Kapitel 12 ✔️

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Das schrille Klingeln des Weckers riss mich aus meinen Grübeleien. Seit einer geschlagenen Stunde versuchte ich, mir eine Strategie zu überlegen, wie ich mich am besten gegenüber Giulia und Mario verhielt. Ich vermutete, dass Luca mies gelaunt in der Villa aufgetaucht war, nachdem ich ihn so eiskalt zum Teufel gejagt hatte.

Oh Luca. Erneut sah ich seinen traurigen Blick vor mir. Wieder füllten sich meine Augen mit Tränen.

Verdammt, was war nur mit mir los? Statt erleichtert zu sein, wie leicht es doch gewesen war ihn loszuwerden, sehnte ich mich danach, für die nächsten Wochen mein Haus zu verbarrikadieren und zu heulen. Aber es half alles nichts.

Ich stand auf und schlurfte ins Bad. Missmutig schaute ich in den Spiegel. Ein Zombie sah mir entgegen. Die Haare hingen strähnig hinunter, da ich am Vortag keinen Bock mehr hatte zu duschen. Die Augen waren vom vielen Heulen leicht aufgequollen. Dazu schwarze Augenringe. Selbst meine Haut schien sich gegen mich verschworen zu haben. Ich war so bleich wie ein Geschöpf der Nacht. Oder wie ein Gamer, der drei Jahre im Keller seiner Mutter gehaust hatte, ohne an die frische Luft zu gehen.

Ich zog mein Schlafshirt aus und verschwand unter der Dusche. Zweimal schamponierte ich die Haare ein, damit wenigstens die wieder vernünftig aussahen. Nach einem weiteren Blick in den Spiegel kämmte ich sie durch und entschied mich dazu, sie an der Luft trocken zu lassen. Die kamen später eh in einen Zopf.
Nachdenklich lief ich in die Küche. Zwei der Teelöffel packte ich kurzerhand in den Kühlschrank, bevor ich einen Zitrone-Ingwer-Tee zubereitete. Etwas später holte ich die Löffel wieder raus und legte sie auf die Augenlider. Die Haut zog sich sogleich zusammen und ich atmete erleichtert auf. Herrlich erfrischend.

Völlig entspannt lehnte ich so am Küchenschrank, bis mein Magen knurrte. Brummend durchforstete ich den gähnend leeren Kühlschrank nach Essbarem für die Schule und zum Frühstück. Für Letzteres packte ich kopfschüttelnd ein paar Haferflocken mit Milch und einem Apfel. So schlecht versorgt war ich noch nie. Für den Unterricht schnappte ich mir zähneknirschend die übriggebliebenen Möhren und füllte Pekannusskerne aus der Packung in eine kleine Box. Resignierend sah ich auf die kargen Mahlzeiten. Entweder würde ich heute etwas vom Schulessen nehmen oder ausnahmsweise die letzten Stunden schwänzen. Vor dem einen ekelte ich mich, das andere passte nicht zu meiner Rolle. Grummelnd suchte ich die restlichen Sachen zusammen und verließ nach einem letzten Blick in den Garderobenspiegel das Haus. Immerhin sah ich nicht mehr ganz so furchtbar aus. Ich hielt zögernd inne. Seit wann sorgte ich mich um mein Aussehen? Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Es wurde Zeit, dass ich die verflixte Mission erfolgreich zu Ende brachte und mich wieder wie eine Undercover-Agentin benahm. Aber erst musste ich zur Schule.

Am Spind lief ich direkt Giulia in die Arme.

„Oh, so wie du aussiehst, weißt du sicher was mit Luca los ist, oder?" Sie schaute mich aus ihren großen sanften braunen Augen fragend an.

„Ich hab ihm gestern noch verdeutlicht, dass es nichts zwischen ihm und mir geben wird." Ich wandte mich ab und schluckte leer.

„Aber ihr passt so gut zusammen." Mein Hals schnürte sich zu. Verdammt, was war nur los mit mir?

„Giulia. Bitte. Nur weil du wegen Marco auf einer rosa Wolke schwebst, musst du bei anderen nicht zu viel hineininterpretieren." Im nächsten Moment biss ich mir auf die Lippe und guckte sie entschuldigend an. Es war nicht fair von mir, meine Frustrationen an ihr auszulassen.

„Du weißt von Marco und mir?" Ihre Augen wurden tellergroß und ihre Lippen zitterten.

„Ja, ich weiß warum ich bei Luca im Zimmer schlafen musste. Ich gönne dir dein Glück wirklich von Herzen. Aber für mich gibt es mit Luca keine Zukunft. Keine Widerworte! Und lass uns jetzt zum Unterricht gehen." Damit ich nicht anfing zu heulen oder meine einzige Freundin weiter traumatisierte.

Tempestuoso - A Storm is ComingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt