Das Hilfspacket

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Wien, 29. April 2019
Es ist wieder einmal halb 5 Uhr früh und ich verlasse die Wohnung, ohne ein ordentliches Frühstück im Magen. Ich könnte auch gar nichts essen, denn heute war ein großer Tag. Ich hatte mein erstes Interview im ORF Studio. Beschwingt stieg ich zu früh aus der Ubahn aus und ging den Rest des Weges zu Fuß. Manch einer könnte glauben so früh ist selbst beim Fernsehen nichts los, aber grade zu dieser Zeit läuft alles auf Hochtouren. Alle Neuigkeiten, die über Nacht eingetroffen waren, mussten ausgewertet und sortiert werden, um pünktlich die neusten Meldungen ins Fernsehen und ins Radio zu bringen. Nach acht Uhr wird es dann meistens ruhig und die Mitarbeiter belagern die Kaffeemaschinen. Während ich mir nicht nur zwei Kaffee, sondern auch ein Brötchen und Müsli holte, kam Christoph mit einem kleinen Päkchen vorbei. "Ist für dich abgegeben worden". Ich starte das kleine braune Päkchen, welches sorgfältig mit Klebeband verschlossen worden war, an. Es stand nur "Helena" drauf. "Eine Bombe von Kickl für die gestrige Aktion vielleicht", scherzte Christoph. Ich sah ihn missbilligend an. "Keine Sorge, weder die Hunde noch der Detektor haben angeschlagen". Ich atmete erleichtert auf, klemmte das Päkchen unter meinen Arm und ging mit dem Tablett in mein Büro. Mich interessierte das Frühstück nicht mehr. Ich holte den Brieföffner und schnitt mit diesem das Klebeband auf. Was da wohl drin sein mag? Und vom wem es ist??? Als ich das Paket geöffnet hatte, lag auf dem Inhalt ein Brief. "Sehr geehrtes Fräulein Helena, als verantwortungsvoller Bundeskanzler..." Oh mein Gott! Ich hörte auf zu lesen, drückte den Brief an meine Brust und lief vor Freunde schreiend durchs Büro. Das träume ich doch! Augenblicklich riss Christoph die Tür auf. "Helena, was ist passiert??" Ich bleib perplex stehen. Hinter Christoph scharrten sich weitere Mitarbeiter. Ich machte die Tür peinlich berührt zu und atmete tief durch. "... als verantwortungsvoller Bundeskanzler muss ich mich um mein Volk kümmern. Nachdem wir mehrere Zehntausend Euro an die Türkisch-Griechische Grenzen schicken werden, habe ich beschlossen, auch Ihnen ein kleines Hilfspaket zu schicken. NICHT durch Steuergelder finanziert. Mit freundlichen Grüßen, Sebastian Kurz". Heiliger Strohsack. Ich rannte zurück zum Paket. Darin lagen ein schwarzer Regenschirm, eine Tüte Nüsse sowie ein Notizblock und ein Stift. Ich freute mich so sehr, ich fing beinahe zu weinen an. Plötzlich wurde die Tür wieder aufgerissen und Estelle kam herein. "Jetzt nicht!", rief ich genervt, doch sie ging nicht. "Ich wollte dir nur gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!", meinte Estelle. Da stimmt doch was nicht! "Was ist mit dir?", fragte ich. Estelle schwieg. "Ich habe seit drei Jahren dafür gearbeitet Live Interviews mit Politikern machen zu dürfen- und jetzt kommt ein Tollpatsch wie du reingeschneit und bekommt einfach diese Stelle. Aber du wirst sie nicht lange haben, das schwöre ich!". Plötzlich öffente Christoph die Tür. Estelle sah mich ein letztes mal an. "Du hast diesen Job keine Woche. Du bist einfach nicht gut genug dafür". Dann ging sie. Christoph sah mich eindringlich an. "Das ist nicht deine Schuld. Du machst deinen Job besser als sie, du hast die Beförderung verdient". Ich nickte und sah auf das Packet. "Was ist das jetzt?", fragte Christoph und ging zum Tisch. "Nein, lass das!" Doch bevor ich ihn zurückschubsen konnte, hatte Christoph den Zettel erwischen können. "Sehr geehrtes Fräulein Helena... ohoo ein Verehrer... als verantwortungsvoller Bundeskanzler muss ich... WAS?!" Er sah mich entgeistert an. "Sebas-"-"Halt die Klappe!", zischte ich. "Sag bloß nichts! Zu niemandem ein Wort!"- "Er steht auf dich" - "Tut er nicht" - "Tut er doch" - "Tut er nicht" - "Tut er doch, sonst würde er dir keinen wasserabweisenden Notizblock schenken!" Wasserabweisend? "Geh!", schimpfte ich und schubste ihn aus meinem Büro. Ich blieb noch einige Sekunden an die Tür gelehnt, dann schnappte ich mir Block und Stift. Auf die erste Seite war schon etwas geschrieben:"Jetzt können Sie Ihre Notizen sogar in die Waschmaschiene geben:)" Mein Herz machte einen Sprung. Ich lief zum Waschbecken und ließ Wasser über die Nachricht laufen. Sie verrann nicht. Das Papier weichte nicht auf. Holy Shit. Ich muss mich bedanken! Ganz, ganz dringend! Ich muss... ich muss ein Interview anfordern! Ich griff sofort zu meinem Handy und rief Armin an. "Hallo Helena?" - "Armin, kannst du den Bundeskanzler umgehend kontaktieren?? Ich will ein Interview mit ihm. Eine Stellungsnahme zu den Hilfspaketen". Schweigen. "Okay", seufzte er schließlich. Vergiss nicht, um halb zehn ist dein Interview!!"-"Geht klar, Ciao!"-"Ciao". Ich legte auf. Perfekt. Sebastian Kurz und ich kennen uns jetzt 21 Stunden und er hat mir ein unendlich süßes Packet zukommen lassen. Er hat sich an meinen Namen erinnert! Und er... mir wurde schwindelig so glücklich war ich. Ich hatte absolut keinen Hunger mehr. Ich tanzte durchs Büro, freute mich und schaffte keine der mir aufgegebenen Arbeiten. Um kurz vor 9 ging ich in die Maske, Gernotina richtete mich her und pünktlich um halb zehn konnte ich mit dem Interview mit einem Uniprofessor beginnen. Ich war gut drauf. Armin war zufrieden. Ich war es auch. "Sehr gut, Helena. Morgen gibst du gleich zwei Interviews. Um viertel nach sieben hast du ein Interview mit Sebastian Kurz". Mein Herz setze aus. Oh Gott. "Das wird allerdings nur aufgenommen, es ist also so wie heute nicht life. Das Interview um viertel nach 1 ist aber life. Also höchste Konzentration!" Ich nickte. "Wir sehen uns". Ich nickte noch einmal. Jetzt arbeiten. Ich versuchte die mir auferlegten Arbeiten alle zu schaffen, aber ich war so abgelenkt. Was mache ich Morgen?? Was ziehe ich an?! Ich saß bis um halb 5 am PC, bis ich endlich alles fertig hatte. Ich packte meine Sachen zusammen und wollte sofort nach Hause gehen um meine Haare zu waschen und mir Kleidung für morgen rauszusuchen, doch Estelle hielt mich auf. "Der Bundeskanzler, aha?" - "Und? Ist ja wohl normal, dass er Interviews gibt", meinte ich und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. "Versau es nicht morgen... nur weil du deine Gefühle nicht im Griff hast. Könnte dich deine Beförderung kosten. Vielleicht sogar deinen Job" - "Was ist dein scheiß Probelm?", fragte ich genervt. "Oh es geht hier nicht um mein Problem, sondern um DEINS!", lächelte sie. "Entschuldige mich, du ziehst mich runter", meinte ich knapp und ging zur Ubahn. Ich wohnte seit drei Jahren in der Wohnung in Floridsdorf. Gemeinsam mit Nadja, einer Medizinstudentin, und Coralie, einer Lehramtsstudentin für Deutsch und Geografie. Die Wohnung war klein, wir hatten jede unser eigenens kleines Zimmer, ein Badezimmer, eine Wohnzimmerküche und einen schmalen Flur. Die Wohnung kostete mich dafür auch nur 300€ im Monat und da ich erst ein halbes Jahr arbeiten ging, konnte ich mir etwas Größeres noch nicht leisten. Aber ich war sehr glücklich mit den beiden Mädchen, wenn auch sie manchmal sehr anstrengend sein konnten. Zuvor hatte ich im Studentenwohnheim gelebt. Als ich die Wohnungstür aufsperrte, stieg mir der Geruch von Schokoladenpudding in die Nase. Ich ging dennoch schnurtracks in mein Zimmer um mir Klamotten zu suchen. Theoretisch hätte ich mir auch Klamotten vom ORF ausleihen können, aber ich wollte etwas anziehen, dass mir perfekt passte und ich auch mochte. Ich entschied mich für ein dunkelblaues Kostüm mit silbrigen Nähten. Dazu eine einfache Bluse und silberne hochhakige Schuhe. Ich hatte das Kostüm schon länger nicht mehr getragen, obwohl ich es sehr gerne hatte. Zufrieden mit meiner Wahl duschte ich mich und wusch meine Haare. Mein Blick schweifte von der Seife über das Shampoo bishin zum Rasierer. Nein, muss ich nicht! Sebastian und ich... niemals morgen schon! Sebastian hat doch eine Freundin... und... nein, selbst wenn er sie nicht mehr hatte, so würde das niemals morgen schon passieren! Ich duschte mich fertig, trocknete mich ab und steckte meine Haare in einen Turban um eine Gesichtsmaske auftragen zu können. Im Badezimmerspiegel sah ich immer noch den Rasierer in der Dusche. Ich seufzte, gab nach und holte ihn. Besser getan als später bereut...

Die Staatsaffäre -eine skandal- und intrigenreiche Fanfiction mit Sebastian KurzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt