgen/Heute kommen dann auch weitere Fragen in meinen Unterhaltungen zu diesem Kapitel der Staatsaffäre!
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Wien, 9. Mai 2019
Gegen acht Uhr wachte ich auf. Ich hatte mir zum ersten Mal seit langer Zeit keinen Wecker gestellt. Sogar an meinen freien Tagen hatte ich mir einen Wecker für spätestens acht Uhr gestellt, damit ich meinen Schlafrhythmus nicht versaue. Ich ging, noch im Pyjama ins Bad um mich kurz du duschen. Aus Gewohnheit gehe ich normalerweise abends duschen, weil ich um vier Uhr nicht das ganze Haus aufwecken wollte, aber jetzt ist nicht mehr normal. Und irgendwie genoss ich das sogar. Nachdem ich mich geduscht hatte, ging ich in die Küche, wo Nadja mit Pancakes auf mich wartete. „Guten Morgen, Milchmaus!", begrüßte sie mich. „Guten Morgen, Nadja! Wow, du hast Pancakes gemacht, das ist... das ist mega süß von dir!" Nadja winkte ab. „Ich wollte mir sowieso Pancakes machen, also kein Ding"- „Doch, sehr wohl ein Ding! Du hast Schlagobers gemacht!" Sie kicherte und goss uns beiden Kaffee ein. Ich setzte mich zu ihr an den Tisch und wir begannen begierig zu mampfen. Nadja konnte super kochen und backen! „Weißt du, Helena, ich wollte heute Vormittag ins Fitnessstudio gehen und da es mir echt guttut, wollte ich dich fragen, ob du nicht vielleicht mitgehen magst?"- „Und dabei gleich eine Mitgliedschaft unterschreibe?" Nadja kicherte und ich musste daraufhin auch loslachen. „Genau. Kostet nur knappe 30 Euro im Monat, nur 20, wenn du dich gleich für ein ganzes Jahr anmeldest. Also, was sagst du?" Ich zögerte. „Ja, okay. Du hast ja recht. Die zwei Monate, die ich mal im Gym angemeldet war, haben sich ja auch irgendwie positiv ausgewirkt, auch, wenn ich nur einmal in der Woche hingegangen bin"- „Jawoll!", rief Nadja triumphierend. Plötzlich klingelte mein Handy, das noch in meinem Zimmer lag. Ich verdrehte genervt die Augen und wollte aufstehen, aber Nadja hielt mich zurück. „Der ORF hat meine Nummer, sollte es wichtig sein"- „Aber Sebastian nicht!" Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich mir wünschte, dass er sich Sorgen um mich machte und mich deshalb anrief. „Ja, okay, dann geh ran", schnaubte Nadja belustigt. Ich wollte rangehen, aber kaum war ich in meinem Zimmer angekommen, musste ich feststellen, dass es nicht Sebastian, sondern Christoph war, der mich anrief. Ich hob enttäuscht ab. „Hallo Christoph"- „Hallo Helena, oh Gott, wie geht es dir?"- „Ist okay. Ich brauche jetzt einfach eine kleine Auszeit und... und verausgabe mich dann nicht mehr so. Aber ansonsten geht es mir wirklich gut" Ich hörte ihn erleichtert aufatmen. „Schön. Wirklich, ich... ich bin froh. Falls du irgendetwas brauchst, Marija und ich sind für dich da, ja? Ich störe dich auch schon nicht mehr, du hast wahrscheinlich geschlafen, oder..."- „Nein, nein, ich war schon wach. Dankeschön, Christoph"- „Bitte. Tschüss"- „Ciao". Ich ging zurück in die Küche. „Nicht Sebastian?" Ich schüttelte seufzend den Kopf und setzte mich zurück an den Tisch. Wir aßen fertig und wollten gerade los, als es an der klingelte. „Sebastian?", fragte ich und sah Nadja an. „Vielleicht!" Ich ließ meine Sporttasche sinken und ging hoffnungsvoll zur Tür. Mein Herz raste wie verrückt, während ich den Hörer zur Sprechanlage abnahm. „Hallo?"- „Spreche ich mit Helena Hintertupfing?" Es war nicht Sebastian. „Ja, was wollen Sie?" Ich war so enttäuscht, dass sich wieder ein Kloß in meinem Hals bildete. „Markus Gruber mein Name, ich bin ein Psychotherapeut und im Auftrag des ORF hier" Was? Der ORF bezahlt eine Psychotherapie obwohl noch gar kein Burnout diagnostiziert worden ist?? „Ähm... ja also... werden Sie vom ORF bezahlt oder was... übernimmt das meine Krankenkasse, ich... ich verstehe nicht..."- „Der ORF. Möchten Sie das Angebot annehmen?"- „Ich... also... ja, schon... warten Sie, ich öffne Ihnen die Tür". „Wer ist das??", fragte Nadja. „Ein Psychotherapeut vom ORF" Sie sah mich mit großen Augen an. „Was ist, wenn es gar kein Therapeut, sondern ein Journalist ist??"- „Weshalb sollten Journalisten hinter mir her sein??" Wir hörten Schritte die Treppe hochkommen. „Ich... ich habe es dir gestern nicht mehr gesagt... also, also du warst ja bei dieser Führung dabei..."- „Ja und weiter?"- „Und gestern wurde in der ‚Heute' ein Bild veröffentlicht auf dem Sebastian und du nach der Führung die Köpfe zusammensteckt und du siehst dabei... etwas verweint aus". Scheißdreck. Es klopfte an der Tür. „Warum hast du mir das nicht gesagt??"- „Weil du so am Arsch warst! Und weil es doch nur eine dumme Klatschpresse ist!"- „Zeig!"- „Ich hab sie weggeworfen"- „Wohin?"- „Altpapier"- „Soll ich das Ding suchen oder du?"- „Reg dich ab!"- „Ich will den Artikel sehen!" Es klopfte wieder an der Tür. „Vertrau ihm bloß nicht!"- „Was soll ich denn machen?!", zischte ich. „Haben Sie einen Ausweis dabei??", rief Nadja. Keine Antwort. „Siehst du!", hauchte sie. Plötzlich wurde eine Visitenkarte unter der Tür durchgeschoben. Tatsächlich. Markus Gruber, Psychotherapeut. „Das heißt gar nichts! Sowas kann jeder Trottel mit einem Farbdrucker machen!", zischte sie. „Ich habe auch einen Führerschein dabei, den kann nicht jeder Trottel mit einem Farbdrucker machen!" Wir sahen erst uns und dann die Tür perplex an. Kurz darauf wurden ein Führerschein und eine E-Card durchgeschoben, beides auf seinen Namen. Ich seufzte und öffnete die Tür: ein großer, schlanker Mann Ende 40 mit offensichtlich gefärbtem, dunkelbraunem Haar stand in der Tür. „Wäre ich Sie, hätte ich mir auch nicht vertraut". Wow. Er war attraktiv, trotz seines fortgeschrittenen Alters. Außerdem war er sehr sympathisch. „Also, Herr Gruber, wie ist das gelaufen? Hat der ORF bei Ihnen geschellt oder wie kann ich mir das vorstellen?", fragte Nadja. Sie war immer noch misstrauisch. „Nicht direkt. Herr Wolf hat mich angerufen, engagiert und bezahlt mich auch. Er wollte zwar nicht, dass Sie erfahren, dass er es war, der mich engagiert hat, aber ich denke, dass ich als ihr Psychotherapeut, Ihnen dieses Detail nicht vorenthalten darf". Mir fiel die Kinnlade runter. Armin hatte einen Psychotherapeuten für mich engagiert?? „Was zum... aber..."- „Armin ist ein Arsch! Helena, ich wette der Typ wird dafür bezahlt, dass er Infos über dich sammelt und dann Armin weitergibt!"- „Ja, Nadja, das glaube ich auch"- „Hören Sie, Frau Hintertupfing, ich habe einen Eid abgelegt und stehe unter der Schweigepflicht. Ich kann vollkommen verstehen, wenn Sie mir nicht vertrauen und es vorziehen, einen anderen Psychotherapeuten zu suchen, aber in meinen Augen wäre das äußerst unsinnig. Sie müssen mir absolut nichts sagen, sie brauchen mir keine privaten Details aus ihrem Leben zu verraten, wenn Sie nicht möchten. Herr Wolf hat mich in erster Linie dazu beauftragt, Ihren Arbeitsalltag neu zu strukturieren, um ein Burnout zu verhindern". Alles, was er sagte, klang einleuchtend. Er sah seriös aus, aber war er das auch? „Ich will erst mit Armin reden"- „Wie Sie möchten" Ich zückte mein Handy und rief Armin an, der auch sofort abhob. „Hallo Helena?"- „Was macht Markus Gruber bei mir??"- „Bitte, Helena, nimm mein Angebot an!"- „Ich kann mir selbst einen Psychotherapeuten leisten!"- „Aber du tust es nicht! Das sehe ich jetzt schon! Du bist wie ich! Du bist ehrgeizig, arbeitest hart, willst erfolgreich sein, aber du machst dich kaputt und ignorierst alle Warnhinweise! Sei nicht so ein ignoranter Sturschädel wie ich damals! Schieß Markus meinetwegen in den Wind und such dir einen anderen Therapeuten, wenn du ihn unsympathisch findest, aber lass dir helfen!!" Ich stockte. Ich hasste Armin immer noch für das, was er Sebastian antun will, aber Armin und mich verband nicht nur, dass er über zehn Jahre mein Idol war, sondern auch ein halbes Jahr gemeinsame Arbeit. Er hat mich gepushed, um mir jede Beförderung zu verschaffen, die ich bekommen konnte und mir zu unglaublichen Möglichkeiten wie Live-Moderation verholfen. Und er ist wie ich vom Beruf besessen. Und er leidet. Und weil er mich gerne hat, will er mir das Ersparen. Uneigennützig. Das ist der Armin, den ich kennengelernt habe. „Okay, ich rede mit ihm". Ich hörte ihn erleichtert aufatmen. „Lass dir Zeit, ja? Mit allem. Ich bin sehr stolz auf dich"- „Ciao!" Ich legte auf. Markus hatte mitbekommen, dass ich bereit war, mit ihm zu reden. „Ich würde Sie bitten, uns dafür alleine zu lassen", meinte er zu Nadja. Nadja, welche Markus ganz offensichtlich nicht ausstehen konnte, sah hilfesuchend zu mir. „Magst du die Heute-Zeitung holen?", fragte ich. Nadja nickte geschlagen. „Ich hol die Zeitung und geh zum Sport, dann habt ihr eure Ruhe", zischte sie. „Danke", meinte ich ehrlich. Sie nickte und ließ uns alleine. Ich seufzte und deutete auf die Couch. „Bitte". Wir setzten uns. „Beschreiben Sie mir ihren Arbeitsalltag"- „Also ich stehe um vier Uhr auf, bin um viertel nach fünf dann meistens in der Arbeit und selektiere dann Neuigkeiten, die über Nacht reingekommen sind. Ich überarbeite Beiträge und schicke sie dann weiter. Um halb acht bin ich damit dann fertig, dann trinke ich Kaffee und esse Frühstück. Und dann mache ich entweder weiter mit Beiträgen, oder mache Straßeninterviews, oder bin im Studio, oder mache anderweitige Interviews. Dann mache ich irgendwann Mittagspause, je nachdem, wann ich Zeit habe. Da esse ich auch was. Und dann im Nachmittag mache ich wieder das, was ansteht". Es tat mir gut, mit Markus zu reden, auch, wenn er mir in erster Linie bloß zuhörte und nur ab und an Fragen stellte. „Was tun Sie gerne, außerhalb des ORF?" Ich stockte. „Naja, also, ich... ich weiß nicht". Ich wusste es tatsächlich nicht. „Ich fahre gerne weg, ich mache gerne Urlaub, ich mag Städte und schöne Landschaften, ich mag das Meer und Seen mag ich auch. Aber... aber ansonsten... ach ja, ich lese gerne! Ich gehe auch gerne abends weg"- „Wann waren Sie denn zuletzt abends aus?" Ich musste überlegen. „Das war... das war im März, denke ich. Ja, Anfang März". Das ist ewig her. Je länger wir redeten, desto klarer wurde mir, dass ich durch mein Aufopfern für die Arbeit mein Privatleben enorm vernachlässigt hatte, beziehungsweise gar keines habe. Markus gab mir als Hausaufgabe aufzuschreiben, was ich gerne tue und gerne tun würde. Ich hatte nur mehr zwei Tage frei, bis ich wieder zur Arbeit musste. Markus erstellte mir deshalb auch ein psychologisches Gutachten, dass mich für bedingt arbeitsfähig erklärte. Das Maximum von fünf Stunden täglich und zwanzig Stunden in der Woche durfte ich aber vorerst nicht überschreiten. Es lag vielleicht an der Sympathie und der Attraktivität, die er ausstrahlte, dass ich so viel erzählte und mir helfen ließ. Die nächste Therapieeinheit sollte am Tag nach meinem ersten Arbeitstag sein. Die erste Sitzung hatte fast zwei Stunden gedauert. Ich brachte ihn zur Wohnungstür. „Ich freue mich sehr, dass Sie sich dazu entschlossen haben, sich helfen zu lassen! Das ist ein großer und wirklich mutiger Schritt!" Ich wurde rot. „Dankeschön. Naja, es ist ja längst überfällig"- „Allerdings. Auf Wiedersehen, Frau Hintertupfing"- „Auf Wiedersehen!" Als er die Tür öffnete, stand draußen schon Nadja mit Sporttasche und Zeitung unterm Arm. „Auf Wiedersehen", meinte Markus knapp. Sie nickte und ging, ohne ihn ebenfalls zu verabschieden, in die Wohnung. Als er weg war, fand sie ihre Sprache wieder. „Helena, ich habe ein echt schlechtes Gefühl bei dem Typen"- „Ich nicht! Die erste Sitzung hat schon so viel gebracht! Und er ist wirklich sympathisch!"- „Grade deshalb mache ich mir solche Sorgen! Er ist so perfekt auf das abgestimmt, auf was du stehst. Weiß Armin, dass du dunkle Haare magst? Weiß Armin, dass du gesittete und intellektuelle Männer magst? Weiß Armin, dass du schon immer einen Fable für ältere Männer hattest?? Weiß er das?!"- „Herrgott, nein! Ich habe mit ihm nie über sowas geredet! Das ist reiner Zufall!"- „Sei nicht so naiv!"- „Ich bin nicht naiv!" Ich wurde sauer. „Ich geh ein Stück spazieren", meinte ich schließlich, schnappte mir die Zeitung und meinen Rucksack, mit dem ich eigentlich zum Sport wollte, und verließ die Wohnung. Nadja sagte nichts mehr. Natürlich wollte sie mich nur beschützen. Aber ihr Misstrauen machte alles kaputt. Außerdem musste ich jetzt unbedingt diesen bescheuerten Artikel lesen! Wütend stampfte ich die Treppe runter. Vor der Tür des Wohnhauses stand Markus, telefonierend und dabei eine Zigarette rauchend. Als er mich sah, zog er überrascht eine Augenbraue hoch. „Ja... natürlich... Ich habe jetzt noch einen Termin, hören wir uns später? ... perfekt!" Er legte auf warf die Zigarette zu Boden und drückte sie mit dem Absatz seiner dunklen Lederhalbschuhe aus. „Ich hätte nicht gedacht, Sie so früh wiederzusehen", meinte er lächelnd. „Ich auch nicht". Im natürlichen Licht wirkte er sportlich und jung. „Haben Sie etwas gefunden, dass Sie gerne machen und sind grade auf dem Weg es zu tun?", fragte er. „Nein... ich... brauchte frische Luft. Und wollte etwas lesen. Ein Artikel über den Bundeskanzler und mich ist gestern erschienen und... ja"- „Ja, Ihre Wohnungstüre ist recht dünn, ich habe ungewollt mitgehört"- „Ach ja?" Ich war beschämt. „Sie müssen nicht mit mir darüber reden"- „Und wenn ich möchte?" Er sah mich perplex an. Ich wollte mit Markus über Sebastian reden. Wissen, was er von seinem Verhalten hält. Er war immerhin Psychotherapeut, er kannte die Psyche des Menschen! „Dann würde mich das sehr freuen! Aber ich glaube, Sie sollten sich damit bis frühestens nächste Therapiestunde Zeit lassen. Ich möchte, dass Sie Vertrauen zu mir aufbauen können und da Sie nicht ganz unberechtigte Zweifel haben, würde ich es als klug erachten, wenn Sie mir diese Details aus Ihrem Leben noch nicht anvertrauen". Wow. Er hatte vollkommen recht. Vielleicht war das aber auch nur ein Trick. „Stimmt. Dann... bis in vier Tagen"- „Genau. Auf Wiedersehen"- „Auf Wiedersehen", meinte ich, drehte ihm den Rücken zu und ging. Ich hätte ihm doch glatt von Sebastian erzählt! Ich ging ein paar Straßen weiter in den Park. Ich suchte mir eine Parkbank und blätterte in der Zeitung. Müll, Bla Bla, Kitsch, ... wie ich die „Heute" hasse! Auf Seite 14 sah ich schließlich das ominöse Foto: Sebastian, wie er mich genervt ansah, den Kopf zu mir geneigt hatte. Ich, wie ich verzweifelt zurückblickte. Der Titel: „ORF Reporterin von Bundeskanzler zurückgewiesen?" Erbärmlich! Auf so einen Drecks-Titel kann auch nur die „Heute" kommen! Ich las schließlich den Artikel: „Da stecken zwei die Köpfe zusammen: Bundeskanzler Sebastian Kurz und ORF-Reporterin Helena Hintertupfing haben augenscheinlich Ernstes zu bereden! Nach einer Führung durch das Bundeskanzleramt am vergangenen Tag wurde dieses Bild aufgenommen. Helena Hintertupfing hat vor etwa zwei Wochen bei einer Pressekonferenz den jungen Bundeskanzler angestachelt, woraufhin mehrere Interviews der beiden auf dem Fernsehsender ORF 1 und dem Radiosender Ö3 folgten. Eine Freundschaft oder doch eher eine kurze Affäre? Helena ist sichtlich verzweifelt. Hat der Bundeskanzler sie nach der Führung, bei der auch Sebastian Kurz' Freundin Susanne Thier anwesend war, darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihre Koalition nur von kurzer Dauer war? Bislang haben sich beide nicht dazu geäußert" Was für ein Schwachsinn! Ich knüllte die Zeitung zusammen und warf sie in den nächsten Mülleimer. Ich bin keine Affäre! Wütend wollte ich wieder nach Hause gehen. Mir fiel auf, dass es bereits ein Uhr war. Essen! Nadja kocht sicher... oh. Nadja war sauer. Plötzlich tat es mir furchtbar leid, dass ich sie so angefahren hatte. Ich machte einen kleinen Umweg mit einem Abstecher in einen Supermarkt. Ich wollte heute für sie kochen. Als Entschuldigung und Dankeschön. Ich überlegte hin und her, was ich denn nun machen könnte und entschied mich schließlich dafür, süß-sauer Hähnchen mit Reis und als Nachtisch gebackene Bananen zu machen. Zu Hause angekommen fand ich Nadja nicht im Wohnzimmer vor. Sie hatte sich in ihr Zimmer verzogen. Ich fing also alleine an zu kochen, was ich auch konnte, aber eben nicht so oft tat. Zumindest keine aufwändigen Gerichte. Immer wieder musste ich an Sebastian denken. Ob er den Artikel wohl auch gelesen hatte? Nach einer dreiviertel Stunde war ich fertig mit Kochen: und ich war richtig stolz auf mich! Ich deckte den Tisch und klopfte an Nadjas Zimmertür. „Nadja?"- „Ja?" Die Antwort kam zögerlich. Ich öffnete die Tür einen Spalt: Sie saß mit dem Laptop auf ihrem Schoß im Bett. „Essen ist fertig", meinte ich vorsichtig. Sie nickte. „Komme sofort"- „Und Nadja?"- „Ja?"- „tut mir leid wegen vorhin"- „Mir auch". Wir lächelten uns glücklich an und ich verzog mich. Perfekt! Kein Streit zwischen uns! Wir aßen zusammen, Nadja befand mein Essen sogar für sehr gut. Nach dem Hauptgang machten wir es uns wieder auf dem Sofa gemütlich und wir aßen die gebackenen Bananen, während wir „V for Vendetta zu Ende sahen". Gestern war mir nach dem Gespräch mit den Ärzten nicht mehr danach gewesen. Irgendwann dazwischen kam Coralie von der Uni nach Hause, aß, was wir übrig gelassen hatten und ging dann zur Arbeit ins Gasthaus zur pirschen Gans. Nach „V for Vendetta" schalteten wir von Netflix zum ORF um. Irgendwie interessierte es mich ja doch, was jetzt so los ist. Wer wohl meine Arbeit macht? Estelle vielleicht? Christoph und Marija? Die elefantenrunde zur Europawahl war an dem Tag, an dem ich wieder arbeiten durfte. Armin hatte mir angeboten diese zu Co-moderieren. Ob ich das noch darf? Armin möchte ich allerdings trotzdem nicht anrufen. Ich war nach wie vor enttäuscht, da ändert Markus Gruber nichts daran! Im ORF wurde wieder viel über die Europawahl geredet. Wir chillten unser Leben, als es an der Türe klingelte. „Scheißdreck, wer ist das jetzt schon wieder?", stöhnte ich. „Mann, da sitzt man grade mal fünf Stunden auf der Couch und dann muss man aufstehen!" Ich kicherte. „Wer geht?"- „Schere, Stein, Papier?"- „Klar. Eine Runde?"- „Fix". Nadja hatte Schere, ich Stein. Sie musste aufstehen. „Ja, hallo?" Ihre Augen wurden groß. „Herr Kurz?", fragte sie nach, um mir mitzuteilen, wer denn da unten stand. Sebastian war gekommen?? „Also... ich weiß nicht, ob sie da ist" Sie sah mich eindringlich an. Ich griff erschrocken in meine Haare: fettig. Natürlich, was sonst! Ich rappelte mich hoch und lief ins Badezimmer, um mich ein wenig herzurichten. „Ja, ich schau schnell, ob sie da ist, einen Moment bitte" Nadja kam zu mir ins Badezimmer. „Du siehst eh hübsch aus, mach dir keinen Stress!"- „Ja eh", meinte ich und band meine Haare zu einem Zopf zusammen. Ein paar Strähnchen kämmte ich raus, damit es nicht so aussah, als hätte ich mir gerade eben erst einen Pferdeschwanz gemacht. Ich hastete daraufhin noch in mein Zimmer, um meinen schlabbrigen Pyjama gegen einen etwas Hübscheren zu tauschen. „Ja, sie ist da", hörte ich Nadja sagen. Okay, mir bleibt nicht mehr viel Zeit! Ich hastete zurück ins Wohnzimmer und stellte mich an die Tür. Ich hörte jemanden die Treppe hochgehen. Sebastian. Es klopfte. Ich atmete einmal tief ein und aus und öffnete die Tür. Erschrocken sah ich in zwei tieftraurige Augen. „Hallo Helena", hauchte er. „Hallo, Sebastian, kommen Sie doch rein". Erst jetzt bemerkte ich, dass er eine Schachtel Pralinen und Blumen dabeihatte. Keine roten Rosen, sondern ganz wunderschöne einfache Schnittblumen. Er sah perfekt aus: das Haar ordentlich zurückgekämmt und mit Wachs fixiert, der Anzug faltenfrei. Und das nach einem langen Arbeitstag. „Bitteschön", meinte er und übergab mir die Blumen und Pralinen. „Danke", hauchte ich. Wir waren beide vorsichtig und zurückhaltend. „Wie... wie geht es Ihnen?"- „Es geht schon, danke. Und Ihnen?"- „Ebenfalls". Ich ging zur Küchenzeile, um eine Vase zu suchen. Er ging mir nach, hielt aber Abstand. Ich stellte die Blumen in die wohl einzige Vase im Haushalt. „Möchten Sie Kaffee?"- „Machen Sie sich bitte keine Umstände, Sie brauchen Ruhe! Ich habe... ich habe eh lange überlegt, ob ich überhaupt kommen soll"- „Weshalb?"- „Naja", druckste er „ich wusste nicht, ob ich erwünscht bin". Ich sah ihm tief in die Augen. „Doch, das sind Sie". Er atmete erleichtert auf und lächelte ein wenig. „Das... das bedeutet mir wirklich viel". Ich nickte und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich deutete auf das Sofa. Wir setzten uns. „Helena, es tut mir wirklich aufrichtig leid, dass ich im Kanzleramt nicht ordentlich mit Ihnen geredet habe. Ich war so durcheinander! Ich hatte so unfassbar viel Stress, diese blöde Führung war ein Vorschlag meiner Medienexperten. Und dann war auch noch Susanne dabei und Sie sind plötzlich auf aufgetaucht und die Gauner von den Erdölkonzernen wollten unbedingt ihre Förderungen und dann war da aber immer noch dieser bescheuerte Wahlstress und da war ich einfach total fertig und überfordert mit allem. Es tut mir leid, dass ich so genervt war". Ich nickte. „Ist in Ordnung... mir tuts auch leid. Ich hätte nicht so aggressiv sein dürfen, aber... ich war emotional so fertig..."- „Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Helena! Vor allem... wie geht es Ihnen? Sind Sie in psychologischer Betreuung?" Er sah mich besorgt an und griff nach meiner Hand. Ich nickte. Details brauchte er nicht zu wissen. „Wie haben Sie davon erfahren?", fragte ich nach. Ich hatte es ihm schließlich nicht erzählt. „Ich habe gestern Nachmittag beim ORF angerufen, nachdem Sie meine Anrufe nicht angenommen haben. Als Vorwand wollte ich einen dämlichen Artikel in der ‚Heute' nehmen..."- „Ja, diesen Artikel habe ich auch gelesen". Er nickte kurz, fuhr dann aber fort: „... aber mir wurde gesagt, dass Sie bis auf weiteres wegen Überarbeitung keine Interviews mehr machen. Und... dann hatte ich solche Schuldgefühle, dass ich vielleicht mitschuldig sein könnte..." Es tat ihm alles unendlich leid. Das war ehrlich. „Zu... zu meiner Frage... kann es... ist es möglich, dass Sie... mich als Kontaktperson..."- „Niemals, Helena! Ich habe Sie von herzen gerne und... und ja, tatsächlich, ich überlege, Susanne zu verlassen. Aber ich kann es jetzt noch nicht tun. Das klingt vielleicht dumm, aber jetzt so kurz vor der Wahl ist jeder Skandal ein enormer Rückschlag. Und... und... leider, ja, leider habe ich Susanne immer noch gerne. Ich bin in einer verdammten Zwickmühle. Aber meine Gefühle für Sie sind aufrichtig und ehrlich, das schwöre ich Ihnen! Bei der ÖVP und meinem Amt als Bundeskanzler!" Ich kicherte und er tat es auch. „Sollten Sie... sollten Sie nicht zu Hause sein? Ich meine... ich habe Sie sehr gerne hier bei mir, aber... ich will Sie keineswegs aufhalten!"- „Susanne bleibt heute bei Freundinnen in Meidling. Ich fehle also nicht zu Hause". Mein herz schlug schneller. Dann könnte Sebastian doch... dann könnte er doch... dableiben? „Sebastian, möchten Sie... die Nacht hier verbringen?", fragte ich vorsichtig. Er sah mich Augenbraue hochziehend an. „Ahm... also... ja, gerne. Aber ich muss morgen schon um halb sieben im Kanzleramt sein!"- „Mich stört es nicht, wenn Sie früh gehen!" Wir sahen uns tief in die Augen. Er beugte sich über mich und küsste mich sanft. Ich erwiderte den Kuss, versenkte meine Hände in seinen Haaren. Er legte einen Arm um meine Taille und zog mich näher an sich. Vorsichtig tastete seine Zunge gegen meine Lippen. Er ging behutsam mit mir um, als wäre ich zerbrechlich. Er löste seine Lippen von den meinen. „Es tut mir leid, wenn Sie sich etwas anderes erhoffen, aber ich kann in Ihrem Zustand nicht mit ihnen Sex haben. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich Ihre emotionale Situation ausnutzen würde!" WAS?! Aber ich... ich will doch! „Aber...", wollte ich protestieren, doch er drückte mir einen Finger an die Lippen. „Antrag abgelehnt!", hauchte er. Wir kicherten beide und ich ließ mich gegen seinen Oberkörper sinken. Er umarmte mich sofort. „Ich habe allerdings keine Wechselklamotten da, ich werde wohl nackt neben Ihnen schlafen müssen", schmunzelte er. „Und da erwarten Sie, dass es das beste ist, keinen Sex zu haben??", rief ich gespielt empört. Er lachte. „Außerdem... wer sagt, dass Sie bei mir in meinem Bett schlafen!" Er sah mich frech an. „Ich sage das"- „Das ist meine Wohnung!"- „Aber Sie hätten mich nicht eingeladen, wenn Sie es nicht wollten, dass ich neben Ihnen schliefe! Und als... Ihr Bundeskanzler, Fräulein Hintertupfing, ist mir das Wohl meines Volkes wichtiger als alles andere! Und es wäre höchst verantwortungslos, Sie alleine schlafen zu lassen! Ihnen könnte sonst was passieren!", meinte er gespielt besorgt. „Bringen Sie mir dann auch ein Glas Wasser ans Bett, wenn mich dürstet, Herr Bundeskanzler?"- „Wenn Sie mir sagen, wo sich in diesem Haushalt die Gläser befinden, so werde ich das tun!" Wir kicherten und umarmten uns fest. Nein, Sebastian würde mich nie für seine eigenen Zwecke missbrauchen. Er ist ein wundervoller Mann! Den Rest des Abends verbrachten wir damit, wie immer, über die Politik zu lästern und uns wirre Fragen über die Existenz des Menschen, der Erde und Gott zu stellen. Ich erzählte ihm schließlich auch von meinem Studium. Und von Armin. Dass er mein großes Idol im Business war. Ich erzählte ihm dabei aber nicht, was Armin bereits über uns wusste. Um halb elf gingen wir schließlich ins Bett. „Eine Zahnbürste habe ich auch nicht dabei", bemerkte er schließlich. „Was ein Glück, dass ich Ersatzzahnbürsten habe!", lachte ich. „Darf ich die dann gleich hier bei Ihnen lassen? Ich meine... sofern ich öfter hierbleiben darf?", fragte er vorsichtig. Ja. Ja, das durfte er. Meinetwegen hätte er auch einziehen können. Wir putzten uns gemeinsam die Zähne. Ich war irrsinnig froh, dass Coralie so oft weg war und Nadja sich in ihrem Zimmer verschanzt hielt, bis wir schließlich und endlich nebeneinander im Bett lagen. Ich überredete ihn, seine Shorts anzubehalten. Hätte er sich nackt an mich kuscheln wollen, hätte ich mich auch ausgezogen. Und dann hätten wir Sex haben müssen, ob wir es nun für richtig gehalten hätten, oder nicht! Mein Kopf lag gemütlich unter seinem Kinn, mein Rücken war an seinen Oberkörper gekuschelt. Er hielt mich umarmt und drückte mir noch einen letzten Kuss aufs Haar. „Gute Nacht, Helena", flüsterte er. „Gute Nacht, Sebastian", murmelte ich. So schliefen wir ein.

Die Staatsaffäre -eine skandal- und intrigenreiche Fanfiction mit Sebastian KurzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt