Seit vier Monaten lebte ich im Pine Ridge Reservat bei den Lakota. Das Elend, das ich hier tagtäglich mitbekam, zehrte an meinen Nerven. Aber wie sollte man bei einer Arbeitslosigkeit von fünfundachtzig Prozent, einer hohen Suizidrate, Drogen- und Alkoholmissbrauch und einer geringen Lebenserwartung unbesorgt durch die Gegend hüpfen? Ich versuchte, von Nutzen zu sein, wo ich nur konnte. Dank meines separaten Bankkontos hatte ich einen Jeep, mit dem ich regelmäßig das Reservat verließ, um für einige der ärmsten Familien Lebensmittel zu holen. Ansonsten unterrichtete ich lernbegierige Kinder und Jugendliche im Kampfsport, um ihnen etwas Positives im Leben zu geben. Ich hatte schon einige Male überlegt, Immobilien zu verkaufen und das Geld in die Infrastruktur, das Schulwesen und das Gesundheitswesen im Reservat zu investieren. Wenn ich daran dachte, wie reich meine Familie war und dass viele Indianerfamilien hier nicht einmal Strom hatten, wurde mir speiübel. Zwar wurden seit einigen Jahren vermehrt eigene Unternehmen gegründet, die Arbeitsplätze schafften und indianische Produkte vermarkteten, doch das reichte bei Weitem nicht.
Im Moment waren Leroy und ich unterwegs zum Little Big Horn Battlefield National Monument. Wir waren am Vortag losgefahren und hatten in irgendeinem kleinen Kaff übernachtet. Nun waren wir auf Feindesland, wie mein Begleiter es betitelte - im Reservat der Crow. Abgesehen davon, dass ich versucht hatte, mich bei den Lakota nützlich zu machen, hatte ich dazu einiges über die Geschichte gelernt. Normalerweise wäre es für einen Geschichtsfan wie mich etwas Einmaliges und Wundervolles, doch was den Lakota beziehungsweise den Indianern durch die Europäer und ihre Nachfahren angetan worden war, ließ mich des Öfteren heulen. Bevorzugt, wenn ich abends allein im Bett lag. Die Zeit im Reservat hatte meine Augen geöffnet. Familie war wichtig, ohne Frage. Doch wenn sie einen zu zerstören drohte, dann musste man sich freikämpfen. Einige Male war ich kurz davor gewesen, Michael zu kontaktieren. Damit er sein Versprechen einlöste. Dann wieder vermisste ich Luca. Nachdenklich strich ich mir über den Bauch. Der Zwerg wuchs und wuchs. Bald musste ich eine Entscheidung treffen, ob ich das Kind mit meinem Mann großziehen wollte oder zusammen mit meinem besten Freund fernab von der Mafia.
„Du bist zu still heute. Geht es dir nicht gut? Ist etwas mit dem Baby?" Leroy fuhr zwar und konzentrierte sich auf die Straße, doch war er wie immer aufmerksam, was mein Wohlbefinden anging. Warum konnte meine Familie nicht so sein wie er oder Michael? Beide registrierten direkt, wenn es mir mies ging, drängten mich aber zu nichts.
„Ich habe nur an meine Familie gedacht", gab ich zu.
„Dachte ich mir schon. Du kannst dich nicht entscheiden, ob du zu ihnen zurückkehren oder ihrer Welt komplett den Rücken kehren sollst." Sagte ich schon, dass er aufmerksam war?
„Ja, einerseits will ich, dass mein Kind seinen Vater kennt und bei ihm aufwächst. Andererseits, wenn es ein Junge wird, muss er in die Fußstapfen seines Vaters oder meines Cousins treten. Ich weiß nicht, ob ich das will." Ich zuckte resignierend mit den Schultern.
„Da kommt wohl doch der Mutterinstinkt bei dir durch", schmunzelte der Lakota neben mir. Er hatte ja recht. Die Schwangerschaft veränderte mich. Nicht in der Art, dass ich brav hinter dem Herd stehen wollte. Nein, ich wurde fanatischer, wenn es um den Schutz der Personen ging, die ich liebte. Daher mein Dilemma.
„Weißt du, manchmal wünschte ich mir, Michael wäre bei mir", seufzte ich, als wir das Besucherzentrum erreichten. Seine besonnene Art fehlte mir. Melancholisch schaute ich aus dem Fenster. Eine mir nur zu bekannte Silhouette lehnte an einem Motorrad. Mein Puls verdoppelte seinen Takt, mein Herz hüpfte vor Freude auf und ab. Das Baby schlug einen Purzelbaum, schien sich von der Aufregung anstecken zu lassen.
Kaum stoppte Leroy den Wagen, sprang ich auch schon raus und rannte auf meinen besten Freund zu. Glücklich fiel ich in seine Arme und er zog mich direkt fest an seine wie immer durchtrainierte Brust.
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Tempestuoso - A Storm is Coming
Literatura FemininaAngela Hudson, eine auf den ersten Blick unscheinbare Achtzehnjährige, kommt neu in die Stadt. Ihr Auftrag? Die Mitglieder einer Mafiafamilie hinter Gitter zu bringen. Eine Leichtigkeit, denkt sie, als sie ihre Wohnung in Philadelphia bezieht. Zusam...